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Zwischen Kitsch und Selbstbild

Zwischen Kitsch und Selbstbild

Nationalfeiertag. Perfektes Flugwetter. Ein Meer aus Fans, die mit rot-weiß-rot den Schriftzug „Go Hannes“ auf die Tribüne zaubern. Dazu ein WM-Leader, der sich abfang-gerecht am zweiten Zwischenrang einreiht.

Es war wahrlich angerichtet. Womöglich schon zu kitschig.

Doch das hollywoodreife Ende in Form des zweiten WM-Titels von Hannes Arch blieb aus.

Der gebürtige Steirer verpatzte den letzten Lauf der Air-Race-Saison. Mit Rang vier beim Finale in Spielberg blieb ihm nur der zweite Platz in der Weltmeisterschaft. Nigel Lamb setzte sich erstmals die WM-Krone auf.

„Zu hart gedreht“

Nach dem Rennen wirkt Arch bemüht, seine Enttäuschung nicht zu offen an den Tag zu legen.

Er spricht sie zwar an, schwenkt aber schnell auf das Sportliche um. „Ich habe etwas zu hart gepusht, und das war zu viel. So ist der Sport“, lautet die „archaische“ Fehler-Analyse, die sich insbesondere auf das Durchfliegen des Start-Ziel-Gates bezog.

Genau bei jener Kehrtwende, die knapp über die Baumwipfel führte, hatte Arch die Konkurrenz in den Zeitläufen zuvor klar distanziert. „Im Finale wollte ich einen noch spitzeren Winkel fliegen. Ich habe aber zu früh gedreht.“

Dann zuckt er leicht mit den Achseln. „Aber zurückhaltend fliegen geht in einem Finale halt nicht.“

Mehr Taktik

Generell fällt die Saisonbilanz des WM-Zweiten aber nicht negativ aus. „Ich freue mich weniger über die Ergebnisse, sondern viel mehr über mein Fliegen.“

Wo der Hebel für die Zukunft anzusetzen sei, liegt für ihn auf der Hand. „Ich möchte versuchen, taktischer zu fliegen. Auch wenn das schwierig wird, weil ich immer voll angreife.“ Was auch ein Aspekt ist, bei dem er ein wenig neidisch auf den neuen Champ hinüberschielt. „Nigel geht das immer sehr cool an. Davon möchte ich mir etwas abschauen.“

Knackpunkt Ascot

Bei Saisonhalbzeit hatte Arch nach Siegen in Rovinj und Gdynia mit 13 Punkten Vorsprung auf Paul Bonhomme geführt. Er sah fast schon wie der neue Weltmeister aus. Es folgte jedoch der große Einbruch.

Probleme bzw. ein Missverständnis sorgten dafür, dass der 47-Jährige in Ascot und Fort Worth nicht über zwei achte Plätze hinauskam. Die so sichere WM-Führung war plötzlich dahin.

Die Pannenserie ging in Las Vegas weiter. Dort lag es zwar an den widrigen Windverhältnissen, die zu einem Abbruch führten, für ein Aufpolieren des Selbstvertrauens reichte der aus den Quali-Ergebnissen resultierende fünfte Endrang aber nicht.

Kein Spielraum

Der Schluss liegt nahe, dass die letzten Rennen ihre Spuren im Selbstvertrauen des Überfliegers der ersten Saisonhälfte hinterlassen haben und er deshalb im WM-entscheidenden Moment nicht die – wie er es nennt – „notwendige Lockerheit“ an den Tag legen konnte.

Darauf angesprochen, verneint Arch. Aus seiner Sicht sei nur Ascot wirklich danebengegangen. „Meine Leistung in Fort Worth war nicht schlecht und ein Abbruch wie in Las Vegas kann passieren.“

Auch auf Journalisten-Fragen, ob er im Finale dem großen Druck vor dem Heimpublikum Tribut zollen musste, schüttelt das Flieger-Ass den Kopf. „Der Druck war die ganze Zeit da. Das ganze Wochenende, das ganze Jahr.“

Eine mehrfache Verweigerung also gegenüber einem Eingestehen möglicher Schwächen im Nervenkostüm. Fragt sich nur, ob das die Realität oder lediglich ein Versuch des Aufrechterhaltens eines positiven Selbstbildes ist.

Unterm Strich wird das wohl egal sein. Denn wer gesehen hat, wie knapp die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten an Pylonen, Baumwipfel und dem Boden dahinbrausen, der versteht, dass da kein Platz für Selbstzweifel ist.

Aus Spielberg berichtet Reinhold Pühringer