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Zeitlupe Kastler




Sport muss auch Emotion bleiben

Es bleiben nach dieser tollen Football-EM einige Dinge stehen: Österreich zeigte (vor allem in der famosen Regen-Schlacht gegen Frankreich) mitreißende Leistungen, Österreich ist erwiesenermaßen Football-verrückt (auch wenn es gegen den Lieblings-Rivalen Deutschland war, 27.000 müssen erst einmal in ein Stadion kommen) und eine Aussage wird noch lange diskutiert werden: "Ich habe nur 'wooh' gesagt."

Weil Ramon Abdel Azim das sagte, gab es die gelbe Flagge wegen Unsportlichkeit (Verhöhnung des Gegners), dies führte zu einer neuen Angriffsserie des Titelverteidigers und zum Sieg Deutschlands. Klar ist, die Gäste haben verdient gewonnen, weil sie wie Österreich ein gutes Spiel abgeliefert haben. Beide machten beim 30:27 nach doppelter Overtime gleichermaßen gute Plays (insgesamt vier TD-Passes, Final-MVP Ehrenfried mit drei), aber auch Fehler (insgesamt sechs Turnovers, Final-MVP Ehrenfried mit drei Interceptions). Dass dieses Finale am Ende mit einer dermaßen kleinlichen Regel-Auslegung entschieden wurde, ist für einen aufkommenden Sport mehr als bitter.

Jetzt ist sich die Mehrheit einig: Es ist ein lächerlicher Call. Wenn man nach einem so wichtigen Play nicht mehr "wooh" sagen, sich also freuen darf, und das in seinem ersten EM-Finale, im "Finale daham" vor 27.000 Fans im Tollhaus Happel, nach zwei Wochen Urlaub ohne finanzielle Gegenleistung, dann lassen wir es doch bleiben. Natürlich lassen wir es nicht bleiben. Denn Emotion macht ja den Sport aus. Das ist, was ihn so besonders macht. Das ist, was das Salz in der Suppe ist. Deswegen gehen wir ins Stadion, deswegen schreiben wir darüber, deswegen betreiben wir Sport. Deshalb gehört diese Strafe, die ohnehin keiner klaren Diktion unterliegt und die jeder Ref deuten kann, wie er will, dringend überdacht. Blöd, dass die N(o)F(un)L(eague) als Vorbild einen Kurs fährt, der für diesen Zweck nicht gerade hilfreich ist.

Ab der kommenden Saison darf man etwa nicht mehr das Ei nach einem Touchdown über den Querbalken des Goal Posts wie ein Basketballer dunken. New Orleans' Jimmy Graham hatte dadurch etwa den Goal Post geneigt. Es soll Schlimmeres geben. Wie auch immer, die IFAF muss hier der NFL nicht nacheifern und könnte sich Gedanken machen. Vor allem aber auch über die Referees, die diese Atmosphäre nicht gewohnt sind. Wer solch ein Endspiel leitet, sollte etwa auch in der Lage sein, ein klares Holding (Thomas Haiders Trikot war fast zerrissen) zu erkennen. Für ein EM-Finale braucht es Refs, die einem selbigen gewachsen sind.

Auf der anderen Seite deutete es Verbandschef Michael Eschlböck richtig an: "Man kann daran arbeiten, dass die Auslegung mehr Sinn macht oder den Spielern mehr einbläuen, dass es nicht mehr passiert. In der Liga wird das nicht gegeben, international sind die Regeln da eben strenger." Das wussten die Spieler. Laurinho Walch kassierte im einzigen Vorbereitungsspiel deswegen eine 15-Yards-Strafe, Valentin Schulz kassierte gegen Frankreich eine, die den einzigen Gäste-TD zur Folge hatte und im Finale kassierten abermals Walch und Matthias Rebl eine. Letzterer für das Anzeigen eines Incomplete-Passes. Das darf man nicht und wurde eben geahndet. Und bei Azim zeigte die Wiederholung klar, dass er in der Nähe des Sideline-Referees dem deutschen Quarterback noch etwas mit auf den Weg gab. Wenn man weiß, dass die Unparteiischen so kleinlich sind, darf man sich dazu nicht hinreißen lassen, auch wenn es in diesem Moment schier unmöglich ist. Auch egal, wie sich die Deutschen zuvor verbal äußerten (und laut Spielern taten sie das zur Genüge, wohl aber beide Seiten).

Österreichs Footballer zeigten nach dieser hochemotionalen Partie wahre Größe und schoben die Schuld nicht auf die Referees. Hut ab, dass sie in dieser so bitteren Stunde einmal mehr (neben viel Herz auch) viel Hirn zeigten und bei sich die Fehler suchten. Das taten sie auch mit Recht, niemand wird jedoch auch nur einem Spieler irgendetwas vorwerfen. Sie haben mit dem Turnaround im EM-Finale gegen den Titelverteidiger (17:14 nach 0:14) sehr viel Charakter gezeigt, aber mit den Interviews nach dem Spiel noch viel mehr. #TeamAustria14 bleibt unvergessen.

Es ist den Verantwortlichen für ein tolles Football-Fest zu danken. Dieser Rückenwind gehört nun freilich genützt: Auf internationaler Basis könnte etwa zumindest alle zwei Jahre abwechselnd eine EM oder WM ausgetragen werden (und nicht nach der WM 2015 drei Jahre nichts passieren). National sollte die AFL wieder mit mehr als nur fünf Teams gespielt werden. Nach der WM 2011 wurden zehn neue gegründet, vor allem im ländlichen Bereich. Schön wäre, wenn aus den Ballungszentren etwa die Steelsharks Traun (aktuell noch D2) aus dem Linzer Raum und die Salzburg Bulls (ebenfalls aus der drittklassigen D2) den Weg nach oben finden würden. Freilich ist das auch immer eine Frage des Geldes, aber wenn nicht nach so einer erfolgreichen EM, wann dann ist das am realistischsten?

Diese EM bietet die Chance dazu.