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Der russische Weg in den Formel-1-Kalender

Der russische Weg in den Formel-1-Kalender

Er wünscht, sie fahren.

Gut fünf Jahre ist es her, dass Sotschi als Austragungsort eines Formel-1-Rennens erstmals ins Spiel gebracht wurde.

Wie man es von Bernie Ecclestone gewohnt ist, hält er immer nach neuen Standorten Ausschau. Beziehungsweise nach finanzstarken, neuen Standorten.

„Die Russen sind gute Leute. Die packen an“, wurde der Formel-1-Boss damals zitiert. Heißt: Sie zahlen.

Nichts anderes zählt für jenen Mann, der dafür bekannt ist, den Veranstaltern gerne einmal Feuer unterm Hintern zu machen, wenn es beim nötigen Kleingeld nicht stimmt. „Es geht auch ohne Monaco. Sie bezahlen nicht genug“, wurde er im Juli 2010 zitiert. Soviel dazu.

Eigentlich eine Utopie

Eigentlich hatte das Projekt Stadtkurs in Moskau Vorrang. Allerdings wurde man sich mit dem später abgesetzten Bürgermeister Yuri Lushkov finanziell nicht einig.

Kritik an einer Rennstrecke in einem Land, das praktisch keine Formelsport-Tradition hat, ist selten. Mit Ivan Samarin äußerte ausgerechnet ein Russe und damaliger Formel-2-Pilot Bedenken.

„Die Formel 1 in Russland zu haben ist unter den gegenwärtigen Bedingungen pure Utopie. Wir sollten mehrere Strecken für nationale Serien bauen, bevor wir mit der Konstruktion einer Formel-1-Strecke beginnen“, meinte der 26-Jährge vor vier Jahren.

Doch für Präsident Vladimir Putin ist nur das Beste gut genug. Und das ist nun einmal die Königsklasse. Geld spielt da keine Rolle, auch wenn Samarin darauf hinweist, dass sich die Sponsoren nicht zu viel erwarten sollten:

"Ein Formel-1-Rennen erhöht das Prestige des ganzen Landes und zieht eine Menge an Touristen an, die für die Show zahlen. Die Investoren sollten sich bewusst sein, dass es Jahre brauchen wird, bis die Investitionen Profit bringen."

Kaum Interesse, aber guter Kartenverkauf

Auch das grundsätzliche Interesse im Land, das sich wesentlich lieber beim Eishockey vergnügt, hält sich in Grenzen.

Formel-1-Medien in russischer Sprache sucht man vergeblich. Die Übersetzung des britischen Magazins "F1 Racing" hat man vor Jahren aufgrund der hohen Kosten eingestellt.

"Wenn man keine Medien hat, hat man kein Publikum", fürchtete Oksana Kossachenko, früher Managerin von Vitali Petrov, die außerdem anmerkte, dass sich wohl kaum eine russische Durchschnitts-Familie eine Karte für 20.000 Rubel, also etwa 400 Euro, leisten könne.

Rechtzeitig zum Rennwochenende dürfte man vor Ort den richtigen Weg gefunden haben. Oder der Russe an sich ist einfach ein spontaner Typ. Aller Vorrausicht nach wird der Grand Prix nämlich ausverkauft sein. 

Veranstalter-Berater Richard Cregan rechnet mit 55.000 Besuchern am Sonntag. Das wären halb so viele wie vergleichsweise in Spielberg.

"Das große Ziel ist, mehr internationale Zuschauer zu locken. Derzeit stehen wir bei zehn Prozent, aber das müssen wir erhöhen", sagt Cregan bei "motorsport-total.com".

Kostenexplosion

Dass es überhaupt zu einem Rennen kommt, ist aber aus Veranstalter-Sicht schon als Erfolg zu werten. Immerhin blieb die eine oder andere Unwägbarkeit in den letzten Monaten und Jahren nicht aus.

Aufgrund des Regierungswechsels in Krasnodar, der Region um Sotschi, wurden viele Vertreter der Baufirma "Omega", die auch den Vertrag für den Grand Prix unterschrieben haben, ausgetauscht.

Dadurch kam es zu ernsthaften Verzögerungen. Später wurde die ursprünglich eingesetzte Promoterfirma liquidiert, da die Kosten aus dem Ruder liefen. Laut einem Bericht der Wirtschaftszeitung "Wedmosti" im September 2013 stiegen die Kosten um 70 Prozent und lagen zu diesem Zeitpunkt bei etwa 260 Millionen Euro.

Aufgrund eines finanziellen Konflikts mit dem russischen Motorsportverband verpasste man im Sommer des Vorjahres auch noch die Nennfrist bei der FIA.

Putin und Ecclestone: Eine Männerfreundschaft

Diese zeigte sich aber kulant und nahm das Rennen doch in den Kalender auf. Vielleicht auch, weil sich die Herren Putin und Ecclestone gut verstehen.

So gab sich der Formel-1-Boss mit der russischen Politik bezüglich Homosexualität, die im Vorfeld der Olympischen Spiele scharf kritisiert wurde, "vollständig einverstanden."

"Ich stimme den Meinungen vollkommen zu, und wenn man eine weltweite Umfrage durchführen würde, dann würden 90 Prozent der Welt ebenfalls zustimmen", so Ecclestone.

Im Zuge des Ukraine-Konflikts forderte Ari Vatanen, 2009 unterlegener FIA-Präsidentschaftskandidat, schließlich offen die Absage des Rennens.

"Unterstützen wir das Regime, das dieses Blutvergießen steuert? Oder sagen wir, das ist nicht korrekt? Nach Russland zu gehen, würde eine Botschaft der Akzeptanz setzen", sagt der 62-Jährige in einem Bericht des "Telegraph".

"Wir sind verantwortlich für Unterhaltung"

Der Zampano weist alle Vorwürfe zurück: "Herr Putin hat uns enorm unterstützt und war sehr hilfsbereit. Jetzt werden wir das Gleiche tun. Ich sehe kein Problem, wir haben mit Politik nichts zu tun."

Seit Freitag dreht der Formel-1-Zirkus im Autodrom erfolgreich seine Runden. Die Fahrer sind angetan vom Kurs, die Organisation wird von allen Seiten gelobt und verläuft nach außen hin reibungslos.

Bei der Pressekonferenz der Teamchefs wurden die problematischen Umstände noch einmal thematisiert.

Stellvertretend für seine Kollegen meinte Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost: "Wir sollten uns auf unsere Aufgabe konzentrieren. Wir machen Formel 1. Wir sind verantwortlich für Unterhaltung."

 

Andreas Terler