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Eine Show, wie Jules sie gewollt hätte

Eine Show, wie Jules sie gewollt hätte

Erst kam die Stille, dann das Spektakel.

Der Grand Prix von Ungarn war das bisher denkwürdigste Rennen dieser Formel-1-Saison.

Damit war nicht unbedingt zu rechnen, nachdem Mercedes und insbesondere Lewis Hamilton bis zum Sonntagnachmittag das Geschehen am Hungaroring dominierten.

Am Ende standen Sebastian Vettel, Daniil Kvyat und Daniel Ricciardo auf dem Podest - eine Kombination, mit der niemand gerechnet hatte.

Sie fuhren für Jules Bianchi

Doch nicht nur die ersten drei können eine besondere Geschichte von diesem Rennen erzählen.

Vereint waren alle 20 Fahrer in einem Vorhaben: Sie fuhren für Jules Bianchi, dem gemeinsam vor dem Rennen noch einmal die Ehre erwiesen wurde.

"Danke, Jules. Dieser Sieg ist für dich", funkte Sieger Sebastian Vettel nach der Zieldurchfahrt.

Die Protagonisten und ihre Geschichten des Grand Prix von Ungarn:

Vettel: "Geht nicht alles aus dem Kopf"

Platz drei sicher nach Hause fahren - das schien für viele Außenstehende vor dem Rennen die logische Strategie des Deutschen. Zu überlegen schien Mercedes, zu stark und selbstbewusst schien Lewis Hamilton. Doch dann zogen beide Ferraris schon zu Beginn an den Silberpfeilen vorbei. "Das Auto war schwierig, aber toll zu fahren", gibt Vettel zu, auch selbst das eine oder andere Problem gehabt zu haben. Einmal vorne festgesetzt, dominierte Vettel das Geschehen wie in besten Red-Bull-Zeiten. Das Safety Car infolge des spektakulären Unfalls von Nico Hülkenberg, bei dem sich der Frontflügel plötzlich verabschiedete, sorgte dann für ungewollte Spannung: "Aus unserem Blickpunkt war das Safety Car natürlich nicht wirklich nötig", scherzt der vierfache Weltmeister. Aber auch nach dem Restart ließ er sich nicht mehr abfangen. Der Stolz war auch Teamchef Maurizio Arrivabene anzusehen. "Es war ein toller Sieg in einem hektischen Rennen. Wir sind in einer guten Verfassung, aber es ist sehr bitter, dass Kimi aufgeben musste", vergisst der Italiener nicht auf seinen zweiten Fahrer, der aufgrund eines MGU-K-Problems das Rennen vorzeitig beenden musste und so Platz zwei verpasste. Wie schwierig das Unterfangen für Vettel war, zeigt auch, wie nah ihm die Minuten vor dem Start gingen: "Auch wenn ich ab und zu ziemlich viel zu tun habe da draußen, geht dann doch nicht alles ganz aus dem Kopf. Die Szenen vor dem Start, als wir im Kreis standen und uns alle nochmal zusammengerissen haben, das war unheimlich schwer."

Kvyat: "Habe bis heute nicht gewusst, was es heißt, niemals aufzugeben"

Kann er das? War der Aufstieg vielleicht zu früh? Daniil Kvyat musste sich nach seinen ersten Rennen bei Red Bull Racing schon einiges anhören. Nun strahlte er erstmals vom Podest und das gleich als Zweiter. "Danke an alle. Es war ein sehr hartes Jahr bislang für uns. Als Team haben wir uns das verdient. Auch ich widme diesen Erfolg Jules", ist der 21-Jährige von sich selbst überrascht. "Ich habe nach der ersten Kurve gedacht, dass das Rennen für mich vorbei ist. Aber es gibt Leute, die sagen, dass man niemals aufgeben soll. Bis heute habe ich nicht gewusst, was das wirklich heißt", kann es Kvyat kaum fassen. Ähnlich unglaublich verlief das Rennen für Teamkollege Daniel Ricciardo: "Ich hatte eine Berührung in der ersten Kurve, dann war die Sache mit Lewis und auch noch jene mit Nico. Ich habe da draußen einfach alles gegeben, genau so wie es Jules gewollt hätte." Abgerundet wird das starke Red-Bull-Ergebnis durch Toro-Rosso-Rookie Max Verstappen auf Position vier. Wie für Kvyat ist es auch für den 17-Jährigen das beste Ergebnis seiner jungen Karriere: "Ich kann es nicht glauben, speziell nach meinem schlechten Start. Nach einer Berührung mit Bottas habe ich gedacht, dass es vorbei ist, dann habe ich meinen Ingenieur gefragt, um welche Position wir fahren. Er sagte P4 und ich meinte: Wie kann das sein?", jubelte der Niederländer. Dass man gute Chancen auf ein starkes Resultat haben würde, war den Red-Bull-Verantwortlichen klar. "Die Motoren sind die gleichen wie zuletzt, aber wir haben das Setup maximiert, weil wir gewusst haben, dass wir hier etwas erreichen können. Es ist ein unglaublicher Auftrieb für das ganze Team vor der Sommerpause. Aber es kommen wieder andere Strecken wie Monza, die uns gar nicht liegen. Jetzt genießen wir einmal das Momentum", bilanziert Teamchef Christian Horner.

Hamilton: "Nehme die Schuld auf mich"

Schon wieder der Start. Wie in Silverstone vergeigte Lewis Hamilton in Ungarn die ersten Rennsekunden. Es war der Auftakt zu einem Rennen voller Enttäuschungen. "Es war ein verdammt harter Nachmittag. Das Team hat noch das Beste daraus gemacht", so ein zerknirschter Weltmeister, der sich via Teamradio auch beim Kommandostand entschuldigt hat: "Ich nehme die Schuld auf mich." Zwischenzeitlich war Hamilton auch die WM-Führung los, erst als Rosberg sich im Zweikampf mit Ricciardo sich einen Reifen aufschlitzte, wendete sich das Mercedes-Blatt. "An die WM habe ich nicht gedacht, deshalb bin ich darüber auch nicht erleichtert. Ich hatte einfach einen verdammt schlechten Arbeitstag", resümiert Hamilton. Die Laune beim Teamkollegen war ungleich besser: "Bis Runde 46 ist alles gut für mich gelaufen. Der Sport kann manchmal aber verdammt hart sein." So recht akzeptieren, dass die FIA keine Strafe gegen Ricciardo ausgesprochen hat, will der Wiesbadener nicht: "Ich glaube, es war meine Kurve, ich habe die Ideallinie genommen. Aber da war eben noch sein Frontflügel. Die Rennleitung hat eben so entschieden." Teamchef Toto Wolff pflichtet seinem Schützling bei: "Ich habe es so gesehen, dass Ricciardo einen Fehler gemacht hat." Nach viel Jubel, Trubel, Heiterkeit ist diesmal auch dem Wiener der Unmut anzusehen: "So viele Zwischenfälle, wie wir heute hatten, haben wir sonst im ganzen Jahr nicht. Aber Ferrari hat es verdient. Sie waren großartig."

Alonso: "Das haben wir nicht erwartet"

Die Prügelknaben der Saison dürfen sich in Ungarn auf die Schulter klopfen lassen. Einmal schafften es beide McLaren-Piloten in dieser Saison schon in die Punkte. Diesmal sogar beide in einem Rennen. Fernando Alonso als Fünfter und Jenson Button als Neunter. "Das ist wirklich toll für uns. Das haben wir uns auch nicht erwartet. Diesmal taten sich für uns mehrere Möglichkeiten auf und die haben wir genützt. So ist es natürlich gut, in die Sommerpause zu gehen", ist dem Spanier ein zufrieden klingendes Statement zu entlocken. Nach einer bisher enttäuschenden Saison schöpft McLaren-Honda so neuen Mut: "Jetzt brauchen wir eine bessere zweite Saisonhälfte, konzentrieren uns aber auch schon auf 2016. Das ist unser Ziel." Teamkollege Button bleibt da ein wenig gelassener: "Es ist ein schöner Erfolg für uns, aber wir müssen realistisch bleiben. Andere Teams sind bestraft worden und wir haben davon profitiert. Das Auto war gut zu fahren, aber wir brauchen weitere Punkte", meint der Brite. Der Kampf darum geht in vier Wochen in Spa in die nächste Runde. Dann wird es auch leichter fallen, sich auf das Rennen zu konzentrieren: "Es war schwierig für mich, nach der Schweigeminute ins Auto zu steigen. Aber wir lieben Racing, wir lieben es, zu fighten. Jules wollte sicher so eine Show wie heute", sagt Alonso.

 

Andreas Terler