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Wo bleibt die Eigenverantwortung?

Wo bleibt die Eigenverantwortung?

Schlusspfiff nach dem ersten Trainingslager für arbeitslose Fußballprofis in Österreich. Paul Gludovatz, Übungsleiter und ambitionierter Pensions-Verweigerer, schwärmt: „Ich habe den Profifußball noch einmal von einer ganz anderen Seite kennenlernen dürfen, diese Erfahrung schätze ich sehr. Und trotz der Existenzängste mancher Spieler empfand ich die Stimmung als sehr positiv.“

Andi Schicker zeigt sich ähnlich begeistert: „Uns wurden perfekte Rahmenbedingungen geboten. Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, mich in einer homogenen Truppe mit fußballspezifischem Training fitgehalten haben zu können.“

Gludovatz und Schicker beim Camp für arbeitslose Fußballer

Andi hat mit dem SV Horn mittlerweile einen neuen Arbeitgeber gefunden (und sich leider im ersten Training gleich das Kreuzband gerissen), zehn der insgesamt 21 Camp-Teilnehmer und noch viel mehr Nicht-Teilnehmer warten allerdings noch vergeblich auf eine Anstellung.

Aber warum warten sie eigentlich? Warum werden sie nicht selber aktiv? Warum nicht auch im Profifußball zum Beispiel mal eine persönliche Bewerbung schicken? Ach ja, darum kümmert sich ja der Manager...

Und was ist mit einem Plan B, einem Leben außerhalb des (Profi-)Fußballs? Kümmert sich darum auch der Manager? Nicht diejenigen, die ich kennenglernt habe (und das waren viele).

Der seltene Blick über den Tellerrand

Aber noch viel trauriger finde ich den Mangel an Selbstverantwortung bei vielen Spielern. Spätestens mit der Unterschrift unter ihren ersten Profivertrag verlieren so viele Jungs den Bezug zur Realität, den Bezug zum (wahren) Leben.

Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen, das „Leben danach“ wird kommen. Vielleicht erst in 15 Jahren, vielleicht aber schon viel früher. Die Ausrede „ich will mich voll und ganz auf Fußball konzentrieren“ zählt für mich nicht. Denn sogar dem, der das wirklich tut (so viele sind das nicht), bleibt genug Zeit und Energie, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen.

Es muss nicht jeder pünktlich zu seinem Karriereende einen „Master“ in der Tasche haben, aber ein vorsichtiger Blick über den Tellerrand sollte schon drin sein. Zumindest in Österreich hat jeder Profi die Chance, sich schon während seiner Karriere in anderen Bereichen weiterzubilden. Egal ob durch Kurse, Vorträge, Bücher oder auch das Internet.

Ganz andere Reize oder Aufgaben bieten einen guten Ausgleich zum Fußball. Als Spieler kommst du auf andere Gedanken, begibst dich in ein neues Umfeld und definierst dich vor allem nicht mehr ausschließlich über deine Leistung am Platz. Zumindest habe ich das so erlebt.

In diesem Bereich fehlt mir aber oft auch die nötige Verantwortung der Vereine. Wenn schon die Spieler nichts Sinnvolles mit ihrer freien Zeit anzufangen wissen, dann sollte man ihnen ganz konkrete Möglichkeiten anbieten. Wer sagt eigentlich, dass ein Fußballprofi nicht auch außerhalb des Rasens für seinen Verein arbeiten kann? Oder auch für einen der Sponsoren? Vielleicht zehn bis 15 Stunden pro Woche?

Damit würden sich die Spieler erstens mehr mit dem Verein identifizieren und zweitens könnten sich gerade Jungprofis auch noch ihr Gehalt ein wenig aufbessern.

Apropos Gehalt: Genau da liegt oft der Hund begraben. Ich bin dafür, dass jeder Fußballprofi in Österreich von seinem Verdienst gut leben und im Optimalfall auch etwas sparen können sollte. Aber der oft vermittelte Traum, durch eine Fußballkarriere finanziell auszusorgen (in Österreich schaffen das drei Prozent), ist der größte Gegner eines Bewusstseins für die „Karriere danach“. Ich sorge aus, also brauche ich mir keine Gedanken machen, was nach dem Fußball sein wird...

Apropos Karriere danach: Es gibt durchaus Unterstützung für arbeitslose Ex-Profis. 2010 wurde in Österreich ein Verein mit genau diesem Namen gegründet, der sich in Zusammenarbeit mit dem AMS um die berufliche Zukunft sowohl aktiver als auch ehemaliger Leistungssportler kümmert. Aber nur um jene, die aktiv an ihrem „Leben danach“ arbeiten wollen. Nicht um jene, die aktiv ihrer Karriere nachweinen wollen. Die werden immer das Nachsehen haben...


Euer Fußball-Pensionist,

Peter


 

Peter Hackmair absolvierte für die SV Ried (2006-2011) und für Wacker Innsbruck (2011/12) insgesamt 120 Bundesliga-Spiele. Der 31-fache Nachwuchs-Nationalspieler, der 2007 mit der U20 bei der WM in Kanada sensationell Platz vier belegte, wurde Vizemeister (2007) und Cupsieger. Im August 2012 beendete der Mittelfeldspieler im Alter von nur 25 Jahren nach zahlreichen Verletzungen seine Karriere. Im September 2012 stellte Peter sein Buch "Träume verändern" vor, das bei Thalia und im ausgewählten Buchhandel erhältlich ist. Seither verstärkt er auch das Redaktions-Team von LAOLA1.


 

Das Erstlingswerk von Peter Hackmair, "Träume verändern", gibt es in sämtlichen Geschäften von "Thalia" und diversen anderen Buchhandlungen!