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Mein Feind, der Stolz

Mein Feind, der Stolz

Er hat die Faust geballt, die Augen geschlossen und einmal tief durchgeatmet.

Als bei dem als letzten gestarteten Nigel Lamb die Zwei aufleuchtete war für Hannes Arch klar, dass er es geschafft hatte.

Der Steirer feierte im polnischen Gdynia seinen zweiten Saisonsieg, mit dem er seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf Verfolger Paul Bonhomme, der wegen einer Zwei-Sekunden-Strafe nicht über Rang fünf hinauskam, auf 13 Punkte ausbaute.

Im LAOLA1-Interview hält der 46-jährige Arch kurz inne und erklärt, warum Stolz momentan sein größter Feind ist:

LAOLA1: Hannes, hast du überhaupt gleich mitbekommen, dass Bonhomme die Strafe kassiert hat?

Hannes Arch: Er ist direkt nach mir geflogen. Als ich gelandet bin, hat es schon die ersten Gerüchte gegeben, dass er rausfliegt. Auf der einen Seite war das super für mich, auf der anderen Seite habe ich das Problem bekommen, dass ich zu locker geworden bin. Ich musste mich konzentrieren, um die Spannung nicht zu verlieren, weil ich wusste, dass ich die Chance habe, hier einen großen Schritt zu machen.

LAOLA1: Dein großer Trumpf heuer ist deine Konstanz. Wirst du mit 13 Punkten Vorsprung bei den nächsten Rennen mehr taktieren?

Arch: Ich will auf keinen Fall blöd riskieren, weil den Druck haben die anderen. Und wenn man Druck hat, macht man Fehler. Unsere Marschroute muss sein: Unsere Hausaufgaben zu erledigen, dann werden wir auch bei den kommenden Rennen schnell sein. Risiko werde ich nur nehmen, wenn es angebracht ist. Die Taktik darauf zu warten, dass die anderen entscheidende Fehler machen, ist bislang aufgegangen. Diese werden wir beibehalten.

LAOLA1: Kommen wir noch einmal auf deine Sichtweise zurück, keinen Stolz aufkommen zu lassen. Muss man das Wochenende trotz des Sieges eigentlich unter der Fragestellung betrachten, was schlecht gelaufen ist. Gab es da etwas?

Arch: Ich habe das erste Training versemmelt. Gleich im ersten Lauf habe ich das letzte Tor umgeflogen, damit hatte ich keine Referenz-Zeit. Somit war ich im Endeffekt die gesamte Woche ein Training hinten nach. Wir mussten in der Folge hart kämpfen, um das wieder aufzuholen und in den Finaltag top-vorbereitet reinzugehen. Das war ein Riesenfehler, der uns hoffentlich nicht mehr passiert.

Das Interview führte Reinhold Pühringer

LAOLA1: Wie oft musstest du in den Stunden nach deinem Sieg Leuten klar machen, dass das noch nicht der WM-Titel war?

Arch: Natürlich kommt jeder zu dir her und sagt: Cool, jetzt bist du eh schon so weit vorne. In Wahrheit haben wir aber erst Halbzeit. Alles, was bisher geschehen ist, kann sich schnell wieder umdrehen. Man muss sich bewusst sein, dass du mit einem kleinen Fehler möglicherweise nicht einmal die Super 8 erreichst und dann ist alles wieder dahin. Von daher muss für mich das Ziel sein, nicht an den Titel zu denken, sondern sportlich voll drauf zu bleiben.

LAOLA1: Dass du die Beine auf dem Boden behalten möchtest, hast du mehrfach betont. Ist diese Haltung etwas, das du schon mitgebracht hast oder das erst über die Jahre und durch Erlebnisse entstanden ist?

Arch: Man reift mit der Zeit und lernt seine Stärken und Schwächen kennen. Letzten Endes bringt dich nur harte Arbeit weiter und ich weiß, dass ich hart arbeiten kann. In der Vorbereitung versuche ich ein Perfektionist zu sein. Harte Arbeit ist allerdings nur die Voraussetzung. Der Schlüssel ist dann, dass du nicht abhebst. Du darfst niemals hochnäsig werden. In dem Moment, in dem du stolz bist, schaust du nicht mehr um dich herum, lernst du nicht mehr von den anderen. Aber ohne Lernen geht bei uns gar nichts.

LAOLA1: Wie viel Risiko bist du im Finale gegangen?

Arch: Ich glaube, dass das die gleiche Performance wie in der Super 8 war, allerdings ist der Lauf aufgrund der Bedingungen etwas langsamer geworden. Das konnte man an den Zeiten der anderen erkennen, die sicherlich auch nichts hergeschenkt haben. Entscheidend war, dass ich die Super 8 wie ein Finale geflogen bin. Dadurch habe ich gewusst, dass ich nur noch einmal so schnell sein muss, damit es reicht. Mehr Risiko wollte ich nicht eingehen.

LAOLA1: Bonhomme hat bereits anklingen lassen, dass der Druck bei einem Heimrennen größer ist. Könnte dir das nächste Rennen im britischen Ascot somit in die Karten spielen?

Arch: Bei einem Heimrennen ist man sich oft selbst der größte Feind. Da kann man herumreden, was man will, es belastet. Vor diesem Hintergrund sehe ich in Ascot die Chance für mich, weiter an einer Vorentscheidung zu arbeiten. Am liebsten möchte ich mit einem derartig großen Vorsprung dann nach Spielberg kommen, damit ich das Heimrennen richtig genießen kann.