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Mercedes will Gleichbehandlung überdenken

Mercedes will Gleichbehandlung überdenken

"Ein Albtraum für Mercedes", stellte Williams-Testpilotin und ORF-Co-Kommentatorin Susie Wolff während des Zieleinlaufes konsterniert fest.

Eine harte Aussage, wenn ein Team auf den Plätzen zwei und drei einläuft, doch die Gesichter der Piloten und Verantwortlichen bestätigten die Aussage der Schottin schnell.

Das erfolgsverwöhnte Silberpfeil-Duo, das in Australien nach Belieben dominiert hatte, verschwand schnell im Inneren des Boxen-Gebäudes.

Im Raum, in dem sich die ersten drei Piloten für die Siegerehrung frisch machen können, hatten sich Lewis Hamilton und Nico Rosberg nichts zu sagen.

Während Sebastian Vettel seinen ersten Ferrari-Sieg am Podest zelebrierte und so aus sich herausging, wie man es noch selten - oder zumindest schon lange nicht mehr - gesehen hat, stand den Silbernen eine gewisse Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Auch das eintrainierte, gezwungene Lächeln konnte über die Unzufriedenheit der beiden Piloten nicht hinwegtäuschen.

Ein taktischer Fehlgriff

Ein taktischer Fehlgriff
Marcus Ericsson löste mit seinem Dreher die Safety-Car-Phase aus

Am Start lief noch alles für die Dominatoren der letzten Saison, Hamilton lag in Führung, Rosberg setzte Vettel von Beginn an unter Druck. Doch schon die ersten Runden zeigten, dass der Ferrari das Tempo des vierfachen Weltmeisters durchaus mithalten konnte.

Der rennentscheidende Fehler passierte in Runde vier. Sauber-Pilot Marcus Ericsson rutschte von der Strecke und blieb ihm Kies stecken, die Rennleitung schickte das Safety-Car auf die Piste.

Mercedes, wo man sehr darauf bedacht ist, beide Fahrer gleich zu behandeln und von vorne herein mit einer Drei-Stopp-Strategie geplant hat, holte beide Piloten zum Reifenwechsel herein, Vettel hingegen fuhr weiter.

Mit seinen weicheren Reifen gelang dem Ferrari-Pilot danach eine schnelle Runde nach der anderen, während Hamilton und Rosberg mit ihren harten Reifen vorerst im Verkehr steckten. Als sie endlich freie Fahrt hatten, waren ihre Pneus schon so verbraucht, dass Vettel nach seinem Boxenstopp förmlich an ihnen vorbei flog.

Die Silberpfeile waren daraufhin in der Defensive und konnten den Rückstand nicht mehr gut machen. Wie genervt die Piloten darauf reagierten, belegen unter anderem die Funksprüche von Lewis Hamilton. Der Brite beschwerte sich vehement darüber, dass er bei seinem letzten Boxenstopp erneut den harten Reifen anstelle des deutlich schnelleren weichen Reifens aufgezogen bekam.

Auf die nächsten Funksprüche reagierte der Weltmeister äußerst gereizt und schrie seinen Renningenieur an, dass er ihn gefälligst nicht ansprechen solle, wenn er gerade durch eine Kurvenkombination fährt.

Versöhnliche Töne und Kampfansagen

"Glückwunsch an Ferrari und Sebastian. Sie haben einen fantastischen Job gemacht. Verdammt, waren die heute schnell", zeigte sich Weltmeister Lewis Hamilton nach dem Rennen aber als fairer Verlierer.

"Wir müssen uns jetzt zusammensetzen und besprechen, was wir falsch gemacht haben, damit uns das im nächsten Rennen in zwei Wochen in Shanghai nicht mehr passiert."

"Die Strategie war heute schwierig. Ferrari hat einen außergewöhnlich guten Job gemacht. Aber wir werden in China zurück sein. Ich freue mich schon auf die tolle Strecke dort", so der drittplatzierte Nico Rosberg.

Auch er hält eine Kampfansage an Ferrari bereit: "Ich kann im Namen des Teams nur sagen: Gebt euer bestes, Ferrari!"


"Das war ein absolut verdienter Sieg für Ferrari, so bitter das für uns ist. Es war aber auch ein guter Weckruf. Wir waren heute einfach nicht schnell genug", analysierte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nüchtern. "Wir müssen den Kopf tief halten, weiter arbeiten und Gas geben."

"Vielleicht hätten wir die Strategien splitten können"

Wie man seine Fahrer in Zukunft behandelt, wird man sich genau überlegen. "Vielleicht hätten wir die Strategien splitten können, aber wir waren ganz klar auf Dreistopp, das hat unser Algorithmus ausgeworfen", so Wolff.

Man wollte sich nach dem Rennen auch nicht wieder anhören, dass man einen Fahrer bevorzuge. "Vielleicht sind wir so konzentriert darauf, dieses Fair Play zwischen den beiden zu halten - in der Annahme, dass es nur zwischen den beiden geht - dass wir in der Sekunde diese Entscheidung nicht getroffen haben", gibt er zu.

Wolff betonte aber, dass seiner Meinung nach nicht nur die Taktik schuld am Resultat sei, sondern die Pace einfach nicht gut genug war. "Im Nachhinein kann man sich immer hinstellen und sagen, dieses oder jenes hätte man besser machen müssen. Aber wir treffen diese Entscheidungen als Team."

Niki Lauda sprach schon vor dem Rennen gegenüber "Sky" davon, dass Ferrari ein gewaltiger Sprung gelungen sei: "Ich würde sagen, dass sie seit dem vergangenen Jahr 1,5 Sekunden gefunden haben. Sie haben bei Motor und Auto große Verbesserungen erzielt."

"Sebastian motiviert dort alle, selbst Kimi. Beide Fahrer kämpfen auf hohem Niveau gegeneinander, dadurch kommt das ganze Team nach vorne."

Ändert sich das Kräfteverhältnis?

Ob sich das Stärkenverhältnis innerhalb der Formel 1 wirklich verändert hat, darf bezweifelt werden. Selbst Sieger Sebastian Vettel erklärte nach dem Rennen, dass ihm die hohen Streckentemperaturen geholfen haben.

Die Silberpfeile müssen sich zwar darüber Gedanken machen, wie sie ihr Reifenmanagement verbessern können, doch der taktische Fehler zu Beginn des Rennens war (mit-)ausschlaggebend für den ungefährdeten Sieg von Vettel.

Was den reinen "Speed" angeht, zeigt alleine schon die schnellste Runde von Niko Rosberg, dass Mercedes weiterhin der Herr im Haus ist, denn die beste Rundenzeit des Siegers war rund 1,5 Sekunden langsamer.

Was dieser Sieg auf jeden Fall auslöst, ist, dass sich Mercedes wieder mehr auf die Konkurrenz konzentrieren wird, nicht mehr nur darauf, wie man beide Fahrer möglichst gut bei Laune hält.

Der Sieg von Sebastian Vettel war eine Kampfansage, Mercedes hat aber die Mittel und entsprechenden freien Entwicklungs-Token um diesen Kampf aufzunehmen. Die Zuseher dürfen sich aber wohl auf umkämpftere Rennen freuen, als dies im Vorjahr der Fall war.

In den Planungen von Mercedes spielt dabei natürlich auch Weltmeister Lewis Hamilton eine große Rolle, der in Kürze seinen Vertrag verlängern soll. "Wir wollen den aktuellen Weltmeister binden, das ist klar. Es braucht wahrscheinlich noch ein paar Tage, aber ich bin guter Dinge", so Toto Wolff gegenüber Sky.

 

Alexander Neuper