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Jerez-Fazit: Evolutionen und vielversprechende Risiken

Jerez-Fazit: Evolutionen und vielversprechende Risiken

Ein neues Jahr, ein neues Herantasten.

Die Formel 1 lief in den vergangenen Tagen erstmals für die Saison 2015 auf Probe.

Die große Frage vor der ersten Testphase in Jerez lautete: Gelingt der Konkurrenz ein entscheidender Schritt in Richtung Weltmeister Mercedes?

Zumindest lief es für den einen oder anderen Rennstall runder als noch vor einem Jahr. In punkto Konstanz war Mercedes nicht das Wasser zu reichen, auch wenn man keine Tagesbestzeit aufstellte.

Das war in Jerez aber auch im Vorjahr nicht der Fall - und wer später die Saison dominierte ist hinlänglich bekannt.

So ist es für die teilnehmenden Teams in Andalusien gelaufen:

"Never change a running system", besagt eine alte Weisheit aus dem Rennenglisch. Nach einem fantastischen Jahr mit zwei Weltmeistertiteln stand die Evolution im Vordergrund. "Da wir ein gutes Auto hatten, waren wir vorsichtig. Wir wollten bei der Entwicklung das Kind nicht mit dem Bade ausschütten", stellte Technikchef Paddy Lowe bei der Präsentation des F1 W06 Hybrid klar. Und daran haben sich seine Kollegen auch gehalten. Die Rundenbilanz (siehe unten) spricht für sich. Ganz ohne Macken lief es aber auch nicht. Einmal gab es ein Leck an der Kühlung, zudem schaltete sich einmal der Motor aus. Nico Rosberg sprach durchaus von willkommenen Problemen - dafür seien Tests schließlich da. "Es war gut, dass wir ein paar Schwachstellen aufgedeckt haben. Diese sind aber einfach zu beheben. Wir sind auf dem richtigen Weg", so der Deutsche, der aber durchaus von merkbaren Veränderungen spricht: "Das Gasgeben aus der Kurve heraus ist noch ein bisschen ruckig." Weltmeister Lewis Hamilton erlebte am Mittwoch noch eine Schrecksekunde, als er sich von der Strecke drehte. "Kein großes Ding, die Strecke war noch ein bisschen feucht", winkte der Brite ab, der sich traditionell zu Jahresbeginn nicht zufrieden zeigte. "Beim ersten Mal fühlt es sich nie wirklich gut an. In der ersten Woche ist das Auto eben noch nicht entwickelt." In Barcelona sollen mechanische Tests im Vordergrund stehen. Schon jetzt ist klar: Mercedes hat noch nicht alles gezeigt und funktioniert weiterhin konstant auf hohem Niveau.

Die "Bullen" sorgten mit der schwarz-weißen Testlackierung des RB11 mit Sicherheit für den Hingucker dieses Tests. Der "Erlkönig" brachte aber noch nicht die gewünschte Leistung auf den Asphalt. Red Bull Racing hat die zweitwenigsten Kilometer aller anwesenden Teams abgespult. Daniil Kvyat, der am Mittwoch 64 Runden drehte, blieb noch gelassen: "Probleme sind nichts weiter als das: Probleme. Man kann sie aussortieren. Ich vertraue den Fähigkeiten von Renault und Red Bull", sagte der Russe. Unter anderem sorgte ein kleines Metallteil am Motor für Sorgenfalten. Renault versprach aber, dass es bis zum nächsten Test besser läuft. Das Team, beziehungsweise Kvyat, brachte sich auch selbst in Probleme. So fuhr sich der 20-Jährige am Montag den Frontflügel kaputt. Ersatz? Nicht vorhanden. So musste man das Tagesprogramm auf ein paar Systemchecks beschränken. Auch Daniel Ricciardo hatte mit kleineren Beschwerden zu kämpfen. Wasserpumpe, defekter Sensor, ... - so richtig rund wollte es nicht laufen. "Es ist immer schwierig, beim ersten Test viele Runden zu fahren, obwohl das andere Teams hier geschafft haben. In Barcelona haben wir noch weitere Möglichkeiten", blieb der Aussie gewohnt optimistisch.

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Lewis Hamilton 921 1:22.172 (Tag 4)
Nico Rosberg 1363 1:21.982 (Tag 3)

Das Überraschungsteam der Vorsaison will 2015 den nächsten Schritt machen. Was die Zuverlässigkeit des neuen FW37 betrifft, spricht bislang wenig dagegen. "Wir hatten am gesamten Tag keine Probleme", sagte Felipe Massa nach seinen abschließenden 73 Runden am Mittwoch. "Das Auto verhielt sich konstant, wir haben stetig Fortschritte gemacht, speziell die Balance in den langsamen Kurven ist im Vergleich zum Vorjahr besser geworden", resümierte der Brasilianer. Mit den Rundenzeiten lag man zwar noch nicht im absoluten Spitzenfeld, das soll aber dann in Barcelona der Fall sein. "Im Moment hat es noch keinen Sinn, Performance-Versuche zu fahren. Wir müssen Daten sammeln, damit die Jungs in der Fabrik weiterarbeiten können", erklärte Valterri Bottas das Prozedere.

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Daniel Ricciardo 372 1:23.338 (Tag 1)
Daniil Kvyat 363 1:23.975 (Tag 4)

Themenmäßig dominiert Ferrari bislang die Vorbereitungszeit. Vierfach-Champion und Hoffnungsträger Sebastian Vettel wartete ungeduldig auf die Enthüllung seiner ersten "roten Göttin" während sich Teamkollege Kimi Räikkönen erstmals über Nachwuchs freuen durfte. Nach den vier Testfahrten kommt Ferrari immerhin auf drei Tagesbestzeiten. Auch wenn - siehe Williams - wenige Teams die Performance auf eine Runde in den Vordergrund rückten, war man bei der Scuderia angetan vom Start ins neue Jahr. "Sicher ist das Auto wesentlich besser als das, was wir im vergangenen Jahr hatten", meinte Räikkönen, der mit dem Vorjahresboliden besonders zu kämpfen hatte. Auch die Anzahl der Runden ist ordentlich. "Es könnte schlechter laufen", fand auch Vettel seinen ersten Auftritt okay. Ständiger Begleiter des vierfachen Weltmeisters ist übrigens ein Notizbuch, in dem er jedes kleine Detail festhält. Man wird sehen, wie sehr Ferrari spätestens in Melbourne vom bei Red Bull so geschätzten technischen Verständnis Vettels profitieren kann.

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Valtteri Bottas 593 1:22.319 (Tag 2)
Felipe Massa 637 1:22.276 (Tag 3)

Schon im Verlauf des Vorjahres gelangten keine besonders guten Nachrichten an die Öffentlichkeit, was Leistungsfähigkeit des neuen Motors von McLaren betrifft. Das sollte sich in Jerez bestätigen. Natürlich besitzt Honda nicht die Erfahrungen der Konkurrenz von Mercedes, Ferrari oder Renault - dennoch war die Vorstellung des mit so viel Euphorie präsentierten "Erfolgsprojekts" McLaren-Honda desaströs. Jenson Button und Fernando Alonso lagen mit Riesenabstand am Ende der Zeitentabelle. Der Brite fuhr am Mittwoch gerade einmal 35 Runden, während die Konkurrenz auf das Dreifache kam. "Ursprünglich hatten wir natürlich mehr Testarbeit auf der Agenda. Aufgrund der Probleme haben wir den Plan für Mittwoch aber auf ein Minimum zusammengestrichen", meinte Ingenieur Matt Morris. Die Ziele für den Auftakt in Melbourne sind dementsprechend niedrig gesteckt: "Es ist absolut realistisch, dass wir dort ins Ziel kommen", sagt Morris. Ex-Weltmeister Button wollte die Situation nicht überdramatisieren: "Wir wussten, dass der erste Test schwierig sein wird. Es kann viel passieren". Das muss es auch.

Sauber machte zwar seinen neuen Wagen blau - vermochte in Jerez aber die Zeit gut zu nützen. Die Hoffnung lebt, dass die Schweizer nach dem schlechtesten Jahr der Geschichte wieder für sportlich positive Schlagzeilen sorgen. Der neue Ferrari-Motor hält - im wahrsten Sinne des Wortes - was er verspricht. 382 Runden absolvierten Felipe Nasr und Marcus Ericsson in den vier Tagen, dazu setzte der Brasilianer am Dienstag die Bestzeit. "Es gab kaum Probleme mit der Zuverlässigkeit des Autos - und schon gar keine schwerwiegenden. Fahrer und Team haben gut zusammengearbeitet und konnten sich gut kennenlernen", fasste Ingenieur Giampaolo Dall'Ara zufrieden zusammen. Warum es plötzlich anscheinend deutlich besser läuft als im Vorjahr? "Es war wichtig, dass wir nun andere Ansätze gewählt haben. Dass wir uns trauen, ein Risiko einzugehen, es einmal anders zu machen", versuchte Teamchefin Monisha Kaltenborn zu erklären. Noch eine Saison ohne einen einzigen Punkt gilt es dringend zu vermeiden.

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Sebastian Vettel 655 1:20.984 (Tag 2)
Kimi Räikkönen 885 1:20,841 (Tag 4)

Für die "Jungbullen" lief es deutlich besser als für Red Bull Racing. Die Rookies Max Verstappen und Carlos Sainz Jr. kamen am Ende der vier Tage auf die drittmeisten Kilometer hinter Mercedes und Sauber. "Auch was das Tempo angeht, kann ich mich nicht beschweren", war Verstappen happy. "Nach kleinen Schwierigkeiten an den ersten beiden Tagen war es gut, den STR10 nun ernsthaft zu testen. Unser Fokus lag dabei voll und ganz auf der Zuverlässigkeit", erklärt Technikchef James Kay. Die Marschroute bis zum nächsten Test bzw. dem Saisonstart ist damit klar: "Einfach so weitermachen!"

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Fernando Alonso 168 1:35.554 (Tag 3)
Jenson Button 181 1:27.660 (Tag 4)

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Felipe Nasr 867 1:21.545 (Tag 3)
Marcus Ericsson 819 1:22.0219 (Tag 4)

Mit einem Tag Verspätung feierte das zuletzt krisengeschüttelte Team aus Enstone seine Testpremiere 2015. Durch die neue Mercedes-Power hofft man, in diesem Jahr endlich wieder konkurrenzfähig sein zu können. Am Mittwoch bockte der neue Antrieb, weshalb das Programm für Lotus vorzeitig endete. Romain Grosjean - der im Vorjahr noch gerne über sein Arbeitsgerät schimpfte - war angetan von der Vorstellung des Teams: "Das komplette Paket fühlt sich besser an. Der Motor funktioniert richtig gut, spricht gut an. Auch das Chassis ist eine andere Welt. Ich bin ein ziemlich glücklicher Fahrer."

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Carlos Sainz Jr. 810 1:23.187 (Tag 3)
Max Verstappen 752 1:22.553 (Tag 4)

...UND SONST?

Force India soll zwar beim Test in Barcelona von 19. bis 22. Februar dabei sein, allerdings mit dem Vorjahresauto. "Wir geben alles, um es zu schaffen, aber wahrscheinlich wird der VJM08 erst Ende Februar beim zweiten Test in Barcelona (26.2.-1.3., Anm.) fahren", sagt der stellvertretende Teamchef Rob Fernley.

Unklar ist immer noch, ob Marussia das angestrebte Comeback gelingt. Finanzielle Mittel für ein Antreten unter dem Namen "Manor GP" scheinen dank eines Konsortiums vorhanden, doch man dürfte am Reglement scheitern. Zwar ist es grundsätzlich erlaubt mit einem Auto von 2014 in die Saison zu gehen, allerdings nur, wenn die Konkurrenz zustimmt. Und das wird wohl nicht passieren. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir bei einer entsprechenden Anfrage zustimmen würden. Unser zweites Team Toro Rosso im Übrigen auch nicht", zitiert "f1-insider.com" Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko.

 

Andreas Terler

Fahrer Testkilometer Bestzeit
Romain Grosjean 234 1:23.802 (fuhr nur an Tag 4)
Pastor Maldonado 606 1:22.713 (Tag 3)