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Vom Stürmer zum Tormann

Vom Stürmer zum Tormann

Bei allem Ärger über die vergebenen Chancen im Auftaktspiel zur U20-WM gegen Panama ist in den Hintergrund geraten, dass Österreichs Auswahl den Platz beinahe als Verlierer verlassen hätte.

Samuel Radlinger bewahrte seine Kollegen wenige Sekunden vor Schluss mit einer Glanztat vor einem Gegentor und sorgte so dafür, dass die Truppe von Teamchef Andreas Heraf weiterhin realistische Chancen auf das Achtelfinale hat.

Zur Stelle

Der Schuss von Cecilio Waterman in der 91. Minute bedeutete gegen Panama die erste und gleichzeitig einzige ernstzunehmende Prüfung für Radlinger.

Der Oberösterreicher bewältigte damit die für einen Tormann elementare Aufgabe, trotz chronischer Unterbeschäftigung im richtigen Zeitpunkt zur Stelle zu sein. "Aber das war kein Problem, denn wenn man vor so einer Kulisse bei einer WM spielt, ist das Adrenalin jede Minute da", sagte der 19-Jährige.

Höhepunkt der Karriere

Aufgrund seiner Darbietung in Cartagena geht Radlinger davon aus, auch in der Nacht auf Dienstag in Barranquilla gegen Brasilien im Tor zu stehen. Gegen die Auswahl aus dem Land des Rekordweltmeisters erwartet den Innviertler eine gänzlich andere Partie. "Trotzdem freue ich mich auf dieses Match, auch wenn sicher mehr auf mich zukommt."

Der Auftritt gegen Brasilien vor über 45.000 Zuschauern ist der bisherige Höhepunkt einer Karriere, deren Verlauf noch vor fünf Jahren in dieser Form nicht absehbar war. Zu dieser Zeit war der mit 1,98 Metern größte Spieler der gesamten U20-WM noch als Feldspieler im Einsatz.

Vom Feld ins Tor

"Als ich noch kleiner war, rechts im Mittelfeld. Dann als Stürmer oder Innenverteidiger. Tormann bin ich nur geworden, weil ich es nicht in die Rieder Akademie geschafft habe", erzählte Radlinger.

Dennoch waren die Versuche als Feldspieler nicht vergeudet. "Dadurch habe ich jetzt meine Stärken sicher im spielerischen Bereich und wegen meiner Größe auch bei Flanken." Wohl deshalb fand Radlinger als Goalie doch noch Aufnahme bei seinem Herzensclub SV Ried, der ihn im vergangenen Sommer an St. Florian verlieh.

Es ging ganz schnell

Im März dieses Jahres feierte er gegen Norwegen sein Debüt im ÖFB-U21-Team und weckte dabei das Interesse von Scouts des deutschen Bundesligisten Hannover 96, der ihn daraufhin auch ihn St. Florian beobachten ließ.

Ende Juni ging dann alles ganz schnell. "Ich wurde für vier Tage zum Probetraining in Hannover eingeladen und habe zwei Tage später meinen Vertrag unterschrieben", schilderte Radlinger.

Begleitet wurde er dabei von Ried-Manager Stefan Reiter, der bei den Deutschen darauf drängte, dass sein Eigengewächs die Freigabe für Kolumbien erhält. "Die Rieder sind eben daran interessiert, dass so viele Spieler wie möglich, die bei ihnen ausgebildet wurden, an so einem Turnier teilnehmen", sagte der Tormann.

Absage an Italien

Bevor sich Radlinger bis 2014 an Hannover band, hätte er auch in Italien landen können. Im Alter von 16 Jahren absolvierte der Keeper ein Probetraining bei Juventus, Empoli legte ihm sogar einen unterschriftsreifen Kontrakt vor.

"Aber mir war klar, dass es von der Infrastruktur her nicht gepasst hätte. Jetzt nach Hannover zu gehen, war genau der richtige Zeitpunkt."

Bei 96 hat Radlinger mit Emanuel Pogatetz einen "netten, sympathischen" Vertrauensmann, der ihn auf dem Weg zu seinem großen Ziel begleitet.

Erstes Ziel: Zweiergoalie

"Ich will jetzt einmal so schnell wie möglich Zweiergoalie werden", sagte der Oberösterreicher, der bis auf das Abschlusstraining sämtliche Einheiten mit den Profis absolviert und bei den Amateuren in der vierthöchsten Liga zum Einsatz kommt.

Dabei soll es nicht lange bleiben. "Ich nehme mir Ron-Robert Zieler als Beispiel. Er hat es bei Hannover in einem Jahr vom Dreier-zum Einser-Tormann geschafft", erklärte Radlinger. Es gibt aber noch prominentere Vorbilder. "Derzeit Manuel Neuer, früher Oliver Kahn."

Dabei orientiert sich der Deutschland-Legionär mehr an den sportlichen Qualitäten als an der Extrovertiertheit der beiden Deutschen. "Man muss als Goalie nicht so sein. Doch jeder Tormann muss ein bisschen einen Vogel haben, sonst lässt man sich nicht aus zwei Metern anschießen."