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Ein Blick in die Vergangenheit des Fußballs

Ein Blick in die Vergangenheit des Fußballs

"Fußball ist unser Leben."

"Fußball ist die schönste Nebensache der Welt."

"Es regiert wieder König Fußball."

Derartige Phrasen unterstreichen eindrucksvoll den Stellenwert, den der Fußball in der Gesellschaft einnimmt.

In den meisten Ländern der Welt ist er klare Nummer eins in der Publikumsgunst und nicht selten auch Nationalsport.

Dass dem so ist, liegt einerseits an der Eigenheit des Spiels, andererseits an der über die Jahrzehnte gewachsenen Geschichte.

Etliche Klubs quer über den Globus beanspruchen für sich selbst den Titel "Traditionsverein" und berufen sich auf eine oftmals über ein Jahrhundert währende Vergangenheit.

In guten wie in schlechten Zeiten

Diese Tradition setzt sich aber nicht nur aus Siegen und Erfolgen, aus Pokalen und Trophäen, oder aus großen Spielern und illustren Funktionären zusammen.

Sogenannte „dunkle Kapitel“ gehören ebenso zu einer Vereinschronik wie etwa glorreiche Meisterjahre. Gemäß dem Motto "in guten wie in schlechten Zeiten" dürfen etwaige Schandflecke der eigenen Geschichte nicht einfach ausgeblendet werden.

Das für Europa und Österreich im Besonderen wohl dunkelste Kapitel ist zweifelsohne die Zeit des Nationalsozialismus, eine Epoche, mit der sich ein jüngst abgehaltener Kongress von Sporthistorikern befasste.

Rapid als österreichischer Vorreiter

In der Schwaben-Akademie Irsee, einer Bildungseinrichtung in Süd-Deutschland, versammelten sich von 3. bis 5. Februar renommierte Wissenschafter des Fachs, um über "europäischen Fußball im Zweiten Weltkrieg" zu referieren und ihre Forschungsergebnisse zu diskutieren.

Österreich war bei diesem internationalen Symposium gleich in zweifacher Ausführung vertreten.

Den Anfang machten Georg Spitaler und David Forster, die den "Wiener Fußball und die Deutsche Wehrmacht: Zwischen 'Pflichterfüllung' und Entziehung" thematisierten.

Basierend auf dem im Frühjahr 2011 erschienen Buch „Grün-Weiss unterm Hakenkreuz. Der Sportklub Rapid im Nationalsozialismus (1938-1945)“ erzählten die beiden Experten Auszüge aus den Viten österreichischer Legenden wie Rapid-Stürmer Franz "Bimbo" Binder oder Austria-Verteidiger Karl Sesta.

Graz holt auf

Angespornt von der Aufarbeitung der eigenen Geschichte beim SK Rapid, der bekannterweise 1941 „Großdeutscher Fußballmeister“ wurde, formierte sich auch in Graz ein Forscher-Team, das der steirischen Fußball-Vergangenheit auf die Spur kommen will.

So wie Rapid-Präsident Edlinger "die Rolle Rapids, seiner Funktionäre und Spieler unter der Nazi-Herrschaft" geklärt wissen wollte, arbeiten nun seit geraumer Zeit Walter Iber und Harald Knoll an der Beantwortung ähnlicher Fragen für die Steiermark.

Ihr Vortrag über "Die Traditionsvereine SK Sturm und GAK 1939-1945" bot erstmals Einblick in ihre noch unveröffentlichten Untersuchungen zum steirischen Fußball.

Deutschland als Vorbild

Anleihe nehmen die österreichischen Wissenschafter dabei an Deutschland, wo bereits in etlichen Vereinen Licht ins Dunkel der von Hitler und seinem Regime geprägten Jahre gebracht wurde.

Vor allem Akademie-Direktor Markwart Herzog machte sich um die Sporthistorie einen Namen und scharte zum wiederholten Male namhafte Kollegen zum Informations-Austausch um sich.

Der fußballerische Horizont der Jahre vor 1945 blieb keineswegs auf die deutschsprachigen Länder beschränkt, sondern wurde an besagtem Februar-Wochenende unter anderem um die Länder Großbritannien, Palästina, Ukraine, Serbien oder Malta erweitert.

Gegen das Vergessen

Der Sinn dieser zeit- und auch kostenintensiven Forschungen ist weitestgehend derselbe: Un- bzw. Halbwahrheiten beseitigen, historische Wissenslücken schließen und so im Fan-Verständnis vorhandene Mythen dekodieren.

Auf diesem Weg kann vor allem der in vielen Fanblöcken aktiven neonazistischen Szene das Wasser abgegraben werden. "Gegen das Vergessen – auch im Fußball" sozusagen.

Eine Aufgabe, der sich die Wissenschaft im Übrigen auch bezüglich von Austria Wien stellen möchte.

Bislang gab es von den Veilchen aber noch kein Interesse, die eigene Geschichte von Experten unter die Lupe nehmen zu lassen.

Der unlängst sein 100-Jahr-Jubiläum feiernde Verein machte mit seinem Museum bereits einen wichtigen Schritt zur offenen Erinnerungskultur, der Rivale aus Hütteldorf zog mit dem "Rapideum" später nach.

Nun haben die Grün-Weißen vorgelegt und in der Steiermark bereits Geister geweckt.

Man darf gespannt sein, ob es hiezu doch noch eine Reaktion aus Favoriten gibt und ob sich noch weitere österreichische Vereine ihrer eigenen Vergangenheit stellen.

 

Christian Eberle