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Keine Veränderung um der Veränderung willen

Keine Veränderung um der Veränderung willen

Mainz bleibt Mainz.

Während neue Herausforderungen und somit die Transferzeit im ÖFB-Team gerade eine große Rolle spielen, macht Julian Baumgartlinger diesen Trend nicht mit.

Der 27-Jährige entschloss sich Mitte Mai dazu, seinen Vertrag bei Mainz 05 um vier Jahre zu verlängern.

Kein perfekter Schritt zum perfekten Zeitpunkt

Und dies war durchaus eine kleine Überraschung, sollen doch neben öffentlich gehandelten Kandidaten wie Hannover 96, Hertha BSC Berlin oder dem Hamburger SV auch einige namhaftere Vereine ihr Interesse am Nationalspieler bekundet haben – so wurde er medial unter anderem mit seinem Ex-Coach Thomas Tuchel und Borussia Dortmund in Verbindung gebracht.

„Die Situation war für mich nicht einfach, um eine Entscheidung so zu treffen, dass jetzt unbedingt eine Veränderung her muss. Es war nirgends so, dass ich gesagt habe, es ist gerade der perfekte Schritt zum perfekten Zeitpunkt – unabhängig vom Finanziellen oder anderen Faktoren. Ich habe jetzt mit 27 Jahren gerade eine Situation, wo eine ganz wichtige EM-Qualifikation läuft. Wenn ich dann im Verein eine große Veränderung mitmachen muss, kann alles Mögliche passieren“, begründet Baumgartlinger seinen Entschluss, in der Karnevalsstadt zu bleiben.

Inwiefern sich seine Rolle ändern würde, hängt natürlich davon ab, wer neben ihm aufläuft. Nicht unwahrscheinlich, dass dies längst feststeht und in den geschlossenen Trainings eingeübt wurde. Verraten wird diese wichtige Personalentscheidung selbstredend noch nicht.

„Wenn eventuell ein Offensiverer auf der Position neben mir spielt, wird meine Rolle relativ ähnlich wie bisher sein. Wenn wir eine ungefähr ähnliche Ausrichtung auf der Sechs haben, kann sein, dass ich mehr übernehmen muss. Aber das wird man dann sehen, wenn sich der Trainer entschieden hat. Ich bin natürlich auf alles vorbereitet“, versucht Baumgartlinger die Unterschiede allgemein zu verdeutlichen.

„Hinfahren und gewinnen!“

Das ÖFB-Team hat zuletzt auf den Färöer, in Tschechien, Moldawien und Liechtenstein vier Auswärtssiege in Folge eingefahren – allesamt keine Gegner der Top-Kategorie.

Der 27-Jährige ist jedoch auch in Abwesenheit von Alaba betont optimistisch, dass man die einst chronische Schwäche in der Fremde hinter sich gelassen hat.

„Genau solche Partien, auch wenn sie vermeintlich leicht sind, muss man erst einmal gewinnen. Nach der WM-Qualifikation haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir auswärts effektiver werden wollen. Das haben wir bis dato sehr gut hingekriegt. So soll es auch in diesem Spiel sein. Wir wollen da hinfahren und gewinnen!“

„Sonst wären wir fehl am Platz“

Hinfahren und gewinnen – eine selbstbewusste Parole. Ob man wirklich schon so weit sei, mit dieser Devise ins Flugzeug zu steigen?

Auf den Punkt gebracht: Das Risiko, im EM-Jahr den Schritt auf unbekanntes Terrain zu wagen und möglicherweise nicht über regelmäßige Einsatzzeit zu verfügen, war zu groß.

„Mainz it is!“

Bei seinem aktuellen Arbeitgeber wiederum, für den er seit 2011 tätig ist, bleibt er nicht nur im gewohnten Umfeld, sondern hat er sich auch ein entsprechendes Standing erarbeitet:

„In Mainz kenne ich alles! Ich bin definitiv ein Spieler, der gesettelt ist, die Rolle eines Führungsspielers einnimmt. Der Verein hat sich auch sehr um mich bemüht und mir signalisiert, dass sie um jeden Preis mit mir verlängern wollen, auch wenn es vielleicht ein später Zeitpunkt war, an dem sie gekommen sind. Ich habe mir auch wirklich lange Zeit gelassen, es hat ein halbes Jahr gedauert. Aber am Ende war mein Bauchgefühl so, dass ich gesagt habe, die Puzzlestücke passen im Moment in Mainz so gut zusammen, dass ich bleibe.“

Wie schwer es gewesen sei, auf eine große Adresse aus Sorge um die Einsatzzeit zu verzichten?

„Am Ende war es gar nicht schwer, vor allem weil für mich Entwicklung vor Reputation und finanziellen Gründen steht. Man ist verleitet zu sagen: ‚Ich mache jetzt nur eine Veränderung um der Veränderung willen‘, damit dann irgendwo steht: ‚Er wechselt da oder dort hin‘. Wenn man sich davon lösen kann und sich fragt: ‚Warum muss jetzt unbedingt eine Veränderung sein?‘ und die Gründe auf den Tisch legt, die sinnvoll sind, war es für mich relativ leicht zu sagen: Mainz it is!“

Keine Abstimmung mit Koller

Dass das Nationalteam bei der Entscheidungsfindung offenkundig eine große Rolle gespielt hat, legt den Gedanken nahe, dass Baumgartlinger seine Überlegungen mit Teamchef Marcel Koller abgestimmt hat. Dies sei jedoch keineswegs der Fall gewesen:

„Ich bin inzwischen Gott sei Dank lange genug dabei, dass ich weiß, was mir gut tut und was ich für meine Karriere und mein Spiel brauche, um mich wohl zu fühlen. Die Entscheidung war einzig und allein meine private.“

Man kennt das Fußball-Business. Ein Kontrakt bis 2019 muss nicht gleichzeitig bedeuten, dass dieser auch bis zum letzten Tag der Laufzeit erfüllt wird.

Wechsel nur aufgeschoben und nicht aufgehoben?

Ob er eine Ausstiegsklausel eingebaut hat, will Baumgartlinger nicht verraten. Der Verdacht liegt jedoch nahe, und der Salzburger selbst verhehlt gar nicht, dass eine gelungene EM ein gutes Sprungbrett sein könnte: „Unabhängig von einer Ausstiegsklausel oder nicht: Die EURO ist ein Ziel von uns allen. Sich danach eventuell noch einmal weiterzuentwickeln, ist immer eine Möglichkeit.“

Deswegen könnte ein Transfer nur aufgeschoben sein. Für Mainz wiederum hätte ein etwaiger Deal den Vorteil, doch noch Ablöse für den Österreicher zu kassieren.

„Ein Wechsel kann immer noch passieren, ich bin für alles offen. Aber wichtig ist für mich jetzt einmal, Gewissheit und Ruhe zu haben und in Mainz save zu sein“, beschäftigt sich Baumgartlinger nicht zu sehr mit Zukunftsmusik.

Ohne Alaba auf alle Eventualitäten vorbereitet

Aktuell zählt ohnehin nur das Gastspiel in Moskau. In Abwesenheit von David Alaba kommt auf den 36-fachen A-Teamspieler natürlich eine Schlüsselrolle zu – eine ähnliche Ausgangsposition wie im Hinspiel, als der Ausfall des Bayern-Superstars ebenfalls schon feststand und nach dem Aufwärmen auch der Mainz-Legionär w.o. geben musste.

Ohne seinen Nebenmann werde es ein anderes Spiel: „Weil David ein außergewöhnlicher Spieler ist. Aber wir haben mit Stefan Ilsanker, Yasin Pehlivan oder wer auch immer noch für die Zentrale vorgesehen ist, trotzdem Spieler, die besondere Qualitäten haben. Die werden das anders, aber auf jeden Fall auch sehr gut machen.“

„Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre. Wir haben sie daheim geschlagen, sind auf einem sehr guten Weg, verstehen uns innerhalb der Mannschaft sehr gut, die Philosophie ist klar und wir hatten eine sehr lange Vorbereitungszeit. Wenn wir dann sagen, wir fahren da nur hin und schauen, wäre das in meinen Augen fatal. Deswegen ist es schon wichtig, dass wir in unserer Situation sagen, wir wollen da hinfahren und gewinnen. Sonst wären wir fehl am Platz.“

An der Schwierigkeit der Aufgabe in der russischen Metropole ändert sich so oder so nichts. Auch Baumgartlinger hat trotz ihrer bisherigen Probleme nach wie vor großen Respekt vor den Russen:

„Die individuelle Klasse und Mitfavoritenrolle von Russland sind nicht von der Hand zu weisen. Wir sind gewarnt. Mit Aleksandr Kokorin haben sie einen hervorragenden Stoßstürmer, der sich sehr unangenehm zwischen den Linien bewegt. Wir wissen definitiv, dass da viel auf uns zukommen und dass es nicht einfach wird.“

Ein fünfter Auswärtssieg in Folge wäre aber wohl schon die halbe Miete. Damit würde sich auch Baumgartlingers Strategie der Kontinuität auf Vereinsebene im EM-Jahr definitiv bezahlt machen.

Peter Altmann