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Zeitlupe Altmann

 

Ein Klassenkampf wider Willen

Sport und Politik.

Zwei grundverschiedene Themengebiete, die sich wohl oder übel bisweilen dennoch kreuzen.

In Österreich leider allzu oft in Richtung Sackgasse. Wenn es darum geht, sich im Glanz von Ausnahmeathleten zu sonnen, sind die Herren Politiker schnell zur Stelle – wie jüngst erst Mister Günther „How do you do“ Platter bei David Alaba. Ein grandioses Eigentor des früheren Tiroler Sport- (!)Landesrats.

Von den dauergrinsenden Kamerawinkern auf den VIP-Tribünen bei Länderspielen oder Ski-Festen ganz zu schweigen, von ehemals direkt oder indirekt im Fußball involvierten „Buberln“ oder der vom Himmel gefallenen Kärntner Sonne sowieso…

Davon, wie intensiv das Bekenntnis zum Sport hierzulande wirklich ist, zeugt ein Blick auf den Zustand heimischer Stadien und Sportstätten. Die Zahl internationaler Topevents wird im Land der Sportruinen Schritt für Schritt geringer werden.

Wie eng Sport und Politik international miteinander verwoben sind, stellt nicht nur die aktuelle EURO unter Beweis.

Der Sport musste schon in der Vergangenheit nur allzu oft die Last der politischen Weltlage schultern – man denke als wahllose Beispiele an die Olympia-Boykotts 1980 und 1984 oder das großartige jugoslawische Nationalteam unter Ivica Osim, das 1992 zugunsten des späteren Europameisters Dänemark von der EM ausgeschlossen wurde.

Gleichzeitig wirkt der Sport allzu oft auch über seine natürlichen Grenzen hinaus befruchtend. Wieder einige wahllose Beispiele: Deutschland schöpfte in den Nachkriegsjahren aus dem WM-Titel 1954 Kraft, der Widerstandskampf eines Muhammad Ali gegen den Vietnamkrieg und Rassismus, oder das Statement des US-amerikanischen Eishockey-Olympia-Golds 1980 gegen die übermächtigen Russen.

WM 1998: USA und Iran posieren für ein gemeinsames Foto

Manchmal sind es auch die kleinen Gesten, die unendlich viel aussagen, wie das gemeinsame Gruppenbild der Kicker aus den USA und dem Iran vor ihrem Fußball-WM-Duell 1998.

Aktuell sucht Europa zu einem Zeitpunkt seinen Meister im Kapitalisten-Sport Nummer eins, in dem der Kontinent wirtschaftlich in seinen Grundfesten erschüttert wird – und das mit der Ukraine in einem Land, in dem der Umgang mit Menschenrechten ein bedenklicher ist.

Deutschland gegen Griechenland wird zum Klassenkampf Reich gegen Arm hochstilisiert, Angela Merkel wird 90 Minuten lang zur virtuellen Zielscheibe der ach so ungerecht behandelten und so gar nicht von ihren eigenen Verantwortungsträgern ins Verderben geführten Griechen.

Es wäre schön, wenn dieses Duell nur über einen Semifinalisten dieser EURO entscheiden würde. Tut es aber nicht. Gerade bei einem Triumph der Griechen würde viel mehr mitschwingen.

Und davor darf man seine Augen nicht verschließen – wie so oft, wenn Sport und Politik auf einer Kreuzung kollidieren.