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Lewis Hamilton in Montreal: Alles oder nichts

Lewis Hamilton in Montreal: Alles oder nichts

„Sieg oder Akia“, lautet ein martialisches Motto im alpinen Skizirkus. Für die Formel 1 müsste ein vergleichbarer Satz erst erfunden werden, wenn es beim Grand Prix in Kanada einen Fahrer gibt, auf den diese Aussage zugeschnitten ist – wenn auch nicht in einer derart blutrünstigen Form – dann ist es Lewis Hamilton.

Der Brite kennt am Circuit Gilles-Villeneuve nur Schwarz oder Weiß, Sieg oder Niederlage, alle oder gar keine Punkte.

Gleich bei seinem ersten Antreten 2007 holte er die Pole Position und nach einem chaotischen Rennen mit vier Safety-Car-Phasen auch seinen ersten Sieg.

Sieg und Ausfall wechseln sich ab

Ein Jahr später startete Hamilton erneut von Startposition eins, machte sich die Siegträume aber durch einen schweren Eigenfehler zunichte. In der Box übersah er die rote Ampel an der Ausfahrt und krachte in den Ferrari von Kimi Räikkönen.

2010 fuhr Hamilton seine dritte Pole in Montreal ein und konnte diesmal auch die Überlegenheit auf einer Runde auf die Distanz ummünzen. Am Ende gab es sogar einen Doppelsieg für McLaren.

Getreu dem Rhythmus sah er 2011 im bis dato längsten Formel-1-Rennen der Geschichte mit einer Dauer von über vier Stunden nicht die Zielflagge. Und das noch dazu aufgrund einer Kollision mit seinem Teamkollegen Jenson Button. Im letzten Jahr staubte der 28-Jährige schließlich wieder die volle Punktezahl ab. Was da wohl heuer kommen mag?

"Lewis hat weniger präzisen Fahrstil"

Trotz dieser etwas eigenartigen Liebesbeziehung ist Montreal eine Strecke, die Hamilton liegt. Durch die bisherige Performance von Mercedes, insbesondere im Qualifying, gehört er damit zu den absoluten Favoriten. „Man benötigt ein ähnliches Setup wie im Fürstentum, um gut über die Randsteine zu kommen. Wir sollten also recht konkurrenzfähig sein“, hofft der Weltmeister von 2008.

Teamintern wäre es für den Briten auch Zeit, ein Ausrufezeichen zu setzen. Das glaubt auch Experte Marc Surer. „Er muss was tun nach Monaco, sonst läuft ihm Nico Rosberg langsam den Rang ab. Lewis hat einen weniger präzisen Fahrstil als Nico, aber der passt besser für die Strecke in Montreal. Also denke ich, dass Lewis dort zurück an der Spitze sein wird.“

Das fehlende Gefühl im Auto

Eine Liebe wie Montreal gehört mit Gefühl gepflegt. Genau daran mangelt es Hamilton aber noch. „Man muss sich mit dem Wagen einfach eins fühlen und das spüre ich definitiv nicht“, äußerst er Kritik am Boliden und meint damit die Bremsleistung des Mercedes, die gerade auf der kanadischen Hochgeschwindigkeits-Piste einen nicht unwesentlichen Faktor darstellt.

Vielleicht gibt es für die Silberpfeile ja Hilfe von oben. Regen lässt sich für das weitere Wochenende nicht ausschließen. Das würde dem Team um Ross Brawn aus Gummi-Sicht entgegenkommen. „Nachdem auch wieder die supersoften Reifen im Einsatz sein werden, wäre mir ein nasses Rennen auf jeden Fall lieber, als ein trockenes“, gibt Rosberg zu.

Apropos Reifen. Abzuwarten bleibt auch noch, wie sehr der „Test-Gate“, die Fahrer in Montreal belastet. Hamilton versucht das Thema von sich fernzuhalten. „Ich habe nichts davon gelesen. Die wichtigen Leute im Team gehen damit auf die angemessene Art und Weise um“, vertraut er auf seine Mannschaft. Laut "auto, motor und sport" steht der Gang von Mercedes vor das FIA-Tribunal am 20. Juni an.

Kimi auf Rekordjagd und noch immer sauer

Auch auf die Mannschaft, aber vor allem auf seine eigenen Fähigkeiten muss Kimi Räikkönen vertrauen. Er ist beim siebenten Saisonrennen auf der Jagd nach einem ganz besonderen Rekord. Beendet der Finne das Rennen in den Punkterängen, wäre es das 24. Mal in Folge. Das hat bis jetzt nur Rekord-Weltmeister Michael Schumacher zustande gebracht.

Der Iceman geht mit der gewohnten Coolness ins Wochenende. Zum Teststreit gibt er sich pragmatisch und gelassen. „Ich habe nicht alle Informationen, deshalb verschwende ich meine Zeit auch nicht damit zu überlegen, was Mercedes passieren könnte.“

Da ärgert den Finnen etwas anderes aus der jüngeren Vergangenheit viel mehr. Stichwort Sergio Perez. Beim Mexikaner scheiden sich bekanntlich die Geister, die Herren Rosberg, Maldonado, Massa, Pic, Vergne und Van der Garde übten sich bei der Fahrer-Pressekonferenz in zurückhaltendem Schweigen zu Fragen über den Fahrstil des McLaren-Piloten.

Räikkönen brachte seinen Unmut aber noch einmal klar zum Ausdruck: „Perez fucked up my race!"

 

Andreas Terler