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"Wahrscheinlich mein letzter Vertrag im Profifußball"

Seinen heutigen 28. Geburtstag verbringt Martin Harnik mit der Vorbereitung auf den EM-Qualifikations-Schlager in Russland.

Dass er auf seinen nächsten Geburtstag gerne in Frankreich anstoßen möchte, liegt auf der Hand. Genau an seinem 29. Ehrentag wird nämlich das Eröffnungsspiel der EURO 2016 im Stade de France über die Bühne gehen.

Das Kräftemessen in Moskau ist naturgemäß eine wichtige Etappe auf dem Weg in die Grande Nation. „Alle Spieler müssen noch einmal alles mobilisieren, um in den letzten 90 Minuten dieser Saison alles rauszuhauen“, schwört der Flügelflitzer seine Kollegen auf diese Aufgabe ein.

Für Harnik selbst war die mit seinem 51. Länderspiel zu Ende gehende Spielzeit ein Krimi um den Verbleib in der deutschen Bundesliga. Erst am letzten Spieltag gelang ihm mit dem VfB Stuttgart die Rettung.

Ob er auch 2015/16 das Trikot der Schwaben tragen wird, steht trotz laufenden Vertrags noch in den Sternen. In der Gerüchteküche wird er mit Vereinen wie dem Hamburger SV, Schalke 04 oder Hannover 96 in Verbindung gebracht – 96-Präsident Martin Kind hat das Interesse seines Klubs bereits bestätigt.

„Ich schwöre niemandem die ewige Treue, da bin ich offen und ehrlich“, schließt der gebürtige Hamburger, der in dieser Saison neun Treffer erzielt hat, nach fünf Jahren einen Abgang aus Stuttgart nicht aus.

Bei seinem Medientermin nahm Harnik jedoch nicht nur zum Russland-Spiel und seiner persönlichen Vereins-Zukunft Stellung, sondern freute sich als U20-WM-Held von 2007 auch mit der Nachfolge-Generation, die in Neuseeland die K.o.-Runde erreicht hat:

MARTIN HARNIK…

…ÜBER DIE GUTE AUSGANGSPOSITION VOR DEM RUSSLAND-SPIEL:

Die Ausgangsposition kann aber auch trügerisch sein. Wir wollen nicht auf die Euphoriebremse treten oder irgendwie pessimistisch sein, aber wir haben erst die Hälfte gespielt. Es ist in dieser Gruppe nicht nur rechnerisch, sondern auch praktisch noch alles möglich. Dem müssen wir uns bewusst sein. Aber wir sind mit der bisherigen Ausbeute in dieser Gruppe natürlich zufrieden und wollen die Tabellenführung natürlich bestmöglich verteidigen und ausbauen, aber das wird eine schwierige Aufgabe – nicht nur körperlich, sondern auch geistig.

…DARÜBER, OB DASS DUELL IN MOSKAU IM VERGLEICH ZUM ABSTIEGSKAMPF „ERHOLUNG“ SEI:

Der Abstiegskampf zehrt natürlich schon ganz schön und man ist natürlich irgendwann leer. Für uns wird es wichtig sein, dass alle Spieler – also nicht nur die, die im Abstiegskampf gesteckt sind, sondern auch jene, die bis zum Ende in mehreren Wettbewerben gespielt haben – noch einmal alles mobilisieren, um in den letzten 90 Minuten dieser Saison alles rauszuhauen. Aber natürlich, wenn man den Abstiegskampf positiv abgeschlossen hat, setzt das natürlich schon noch einmal eine gewisse Erleichterung und positive Energie frei. Aber nichtsdestotrotz braucht man das nicht.

…DARÜBER, OB MAN AUSWÄRTSSPIELE INZWISCHEN MIT EINEM ANDEREN SELBSTVERSTÄNDNIS IN ANGRIFF NEHMEN WÜRDE:

Ich war auch in Phasen dabei, wo wir in Heimspielen nicht viel geholt haben. Aber klar, wir hatten lange Zeit schon eine gewisse Auswärtsschwäche, aber ich denke, das lag auch an der Gesamtverfassung der Mannschaft. Die ist über die letzten Jahre viel, viel besser geworden. Wir haben uns sowohl als einzelne Spieler, als auch als Mannschaft sehr gut entwickelt. Das zahlt sich natürlich aus. Aber Selbstverständnis würde ich das nicht nennen, ich würde es einfach als Lohn für die harte Arbeit betrachten. Wir sind heute einfach besser. Es ist ja nicht so, dass es nur eine mentale Geschichte ist oder die Art und Weise, wie man ein Interview gibt, sondern wie wir Fußball spielen. Wir haben uns einfach stetig verbessert und sind ja auch zurecht Tabellenführer in dieser Gruppe, weil wir einfach gute Spiele gezeigt haben. Dementsprechend breit ist auch unsere Brust.

…DARÜBER, OB ER EIN ÄHNLICHES SPIEL WIE IM HEIMSPIEL GEGEN RUSSLAND ERWARTET:

Verschiedene Szenarien malen wir uns nicht aus. Das ist einfach ein Spiel, das nicht geplant werden kann. Wir versuchen natürlich, auf alle Situationen vorbereitet zu sein. Wir studieren Spielzüge ein, simulieren den Gegner in verschiedenen Varianten. Aber es ist nicht so, dass man Parallelen zum Hinspiel zieht. Wir bereiten uns einfach neu und komplett auf Russland vor.

…DARÜBER, DASS ER MIT 28 VOM LETZTEN PROFIVERTRAG SPRICHT, OBWOHL ER NOCH SECHS, SIEBEN JAHRE SPIELEN KÖNNE:

Also sechs, sieben weitere Jahre Profifußball wären sportlich. Es wäre schön, wenn es so kommt, ich würde mich gegen sieben weitere Jahre nicht wehren. Aber realistisch enden die meisten Karrieren mit 32 oder 33.

…DARÜBER, OB ER SICH AUCH EIN ENGAGEMENT AUSSERHALB VON DEUTSCHLAND VORSTELLEN KANN:

Selbstverständlich habe ich einen speziellen Bezug zur deutschen Bundesliga. Es gibt ja auch nur wenige Dinge, die gegen Deutschland sprechen – selbst wenn ich nicht dort geboren und aufgewachsen wäre. Aber ich bin jetzt in einem Alter, wo ich auch ein bisschen weiter von zu Hause weg wohnen kann. Ich kann mir einiges vorstellen, aber das ist am Ende immer eine Frage des Gesamtpakets. Und das Gesamtpaket in Stuttgart ist auch nicht schlecht, das darf man nicht unter den Tisch fallen lassen. Es gibt auch in Bezug auf eine Verlängerung des Vertrags Gespräche.

…DARÜBER, OB ES EINE DEADLINE GIBT, ZU DER ER KLARHEIT ÜBER SEINE ZUKUNFT HABEN MÖCHTE:

Nein. Ich habe ja auch noch Vertrag. Das darf man ja bei der ganzen Geschichte nicht vergessen. Ich bin nicht der Einzige, der entscheidet.

…DARÜBER, OB ER IN DAS SYSTEM DES NEUEN VFB-TRAINERS ALEXANDER ZORNIGER PASST:

Ich weiß es nicht. Das ist natürlich eine Sache, die man sich erst einmal anschauen und kennenlernen muss. Ich habe bisher nur mit ihm telefoniert und RB Leipzig ein wenig verfolgt, weil es natürlich ein Riesen-Thema in der zweiten Liga war, aber dabei weniger auf den Trainer oder dessen Spielstil geachtet. Deswegen werde ich abwarten müssen, wie gut ich in dieses System passe.

…DARÜBER, WIE MAN IM ZUGE DES VON SPORTCHEF ROBIN DUTT AUSGERUFENEN NEUSTARTS MIT IHM PLANT:

Ich glaube, das ist der dritte Neustart in fünf Jahren in Stuttgart. Das wird sich alles zeigen. Das entscheidet nicht Robin Dutt, sondern der Trainer, welche Rolle ich in der Mannschaft einnehmen oder behalten soll. Das sind alles Dinge, auf die ich mich freue, wenn ich wieder zum VfB zurückkehre. Aber das ist jetzt einfach nicht aktuell. Jetzt konzentriere ich mich auf Moskau und dann auf meinen Urlaub. Dann schauen wir einmal, was alles passiert oder nicht.

…ÜBER ÖSTERREICHS ACHTELFINAL-EINZUG BEI DER U20-WM:

Es ist eine großartige Geschichte, dass sich Österreich für das Achtelfinale qualifiziert hat. Sicherlich hat man gegen Argentinien mit ein bisschen Glück 0:0 gespielt. Damals in unserem Jahrgang haben die Argentinier das Turnier gewonnen. Das ist schon eine starke Leistung. Ich weiß ja, wie schön es ist, bei solch einem Event mitzuspielen. Das kann für den einen oder anderen auch ein Sprungbrett sein.

Aufgezeichnet von Peter Altmann

…DARÜBER, OB ER NACH SEINEM „AFFEN-JUBEL“ IN STUTTGART AUCH FÜR MOSKAU EINEN SPEZIELLEN TORJUBEL IM KOPF HABE:

Ich habe eigentlich jahrelang gleich gejubelt und fand diesen Jubel auch sehr cool. Jetzt habe ich einmal auf eine Situation reagiert, das heißt nicht, dass ich mir für jedes Spiel etwas Neues ausdenke. Aber ich hoffe, dass ich dort jubeln kann.

…ÜBER DIE SPEKULATIONEN UM SEINE ZUKUNFT:

Es ist nichts Besonderes, dass in der klubfußballfreien Zeit Gerüchte den Umlauf machen. Da mein Vertrag nur noch ein Jahr läuft, liegt es auf der Hand, dass das auch bei mir so ist. Es wurde schon in den letzten Wochen viel spekuliert. Grundsätzlich habe ich persönlich keine Tendenz. Der nächste Vertrag, den ich unterschreiben werde, wird höchstwahrscheinlich mein letzter im Profifußball sein. Aber im Moment sehe ich mich in einer komfortablen Situation. Ich stehe bei einem guten Verein, der Gott sei Dank in der ersten Liga ist, noch ein Jahr unter Vertrag und kann dementsprechend alle Anfragen und Gespräche auf mich zukommen lassen. Aber ich war noch nie ein Spieler oder Mensch, der jemandem ewige Treue geschworen hat. Da bin ich offen und ehrlich. Ich kann mir viele Dinge vorstellen, aber am Ende muss es natürlich für alle Seiten passen.