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"Moskau eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte"

Kein ÖFB-Kicker kennt Moskau so gut wie Jakob Jantscher. Als Fremdenführer kommt er beim dreitätigen Trip in die russische Metropole dennoch nicht in Frage.

„Wir sind ja nicht dort, um uns etwas anzuschauen“, grinst der Steirer, auch wenn er Orte wie den Roten Platz durchaus empfehlen kann: „Sehr sehenswert, den habe ich ein paar Mal gesehen, der ist direkt in der Stadt drinnen. Aber da werden wir wahrscheinlich nicht dazukommen.“

Im September 2012 übersiedelte Jantscher leihweise für eine Saison von RB Salzburg zu Dinamo Moskau. Ein Tor und fünf Assists in 20 Liga-Spielen lautete die Bilanz bei der ersten Auslandsstation der Offensivkraft, die eine gute Saison in Diensten des FC Luzern in den Beinen hat (LAOLA1-Interview).

„Moskau war sicherlich eine gute Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Als ich damals hingekommen bin, waren wir Letzter, am Ende wurden wir Sechster. Von dem her war es positiv, dass wir noch relativ weit nach vorne gekommen sind. Aber vor allem von der persönlichen Seite her war es wertvoll“, meint Jantscher mit dem Abstand von zwei Jahren.

„Immer sehr viel Stau“

„Ich habe davor in Graz und in Salzburg gelebt. Auf einmal kommst du nach Moskau, das ist natürlich schon eine Umstellung. Da musst du dich erst einmal zurechtfinden, das ist nicht einfach. Daran wächst du sicher.“

Vor allem die ganz alltäglichen Dinge würden eine immense Umstellung darstellen: „Es gibt viele Sachen, wo du auf dich alleine gestellt bist, zum Beispiel wenn du mit dem Auto fährst und nichts lesen kannst. Ich war sehr froh, dass meine Frau mit dabei war.“

Der Verkehr in Moskau ist ohnehin ein eigenes Thema. Von Dinamo wurde ihm damals ein Chauffeur angeboten, der Steirer lehnte jedoch ab:

„Ich bin alles selbst mit dem Auto gefahren. Ich habe im Norden von Moskau gelebt und mich relativ schnell ausgekannt. Den Flughafen, den wir anfliegen, kenne ich auch ganz gut. Dass ich von dort nach Hause immer sehr viel Stau hatte, ist mir wirklich im Kopf geblieben.“

„Kokorin hätte das Zeug für eine große Liga“

Kontakte zu seinem ehemaligen Arbeitgeber pflegt Jantscher keine mehr, und auch als „Spion“ kommt er nur bedingt in Frage: „Mit dem Alphabet ist es schwierig die Sprache zu lernen. Du lernst ein paar Sachen auf dem Platz wie links, rechts oder Druck. Also einige Begriffe kenne ich schon, es ist aber nicht so, dass ich groß irgendetwas verstehen würde. Wenn von den Russen taktisch irgendetwas besprochen wird, werde ich es wahrscheinlich nicht verstehen.“

Aber zumindest kann er auf Erfahrungen mit dem einen oder anderen Kadermitglied zurückgreifen: „Ich kenne natürlich einige Spieler sehr gut.“ Besonders in Erinnerung geblieben ist dem 26-Jährigen sein ehemaliger Mitspieler Aleksandr Kokorin.

Der Stürmer-Star zählt zu den Aushängeschildern von Russlands Nationalteam, kann aber eine gewisse Ladehemmung derzeit nicht verleugnen. In der Meisterschaft traf der 24-Jährige im Frühjahr nur ein Mal, beim 4:2 im Test gegen Weißrussland steuerte er jedoch das 1:0 bei.

„Kokorin ist sicherlich einer der bekanntesten Spieler und bringt sehr viel Qualität mit. Er ist schnell, quirlig, hat einen guten Abschluss. Er hätte sicher das Zeug für eine große Liga“, lobt Jantscher, der die „Sbornaja“ generell als „von hinten bis vorne sehr gut besetzt“ einstuft.

Gutes Geld und Standing

Exemplarisch nennt er Dmitri Kombarov („Ein sehr guter Außenverteidiger“), Aleksandr Samedov und Alan Dzagoev: „Das sind alles Spieler, die viel Qualität mitbringen und ebenfalls das Zeug hätten, außerhalb von Russland zu bestehen.“

Warum sich so wenige russische Profis über ihre Landesgrenzen hinaus in stärkere Ligen wagen, ist ein Thema, auf das Jantscher oft angesprochen wird – auch im aktuellen Kader von Fabio Capello findet sich kein Legionär.

„Für mich ist das schwer zu beurteilen. Es ist sicherlich so, dass diese Spieler bei ihren Vereinen sehr viel Geld verdienen und ein dementsprechendes Standing haben. Vielleicht suchen sie deswegen nicht unbedingt den Weg ins Ausland“, mutmaßt der Flügelflitzer, der nach seinem Engagement in Moskau in den Niederlanden beim NEC Nijmegen angeheuert hatte.

Fünf Punkte liegt Russland in der EM-Qualifikations-Gruppe G hinter Österreich, die Ausgangsposition erklärt sich daher beinahe von selbst.

Kaderplatz zurückerobern

„Russland ist eine sehr stolze Nation. Die werden natürlich alles daran setzen, dieses Spiel zu gewinnen. Das ist für sie ein sehr wichtiges Spiel, genauso wie für uns. Ich denke, dass es entscheidend ist, was wir in Russland machen und nicht dorthin fahren, um uns zu verstecken“, plädiert Jantscher dafür, das eigene Spiel durchzuziehen.

Trotz seiner Russland-Vergangenheit hat der frühere Sturm- und Salzburg-Kicker nur Außenseiter-Chancen, in dieser Partie auf dem Platz zu stehen. Nachdem er von Teamchef Marcel Koller längere Zeit nicht berücksichtigt würde, ist die Einberufung ein Erfolg und der Lohn für konstante Leistungen in Luzern.

„Ich habe eine relativ gute Saison hinter mir. Für mich gilt es jetzt natürlich, dem Teamchef zu beweisen, was ich kann. Ich war länger nicht dabei und möchte natürlich zeigen, welche Qualitäten ich mitbringe. Das möchte ich im Training einbringen, und wenn ich ein paar Minuten ran darf, natürlich auch im Spiel“, möchte sich Jantscher seinen Kaderplatz zurückerobern.

Im 4-4-2 mit Raute des FC Luzern schlüpfte der Grazer bekanntlich in die Rolle des Zehners. Als potenzieller Junuzovic-Backup im ÖFB-Team sieht er sich dennoch nicht: „Ich denke, dass ich hier als Flügel vorgesehen bin. Bis auf das letzte halbe Jahr habe ich kaum auf der Zehn gespielt, und bei unserem System in Luzern gibt es eigentlich keine Flügelspieler. Ich habe mich gut daran gewöhnt, aber ich fühle mich am Flügel auch sehr wohl, weil ich das immer schon gespielt habe.“

„Köln ein interessanter Klub“

Mit sechs Toren und elf Assists für den Schweizer Traditionsverein dürfte sich Jantscher, der Luzern via Ausstiegsklausel verlassen könnte, in die Notizblöcke diverser Vereine gespielt haben.

In deutschen Medien wird unter anderem dem 1. FC Köln mit Trainer Peter Stöger Interesse nachgesagt: „Das ist natürlich ein interessanter Klub in einer interessanten Liga, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber es ist noch nichts entschieden, es ist alles offen. Ich fühle mich auch sehr wohl in Luzern, habe mich sehr gut eingelebt und auch ein gewisses Standing in der Mannschaft, was nach dem schwierigen Jahr in Holland gut tut. Deswegen schaue ich dem Ganzen relativ locker entgegen und schaue, was passiert.“

Egal ob Wechsel oder nicht – der 16-fache Internationale hat es in dieser Saison zumindest geschafft, sich wieder vermehrt ins Rampenlicht zu spielen.

Auch wenn er die Erfahrung des Abstiegs mit Nijmegen nicht missen möchte, liegt eines auf der Hand: „Für einen Spieler ist es sicherlich angenehmer, wenn es positive Rückmeldungen auf die eigene Leistung gibt.“

Peter Altmann