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"Ich ging davon aus, dass alle abgebogen waren"

Mercedes und Monaco - das ist eine ganz spezielle Beziehung.

Die Aufregung um Nico Rosbergs Aktion im Vorjahr, als er seinen Boliden im Qualifying nach einem vermeintlichen Fahrfehler auf der Strecke abstellte und damit eine schnelle Runde von Lewis Hamilton verhinderte, ist allen Beteiligten noch bestens in Erinnerung.

Diesmal schien derartiger Ärger auszubleiben. Weltmeister Hamilton war der dominante Mann des Wochenendes und Rosberg musste dies nach dem Qualifying und erst recht nach der Anfangsphase des Rennens akzeptieren.

Doch dann kam die 63. Runde und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Der Crash von Max Verstappen, bei dem der starke, aber in dieser Situation zu ungestüme Youngster zum Glück unverletzt blieb, löste eine Debatte am Mercedes-Funk aus. Und eine beispiellose Fehlerkette.

Hamilton glaubte an Boxenstopps der Konkurrenz

"Auf einem der Bildschirme sah ich das Team in der Boxengasse stehen. Ich dachte, Nico hatte die Reifen gewechselt. Ich konnte hinter mir niemanden sehen und ging davon aus, dass alle abgebogen waren. Das Team sagte mir aber, ich solle weiterfahren", erklärte Hamilton.

Zunächst war ein Boxenstopp noch kein Thema. Dann meldete der Brite aber, dass die Temperatur in seinen Reifen gesunken war. Das Team reagierte und rief Hamilton an die Box.

"Ich ging davon aus, dass es die anderen genauso gemacht hatten", meinte Hamilton, da infolge des Unfalls in Kurve eins das Safety Car seine Runden drehte. Falsch gedacht.

Eine völlig falsche Rechnung

Das war aber noch nicht alles. Ein korrekter Blick auf die Uhr hätte verraten, dass ein Stopp Hamilton eindeutig um die Führung bringen würde. Die Silberpfeile waren aber der Annahme, dass Sebastian Vettel im Ferrari noch in die Box kommen würde.

"Die Sorge war, dass, wenn Sebastian auf die weicheren Reifen gewechselt hätte, er auf den letzten Runden einen richtigen Vorteil gehabt hätte", so Teamchef Toto Wolff. Zusammen mit Hamiltons Beschwerde über die niedrige Reifentemperatur erschien ein Boxenstopp als die richtige Entscheidung.

Mercedes glaubte, Hamiltons Vorsprung hätte 22 Sekunden betragen. Kurz vor dem Boxenstopp waren es aber doch nur 18. Zu wenig.

"Unsere Rechnung war einfach falsch", meinte Wolff. So mutierte der geplante Sicherheitsstopp zum Debakel.

Chef-Stratege Vowes unter Druck

Die Frage nach dem Schuldigen wollte keiner beantworten. Unmittelbar nach dem Ende des Rennens fand eine Krisensitzung statt, bei der vor allem James Vowles unter Druck stand. Der Chef-Stratege diskutierte lange mit Team-Chef Wolff und Technikchef Paddy Lowe.

Personelle Konsequenzen waren aber nicht die Folge. "Darüber brauchen wir nicht reden. Wir sind ein Team, Erster und Dritter. Es hat nicht der Fahrer gewonnen, der hätte gewinnen sollen. Das ist die Sache", stellte Wolff klar.

Während der Teamchef nichts dramatisieren will, ist Vorstandsvorsitzender Niki Lauda etwas anderer Meinung:

"Viele Köche verderben den Brei! Da diskutiert ein Stratege mit dem anderen. Ich höre da ja zu. Und ich habe schon öfter davor gewarnt. Es sitzt halt leider keiner dort, der dann die richtige Entscheidung trifft", kritisierte der Wiener die Silberpfeile scharf.

Lauda kritisierte Technik-Chef Lowe

Besonders Lowe nahm Lauda in die Pflicht. "Ich finde, Paddy Lowe hätte diese Entscheidung überstimmen und entscheiden sollen, dass Lewis weiterfährt."

Auch die Begründung "Irren ist menschlich" ließ der dreifache Weltmeister nur bedingt gelten: "Es ging hier ja nicht um eine Millisekundenentscheidung. Es war relativ einfach, weil man überhaupt nichts machen musste - in Führung liegend."

Für Hamilton war die Suche nach dem Schuldigen, trotz sehr großer Enttäuschung, nicht wichtig: "Es war eine kollektive Entscheidung."

Der 30-Jährige war sehr darum bemüht, die Fassung zu bewahren: "Ich muss mich neu fokussieren und zurückkommen. Es ist verdammt schwer, aber ich bin Weltmeister, also muss ich mich auch so verhalten."

Rosberg: "Man muss es nehmen, wie es kommt"

Auf das Siegerfoto in der Garage hatte Hamilton aber dann doch keine Lust. Verständlich, wenn es nach Rennsieger Rosberg geht: "Lewis hätte den Sieg verdient. Es ist nicht toll, wenn das Team alles richtig macht. Er hat keinen einzigen Fehler am Wochenende gemacht", sagte der nunmehr dreifache Monaco-Sieger.

So sehr Rosberg die Gefühle seines Teamkollegen nachvollziehen konnte, so sehr wusste er gleichzeitig einen wichtigen Sieg zu schätzen: "Ich habe im Sport gelernt, dass man es nehmen muss, wie es kommt. Heute habe ich wahrscheinlich so glücklich gewonnen, wie noch nie. Aber Monaco ist Monaco."

Und nur mehr zehn Punkte Rückstand sind nur mehr zehn Punkte Rückstand.