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"Das Spiel bleibt das gleiche, die Namen ändern sich"

Peda Schreilechner steht vor einer Taktiktafel und hält eine wahrhaft legendäre Mannschaftsbesprechung.

Sie kennen Peda Schreilechner, jenen urigen Trainer eines Abstiegskandidaten, nicht?

Kein Problem, das ist auch schwer möglich, handelt es sich doch um einen fiktiven Charakter, der maximal rein zufällig, vielleicht ein bisschen unbewusst, wenn aber nur ganz leicht an das eine oder andere „Aushängeschild“ der österreichischen Trainergilde angelehnt ist.

Verkörpert wird er von Gernot Sick.

Der frühere ÖFB-Teamspieler, der 2004 mit dem GAK Meister wurde und 2007 frühzeitig wegen einer Knieverletzung seine Laufbahn beenden musste, hat den Sprung auf die Kabarettbühne gewagt.

Aus seiner Feder stammt das Programm „Die runde Wahrheit“, in dem er gemeinsam mit seinen „Kabarettschaftsbund“-Kollegen Hannes Toth und Gernot Zenz ein Sittenbild des heimischen Profifußballs zeichnet (alle Aufführungstermine).

Mit Augenzwinkern und auf humoristische Art und Weise wird dabei auf den einen oder anderen Umstand hingewiesen, mit dem Sick während seiner Laufbahn Bekanntschaft machte, und der nur bedingt an Aktualität verloren hat.

Im LAOLA1-Interview erläutert der 33-Jährige die Hintergedanken dieser künstlerischen Gesellschaftskritik und spricht offen darüber, warum er sich in der Glitzerwelt Profi-Fußball nur überschaubar wohl gefühlt hat.

LAOLA1: Was war die Motivation, dieses Programm zu schreiben?

Gernot Sick: Schon im Laufe der aktiven Karriere sind immer wieder die Sätze gefallen: „Das ist doch ein Kabarett hier“ oder „Eigentlich müssten wir mitschreiben, was wir hier erleben“. Das habe ich damals zwar nicht gemacht, habe aber vor einem Jahr angefangen, ein bisschen etwas niederzuschreiben – weniger Geschichten, die passiert sind, sondern eher schon in Richtung Kabarett-Buch. Nachdem Hannes Toth mein Nachbar ist, haben wir das einmal probiert. So hat eins das andere ergeben.

LAOLA1: Vom Aufschreiben zum Gang auf die Bühne ist es ein großer Schritt. Wie groß war für dich die Überwindung?

Sick: Sehr, sehr groß. Ich habe mir das lange überlegt. Die beiden anderen, Hannes beziehungswiese Gernot Zenz, tun sich da um einiges leichter. Ich bin doch eher introvertiert, auch wenn das auf der Bühne nicht so rüberkommt. Vor allem am Anfang war es ein großer Schritt. Mittlerweile geht’s schon, weil man einfach das Programm intus hat. Man weiß, was ankommt. Inzwischen ist schon eine gewisse Routine drinnen – natürlich verglichen mit dem ersten Mal und nicht gegenüber anderen Kabarettisten.

LAOLA1: Vor allem in der Rolle von Trainer Peda Schreilechner scheinst du aufzugehen…

Sick: Diese Figur gefällt mir wirklich gut. Ich habe drei Rollen, aber jene von Peda Schreilechner ist meine Lieblingsrolle. Als wir festgelegt haben, wer was spielt, habe ich sie mir gleich geschnappt nach dem Motto „Wenn ich etwas kann, dann den“. Diese Rolle ist für mich die einfachste. Warum weiß ich nicht, weil sie eigentlich nicht meinem Naturell entspricht, aber wahrscheinlich gerade deswegen… (schmunzelt)

Sick auf der Bühne mit seinen Kollegen Toth und Zenz

LAOLA1: Wie groß ist in diesem Programm der Anteil der Realität, wie viel ist Fiktion?

Sick: Patrick Wolf hat diese Frage in einem Interview gestellt bekommen, er hat sie mit „95 Prozent Realität“ beantwortet.  In Prozenten möchte ich es nicht ausdrücken, aber es war mir schon sehr wichtig, dass es sozialkritisch ist und wir nicht einfach nur einen Villacher Fasching oder so irgendetwas machen, sondern dass etwas dahinter steckt, wenn es „Die runde Wahrheit“ heißt.

LAOLA1: Soll heißen: Manche Pointen sind überspitzt, aber im Kern entspricht es euren Erlebnissen?

Sick: Unbedingt, ja! Das würde ich auf jeden Fall so unterschreiben.

LAOLA1: Ihr bewerbt das Programm als Sittenbild des heimischen Fußballs. Ganz plump gefragt: War es wirklich so schlimm?

Sick: Durchaus. Natürlich beleuchten wir es jetzt auf eine kritische Art und Weise, und mir ist schon klar, dass es nur von einer Seite beleuchtet und  natürlich auch überspitzt dargestellt wird. Aber grundsätzlich ist es schon ein Sittenbild. Ich glaube auch, dass es gar nicht wichtig ist, wer die Personen sind, oder wer was irgendwann einmal gesagt hat. Ich glaube nämlich: Das Spiel bleibt das gleiche, die Namen ändern sich. Kleinigkeiten sind vielleicht nicht mehr so, wie es vor zehn Jahren war, aber gewisse Sachen wiederholen sich eigentlich immer und immer wieder. Das ist das Lustige, wo wir anzusetzen versuchen.

Mit ÖFB-Team gegen England-Star Lampard

LAOLA1: Ich habe meine Frage gar nicht so sehr auf die Zahlungsmoral bezogen, sondern auf die grundsätzliche Geisteshaltung. Das betrifft ja, nur als Beispiel, auch Bereiche wie die taktische Vorbereitung einer Mannschaft…

Sick: „Geht’s aussi und spüt‘s eia Spü!“ hat man früher noch oft gehört. Ich bin jetzt kein Fußballer mehr, aber vom Gefühl her ist es heute viel durchdachter, es wird viel mehr gefordert, und es wird viel mehr kontrolliert. Ich denke, das ist auch gut so.

LAOLA1: Du hast in deiner aktiven Karriere ein paar gute Anschauungsobjekte als Trainer gehabt. Gibt es von ihnen Rückmeldungen auf dein Programm? Haben es sich etwa ein Werner Gregoritsch oder ein Walter Schachner angeschaut?

Sick: Werner Gregoritsch hat es sich angeschaut. Ich glaube, es hat ihm gefallen.  Trainer hat es sich sonst noch keiner angeschaut, dafür relativ viele Fußballer. Die GAK- bzw. die Sturm-Mannschaft waren jeweils geschlossen. Ich sage einmal, für Fußballer ist es vielleicht sogar ein bisschen zu kritisch. Es wird halt das ganze Geschäft in Frage gestellt. Wenn man nicht über sich selbst lachen kann, kommt es vielleicht gar nicht so gut rüber, wie ich es mir am Anfang eingebildet habe. Ich dachte, für die Fußballer wird das sicher total witzig werden, aber eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall, dass es bei den Fans viel besser ankommt als bei den Fußballern selbst. Aber das ist auch klar: Fußballer leben für das Geschäft – und zwar nur dafür. Wenn das dann durch den Kakao gezogen oder in Frage gestellt wird, ist es vielleicht nicht so einfach, darüber zu lachen.

LAOLA1: Bei dir war schon während der Karriere zu merken, dass du vom Typ her eher über den Tellerrand hinausblickst. Hast du dich immer hundertprozentig wohl gefühlt in einer Fußball-Welt, wo dem Klischee nach Themen wie Autos, Frauen und Geld eine große Rolle spielen?

Sick: Nein, es war nicht unbedingt meine Welt. Richtig wohl habe ich mich nicht gefühlt. Am Anfang macht man es, weil man gerne Fußball spielt. In der Jugend ist es sozusagen noch ein Hobby. Viele sagen, es sei das Allerschönste, sein Hobby zum Beruf zu machen. Das war bei mir überhaupt nicht der Fall. Im Endeffekt habe ich ein Hobby verloren, das ich gerne ausgeübt habe. Fußball war mein Beruf, aber er hat mir sicher nicht mehr den Spaß gemacht, den er mir bis zum Alter von 18 bereitet hat.

LAOLA1: Die Message ist also, das Publikum auf lustige Art und Weise zum Nachdenken zu bewegen, warum der österreichische Fußball da steht, wo er steht?

Sick: Auf jeden Fall. Wobei es mir zwar schon auch, aber gar nicht so sehr um Fußball geht. Das Ganze ist generell sehr gesellschaftskritisch.

LAOLA1: Welche Rolle spielt, dass du eine Ära im österreichischen Fußball hautnah miterlebt hast, wo es manche mit dem Gesetz vielleicht nicht ganz so genau genommen haben? Du warst beim GAK, man kennt die Geschichten, die es über diese Zeit gibt…

Sick (zögert schmunzelnd):  Ich sage einmal so: Das Programm beleuchtet auch Teile davon. Ich sage jetzt keine Namen, aber zum Beispiel ist vor einem Jahr wieder das Thema doppelte Verträge aufgetaucht. Da gab es einen großen Fall in der Bundesliga. Wie gesagt: Es wiederholt sich alles immer und immer wieder.

LAOLA1: In einem Youtube-Video bietet ihr eine „Anleitung zur richtigen Schmiergeldübergabe an ehemalige Mitarbeiter zur Änderung der Zeugenaussage“. Ihr lasst also kein heikles Thema aus, oder?

Sick: Nein, wir wollen wirklich kritisch sein. Es soll keine Belustigung  in dem Sinn sein, dass wir darüber lachen, sondern wir wollen es wirklich kritisch sehen und zum Ausdruck bringen, dass gewisse Sachen vielleicht geändert gehören. So möchte ich es einmal stehen lassen.

LAOLA1: Wenn du meinst, dass sich die Dinge immer wieder wiederholen. Ist es, wenn du einen groben Vergleich ziehst, nur eine Wunschvorstellung, dass es jetzt besser ist als vor zehn Jahren?

Sick: Ich denke, es ist schon um einiges seriöser geworden im Vergleich zu damals. Die Großvereine sind Vorbild, aber nicht nur sie – es hat sich schon einiges entwickelt. Es ist kein Vergleich mehr dazu, wie es vor 15 Jahren war, als ich das erste Mal in die Bundesliga geschnuppert habe. Das betrifft nicht nur die Problematik, die du ansprichst, mit der schwierigen Zahlungsmoral, sondern auch Trainer oder Spieler. Heutzutage muss man als Fußballer schon in alle Richtungen gut aufgestellt sein. Er muss gute Interviews geben, sich gut verkaufen und präsentieren können. Das war vor 15 Jahren vielleicht noch gar nicht so wichtig. Bei Trainern ist es genauso. Gewisse Sachen gehen nicht mehr durch, was vielleicht vor 15 Jahren noch gang und gäbe war, weil alleine die Medienpräsenz eine andere ist. Alleine wenn ich sehe, wie viele aktuelle Online-Geschichten es zum Thema Fußball  gibt. Das lässt sicherlich weniger Spielraum für amateurhaftes Auftreten oder Verhalten. Wir leben generell  gerade in einer Zeit, wo ein Skandal nach dem anderen aufgedeckt wird. Da wird das nicht mehr toleriert. Es geht nichts mehr so einfach durch, wie es vielleicht noch früher gegangen ist.

2004 wurde Sick mit dem GAK Meister (im Bild mit Rene Aufhauser)

LAOLA1: Woran lag das? Weil man eine gewisse Rolle spielen muss, vor allem in der Öffentlichkeit? Oder am Druck, den dieses Geschäft mit sich bringt?

Sick: Da hast du beides angesprochen. Erstens, dass man eine Rolle spielen muss. Ich glaube, um sich in der Öffentlichkeit gut präsentieren zu können, muss man sich auch ab und zu verstellen. Das ist eben das Spielchen, das man mitspielen muss. Das Zweite ist natürlich der Druck, der auch in meiner Zeit schon relativ groß war. Man verdient viel Geld, da muss man als Fußballer auch damit umgehen können. Die Kehrseite der Medaille ist, dass man sich einiges anhören muss, wenn es nicht so läuft. Dann kriegt man von allen Seiten Druck – seien es die Fans oder vereinsintern Mitspieler und Trainer.

LAOLA1: Wie oft muss man schmunzeln oder den Kopf schütteln, wenn man Aussagen von Kollegen in der Öffentlichkeit hört? Ich spiele auf jene Szene im Programm an, wo du als Peda Schreilechner einerseits eine Mannschaftsansprache hältst und andererseits den Medien gegenüber zum selben Thema genau das Gegenteil kommunizierst.

Sick: Ich glaube, diese Szene ist sehr sehr gut geglückt, da sich jeder in diese Szene reinversetzen kann. Und ich muss das jetzt gar nicht speziell auf Fußball runterbrechen, sondern das gilt für so viele Berufsbranchen. Intern erzählt man dem einen das eine und dem anderen das andere. Ich will jetzt keine Branchen aufzählen, aber ich glaube wir wissen, von welchen Branchen wir reden. Das ist eine aufgelegte Sache. Diese Doppelmoral ist das Aushängeschild unserer momentanen Gesellschaft.

LAOLA1: Dass Fußballer in der Öffentlichkeit stehen, macht es im Vergleich mit vielen Berufen nicht leichter…

Sick: Na klar. Es wird jeder Satz auf die Waagschale gelegt. Ein falscher Satz zum falschen Zeitpunkt, wie Josef Hickersberger bei der Einberufung für die EURO 2008 zum Beispiel: „Ich habe nicht die Besten sondern die Richtigen einberufen.“ So etwas bleibt hängen. Vielleicht hat er die Wahrheit gesagt, aber es ist blöd rübergekommen. Diesen einen Satz, den Hickersberger damals gesagt hat, werden in zehn Jahren noch viele kennen.

LAOLA1: Hast du als Fußballer immer schon die passenden Floskeln parat gehabt für den Fall eines Sieges oder einer Niederlage?

Sick (grinst): Es ist ja auch schwierig, denn in solchen Interviews kommt immer wieder das Gleiche. Wenn man ein bisschen zwischen den Zeilen lesen kann, kann man diese Interviews ohnehin deuten. Aber im Endeffekt hat man, wenn die gleiche Frage gestellt wird, so wie du sagst, ein paar Floskeln.

LAOLA1: Du musstest deine Karriere wegen einer Knieverletzung sehr früh beenden. Was machst du seither beruflich?

Sick: Ich arbeite bei Steiermark Tourismus.  Meine Heimat die Steiermark kann man mit gutem Herzen verkaufen. So eine Arbeit ist heutzutage schwer zu finden, wo man etwas verkauft, mit dem man sich selbst identifizieren kann.

LAOLA1: Im Leben nach dem Fußball eine gute Rolle zu finden, kann man wohl gar nicht hoch genug ansiedeln, oder?

Sick: Ein paar, die wirklich sehr, sehr gut sind, haben das Glück, dass sie sich gleich im Anschluss als Trainer etablieren können. Aber im Endeffekt geht für 95 Prozent der Fußballer in Österreich irgendwann das Türchen Fußball als Spieler zu. Dann ist die Frage, was man weiter macht. Ob man im Fußballgeschäft bleibt – das ist als Trainer immer ein Schleudersitz, man hat halt nichts Fixes. Oder man schaut wirklich, dass man sich in eine andere Richtung entwickeln kann, sodass man nach der Karriere etwas machen kann, was auf einer gesundes Basis steht. Das ist schon wichtig.

LAOLA1: Du hast ja auch für die ehemalige Band von Johnny Ertl die Texte geschrieben. Wann hast du dieses Talent zum Schreiben entdeckt? Auf die Idee, der slowenischen Skiläuferin Mojca Suhadolc eine Hymne zu widmen, muss man ja erst einmal kommen…

Sick: Vor rund fünf Jahren habe ich angefangen, Lieder zu schreiben. Das Wichtigste ist, dass man es gerne macht. Was dann raus kommt – manchen gefällt’s, manchen nicht, das wird immer so sein. Wenn man Glück hat und man trifft eine breite Masse, gefällt es eben mehr Leuten. Mit der Bühne habe ich zuvor noch meine Probleme gehabt, aber auf der Kabarettbühne fühle ich mich jetzt auch wohl. So gesehen ist das jetzt ein Hobby, das ich nicht zu meinem Beruf werden lasse… (lacht)

Das Gespräch führte Peter Altmann