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"Gesamtpaket DTM ist unglaublich attraktiv geworden"

Mit der DTM erwacht am Wochenende auch die letzte große Rennserie aus dem Winterschlaf.

Der Kampf zwischen Audi, BMW und Mercedes um die Vorherrschaft der deutschen Hersteller ist nicht nur einer von Prestige, sondern auch einer großen Interesses. Zuschauer säumen die Strecken, die familiäre, greifbare Atmosphäre wird geschätzt. Zum dritten Mal in Folge gastieren die Tourenwagen Anfang Juni auch wieder am Red Bull Ring in Spielberg.

Eröffnet wird die Saison aber traditionell in Hockenheim. Der gejagte Titelverteidiger heißt Bruno Spengler, der für BMW gleich in der Debütsaison der Münchner den Titel holen konnte.

2012 war Scheiders Krisensaison

Mercedes und Audi sind gefordert. Und ganz besonders Timo Scheider. Der zweifache Champion blickt auf eine – vorsichtig ausgedrückt – durchwachsene Saison zurück. "Katastrophe!", formuliert der 34-Jährige es in eigenen Worten im Gespräch mit LAOLA1.

Vier Ausfälle, kein Podiumsplatz und als bestes Ergebnis Platz sechs – das bedeutete am Ende für den Rheinländer Platz 14. "Es war auf jeden Fall eines der schwersten Jahre, die ich hatte", sagt Scheider ohne etwas schönreden zu wollen.

"Schon nach den ersten Nuller-Ergebnissen war klar, dass wir nur noch Schadensbegrenzung betreiben werden können. Irgendwann galt  es aber nur noch den Grund zu finden, warum es denn eigentlich nicht läuft und warum dir zu deinen Teamkollegen fünf, sechs oder sieben Zehntel fehlen – und zwar immer", erklärt der Pilot des Abt-Rennstalls eine schwere Phase.

"Du fängst alles an zu hinterfragen. Bei der Technik, bei deinem Umfeld, privat bei dir selbst. Für Zandvort ist uns zum Glück technisch etwas Größeres aufgefallen und prompt holten wir die Pole Position. Das war natürlich ganz wichtig im Hinblick auf den Winter", schöpft Scheider Hoffnung, dass heuer kein ähnliches Seuchenjahr droht.

DRS als große Neuerung

Die Favoriten mögen vielleicht andere sein, besonders BMW sieht der Routinier, der in seine 13. DTM-Saison geht, als besonders stark, jedoch ist eines ganz klar: "Wenn man den Titel geholt und verteidigt hat, ist es natürlich das Ziel Rennen zu gewinnen und am Podium zu stehen. Momentan geht es aber einfach darum, sich hausintern zu etablieren."

Der Weg zum Sieg führt in der Saison auch über technische Neuerungen. So kommt das aus der Formel 1 bekannte DRS-System ab heuer auch in den DTM-Autos zum Einsatz. Wie in der Königsklasse gibt es also einen Klappflügel, der dem Boliden zusätzliches Tempo verleiht.

Im Vergleich mit der Formel 1 sieht Scheider die Technologie in der DTM sinnvoller umgesetzt. "Vom Effekt her ist es bei uns deutlich weniger hilfreich als in der Formel 1. Dort finde ich es fast ein bisschen peinlich, weil das Auto plötzlich 20 km/h schneller ist und der andere dasteht wie ein Statist. Das passt nicht zum Racing, finde ich."

In der DTM erwartet Scheider, der das System bei den Testfahrten ausgiebig ausprobieren konnte, etwa die Hälfte an Geschwindigkeits-Überschuss. "Das sollte reichen, um zumindest neben dran zu fahren. Das heißt es wird auf jeden Fall mehr Überholmanöver geben, was für den Fan schön ist. Und der Hintermann hat natürlich immer noch die Möglichkeit zurück zu überholen."

Options-Reifen soll zusätzlich Spannung bringen

Anders als in der Formel 1 wird DRS in der DTM nicht nur in bestimmten Zonen der Strecke, sondern am gesamten Kurs eingesetzt werden. Bei Start und Ziel wird der Abstand zum Vordermann gemessen. Liegt dieser innerhalb von zwei Sekunden, kann man sich auf der bevorstehenden Runde einen Punkt aussuchen, bei dem man auf den Knopf drücken, und so das zusätzliche Tempo erzeugen will. Dazu wird es nicht erlaubt sein DRS in den ersten, sowie in den letzten drei Runden einzusetzen.

Ebenfalls neu ist der sogenannte Options-Reifen, eine weichere Mischung, die mindestens einmal im Rennen aufgezogen werden muss. Da ist bei den Teams natürlich die richtige Strategie gefragt. "Dazu gibt es keine Setup-Änderung mehr nach dem Qualifying", führt Scheider aus, "Man muss eben entscheiden, ob man in der Quali ganz vorne stehen will, mit dem Risiko, dass das Auto im Rennen dann zu langsam ist, oder ich teile mir das Qualifying so ein, dass ich auf Platz sechs oder sieben stehe und habe dann im Rennen ein gutes und konstantes Auto über die Distanz."

Viele Änderungen, die hoffentlich für viel Spannung sorgen. "Das alles bringt uns ein großes Fragezeichen, aber auch ein großes Grinsen ins Gesicht. Bis jetzt weiß keiner, was die Fragen, die wir uns jetzt stellen, am Ende dann bedeuten werden", schildert der Audi-Pilot aus Fahrersicht.

"Entwicklung in der Formel 1 ist dramatisch"

Der Rennserie soll durch die Neuerungen ein weiter Schritt nach vorne gelingen. Scheider kennt die DTM wie kaum ein Zweiter. Nach Anfängen in der Formel 3 wechselte er vor dreizehn Jahren in den Tourenwagensport. Ein damals eher ungewöhnlicher Schritt. "Heute ist das Standard, dass, wenn man es nicht von der Formel 3 in die Formel 1 schafft, es probiert, in die Formel 1 zu kommen", sieht er sich durchaus als Vorreiter.

Zudem gebe es auch klare Vorteile gegenüber der Königsklasse. "Es ist die professionellste Serie, was Tourenwagen betrifft. Und die Entwicklung in der Formel 1 ist ja dramatisch. Als Rennfahrer blutet einem da das Herz. Nicht der beste fährt, sondern der, der die Millionen mitbringt."

Einer, der die Millionen heuer nicht mehr mitbringen konnte ist Timo Glock, ein guter Freund Scheiders und heuer bei BMW in der DTM aktiv. "Er ist ein sehr talentierter Fahrer, der leider nie die Chance bekommen hat, in einem guten Team zu fahren. Er fuhr mit Marussia auf Platz 22 herum. Jetzt brauchten die Teams von Platz zehn bis 22 schon Geld, um die Formel 1 betreiben zu können. Wenn du als Talent das Ziel hast, mit Motorsport Geld zu verdienen und dann zehn oder 15 Millionen Euro brauchst, läuft doch irgendetwas falsch", kritisiert Scheider scharf.

Da ist der Wechsel in die DTM doch vielen lieber. Und Geld lässt dort auch verdienen. "Timo sagt, es gibt vielleicht neun oder zehn Fahrer, die in der Formel 1 Geld verdienen. Es ist vielleicht die Serie, auf die jeder schaut, aber es ist vielleicht dann doch nicht so toll, wenn man genauer hinsieht."

"Das Gesamtpaket DTM ist einfach unglaublich attraktiv geworden. Zudem passt der Fahrstil eines Formel-3-Piloten gut zu einem DTM-Auto", sieht Scheider in der Serie mehr als eine Alternative für Nachwuchshoffnungen.

 

Andreas Terler