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"Können es immer noch mit Red Bull aufnehmen"

Am 8. Juni 2013 regnet es in Montreal.

Es herrschen schwierige Bedingungen auf der Highspeed-Strecke Gilles de Villeneuve. Der Rookie Valtteri Bottas schlägt sich in einem alles andere als konkurrenzfähigen Williams bis hierhin mehr als wacker. Punkte sind ihm noch nicht vergönnt.

An jenem Samstag vor fast genau einem Jahr kann der Finne aber ein erstes richtiges Ausrufezeichen setzen. Mit Platz drei im Qualifying überrascht er nicht nur die Konkurrenz, sondern auch sich selbst.

"Es ist ein größerer Schritt nach vorne in der Startaufstellung, als wir ihn uns je hätten träumen lassen", kann er sein Glück kaum fassen.

Vor Kimi und dem Teamkollegen

Ein Jahr später wäre die Freude über einen dritten Startplatz wohl nicht minder gering. Die Ansprüche des Finnen und des britischen Traditionsrennstalls haben sich dennoch verändert.

Mit Mercedes-Power im Heck ist man der Bedeutungslosigkeit entkommen und befindet sich wieder regelmäßig in den Punkterängen.

Das liegt nicht zuletzt an der starken Performance des 24-Jährigen. Mit 34 Zählern liegt Bottas in der Fahrer-Wertung derzeit vor beiden McLaren-Piloten, seinem Teamkollegen Felipe Massa und Landsmann Kimi Räikkönen im Ferrari.

Ohne den ärgerlichen Motorschaden in Monaco wäre er zudem wohl neben Nico Rosberg, Fernando Alonso und Nico Hülkenberg der einzige Fahrer, der bei keinem Rennen mit leeren Händen nach Hause hätte gehen müssen.

Red Bull auf der Abschussliste

Doch auch ohne Erfolgserlebnis im Fürstentum reist Bottas mit breiter Brust nach Nordamerika. Für gewöhnlich halten sich nordisch-kühle Skandinavier wie er mit großen Ankündigungen zurück. Nicht so diesmal. Niemand geringeres als Red Bull Racing steht auf der Abschussliste.

"Ich denke, wir können es immer noch mit ihnen aufnehmen", kündigt Bottas bei "Autosport" an, um gleichzeitig lobende Worte für das Weltmeisterteam zu finden. "Es wird nicht einfach, denn sie haben sich deutlich verbessert, aber Monaco war wahrscheinlich auch ihre beste Strecke in dieser Saison."

Anders herum soll es bei Williams sein: "Auf dem Papier war Monaco eine der schwierigsten Strecken für uns, und in der Theorie sollte Kanada mit seinen langen Geraden eine der besten sein."

Ein perfekter Bremser

Davon, dass Bottas ungeachtet der Williams-Geheimfavoritenrolle in Montreal einer der besten Fahrer ist und noch viele Erfolge feiern wird, sind viele Experten überzeugt.

Einer davon ist Peter Windsor, der seine Bewunderung für den Finnen in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "F1 Racing" zum Ausdruck bringt und diese ausführlich argumentiert.

"Valtteri hat ein phänomenales Gefühl für die Bremskarenz (die korrekte Modulation des Bremspedals/Anm.) und für den Grad, in welchem er den Bremsdruck reduzieren darf. Verbringt man ein paar Runden damit, Felipe und Valtteri beim Bremsen zuzusehen, sieht man den Unterschied: Felipe bremst für gewöhnlich einen oder zwei Meter später, verbremst sich dabei aber in zwei von fünf Versuchen, wenn auch nur leicht. Valtteri hingegen spult, so scheint es, konstant dieselben perfekten Bremsleistungen ab", erklärt der 62-Jährige, der seit mehreren Jahrzehnten als profunder Kenner der Szene gilt und zuletzt unter anderem als Sportdirektor des gescheiterten US-F1-Teams in Erscheinung trat.

Nachfolger von Rosberg und Hamilton?

Auch wenn er - ähnlich wie Räikkönen - mit Glanz und Glamour der Formel 1 nicht viel anfangen kann und in Interviews nicht mehr sagt, als notwendig, weiß man bei Williams, welch talentierten und gleichzeitig abgeklärt fahrenden Piloten man im Team hat.

Besonderen Anteil an der Formel-1-Karriere von Bottas hat nicht zuletzt Toto Wolff. Der Motorsportchef von Mercedes hält noch immer Anteile am Rennstall aus Grove und ebnete ihm den finanziellen Weg in die Königsklasse.

Sollten Nico Rosberg und Lewis Hamilton dem Werksteam der Silberpfeile jemals den Rücken kehren, wäre Bottas ein logischer Nachfolger.

Wenn nicht schon vorher, wäre er wohl spätestens dann "The Next Big Finn".

Andreas Terler