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"Am liebsten würde ich alle Spiele zu null spielen"

Ein letztes Mal bekam Robert Almer jene Frage gestellt, die ihm im Laufe der letzten Jahre sicherlich extrem ans Herz gewachsen ist – diesmal freilich als Gag.

Und zwar, ob es ein Problem sei, dass er über keine Spielpraxis verfüge.

Der Steirer nahm es sportlich und konterte trocken: „Es hat in den letzten vier Jahren funktioniert. Ich glaube nicht, dass es diesmal ein Problem sein wird.“

Bei Hannover 96 war die Hausmacht von Ron-Robert Zieler wie erwartet zu groß, um die Nummer eins des Abstiegskandidaten ernsthaft zu gefährden.

Sie Sache mit dem Gegentor-Schnitt

Sieht man von einem Einsatz in der Regionalliga Nord ab, sammelte Almer seine einzige Spielpraxis in der Saison 2014/15 im Nationalteam – dies jedoch mit einer ansehnlichen Bilanz.

In den letzten drei EM-Quali-Spielen gegen Liechtenstein, Russland und Montenegro stand jeweils die Null. In Moldawien musste er nach einem Elfmeter hinter sich greifen. Das einzige Gegentor aus dem Spiel heraus kassierte er beim Auftakt gegen Schweden durch Erkan Zengin.

„Ich hoffe, dass es so bleibt. Vom Schnitt her läuft es bisher eigentlich sehr gut. Während der WM-Qualifikation hat unser damaliger Schweizer Co-Trainer Fritz Schmid die Statistik ausgerechnet, mit welchem Gegentor-Schnitt man sich normalerweise für ein Turnier qualifiziert. Der lag irgendwo unter eins. Da sind wir momentan auf einem sehr guten Weg. Aber es stehen noch fünf Spiele an. Da müssen wir schauen, dass der Schnitt auch so bleibt“, erklärt der 31-Jährige.

„Man muss auf alles gefasst sein“

Mit einem Gegentor-Schnitt von 0,4 ist das ÖFB-Team so gesehen bislang auf einem guten Kurs. Diesen in der Moskauer Otkrytije-Arena in Moskau zu verteidigen, wird jedoch keine einfache Aufgabe.

„Am liebsten würde ich alle Spiele zu null spielen, aber Fußball ist kein Wunschkonzert, schon gar nicht gegen einen sehr starken Gegner. Ich wäre zufrieden, wenn wir gewinnen – egal wie“, nimmt Almer naturgemäß lieber drei Punkte als null Gegentore.

Während Österreich mit einem Sieg eine Art Vorentscheidung auf dem Weg zur EURO gelingen kann, steht Russland gewaltig unter Druck. Welchen Charakter die Partie ob dieser Ausgangsposition haben wird, ist für den Goalie daher schwer abzuschätzen.

Dass die „Sbornaja“ etwas für die Offensive tun muss, liegt auf der Hand. Wie beschäftigt er sein wird, bliebe abzuwarten: „Ich gehe prinzipiell immer so ins Spiel, dass man auf alles gefasst sein muss. Es kann natürlich genauso passieren, dass wenig aufs Tor kommt, weil es ein Kampfspiel im Mittelfeld wird. Es kann sein, dass wir viele Aktionen haben. Es kann sein, dass die Russen viele Aktionen haben. Man muss sich auf alles einstellen und über 90 Minuten voll konzentriert bleiben.“

Eine Kopfsache

Im bisherigen Qualifikations-Verlauf bewies der Hannover-Legionär, dass er auch bei wenig Beschäftigung die Konzentration hochhalten kann - stellvertretend sei seine Glanztat gegen Montenegros Stürmer-Star Mirko Vucinic erwähnt, mit der er kurz vor Schluss den 1:0-Heimsieg festhielt.

„Leichter ist es sicher, wenn du mehr Aktionen hast, weil du dann automatisch mehr im Spiel drinnen bist. Sonst ist es sicher anstrengender vom Kopf her, dass du die 90 Minuten voll da bist“, nennt Almer seine diesbezügliche Präferenz.

Das Russland-Spiel wird laut Meinung des Torhüters generell zur Kopfsache. Das Thema des unglücklichen Termins kurz vor dem Urlaubs-Start konnte eher klein gehalten werden. Dass dem einen oder anderen die Strapazen der intensiven Saison anzumerken sind, lässt sich jedoch nicht verleugnen.

Für Almer eine mentale Herausforderung: „Ich glaube, dass das bei den Spielern gar nicht so eine körperliche Geschichte ist, sondern dass es eher vom Kopf her eine schwierige Sache ist, wenn du eine lange Saison hast, viele Spiele gemacht hast und viel unterwegs warst. Es gilt, sich dann noch einmal zu 100 Prozent zu konzentrieren. In den Trainingseinheiten konnte man aber sehen, dass das sehr gut passt und jeder weiß, dass er noch einmal alles geben muss, bevor er in den verdienten Urlaub geht.“

Spielpraxis kurz vor dem Urlaub

Beim Keeper wiederum kann man den Spieß im Prinzip umdrehen. Da er während der Meisterschaft nie zum Zug kam, müsste er auf diese Bewährungsprobe umso mehr hinfiebern.

„Bei mir ist es sicher einfacher, als bei anderen Spielern, aber die Konzentration muss man trotzdem halten“, meint Almer und ergänzt, dass man auch ohne Spielpraxis die Länge einer Saison in den Knochen hätte: „Man ist auch müde, wenn man immer unterwegs ist. Du bist ja bei den Spielen trotzdem dabei. Ich stehe genauso im Training.“

Vom Rhythmus her darf sich der 21-fache A-Teamspieler in der kommenden Saison wieder umgewöhnen. Sein bisheriger Tormann-Trainer im Nationalteam, Franz Wohlfahrt, lotste ihn zurück zur Austria. Dass im EURO-Jahr regelmäßige Einsätze sicher scheinen, ist für den Routinier kein Nachteil.

Genau wie der Umstand, dass er seine Zukunft bereits relativ frühzeitig geklärt hat, während der sich der eine oder andere ÖFB-Kollege noch auf Vereinssuche befindet: „Es ist auf alle Fälle angenehmer, als es letztes Jahr war.“

Positive Deutschland-Bilanz

Im Sommer 2014 war es nach einem missglückten Engagement bei Energie Cottbus wesentlich schwieriger, eine passende Adresse zu finden. Letztlich entschied er sich für die Reservistenrolle in Hannover.

Insgesamt vier Jahre verbrachte der Tormann in Deutschland. Eine Zeit, in der sich wohl mehr Tiefen als erhofft einschlichen. Almers Bilanz fällt dennoch mehrheitlich positiv aus:

„Von den Erfahrungen, die ich machen durfte, war es hundertprozentig der richtige Schritt. Ich habe sehr viele Dinge miterleben dürfen. Ich habe den Aufstieg von Fortuna Düsseldorf in die Bundesliga mitgemacht, leider auch den Abstieg. Der Klassenerhalt mit Hannover war natürlich emotional für alle Beteiligten sehr intensiv. Das sind schon Momente, die man genießt. Ich denke allgemein, dass ich in dieser Zeit meine Persönlichkeit betreffend sehr viel dazugelernt und mich weiterentwickelt habe.“

Wie sehr, kann er kommende Saison bei der Austria zeigen. Und natürlich im Nationalteam. Läuft am Verteilerkreis alles nach Plan, bleibt ihm dort zumindest seine „Lieblings-Frage“ in Zukunft erspart.

Peter Altmann