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"Bei mir ist eine richtige Euphorie ausgebrochen"

Robert Guchers Handy hatte Hochbetrieb. Die Gratulanten ließen nach der erstmaligen Einberufung ins Nationalteam nicht lange auf sich warten.

„In diesem Kader mit diesen Spielern dabei sein zu dürfen, ist unbeschreiblich“, freut sich der 24-Jährige auf das Testspiel gegen die Schweiz (17.11. in Wien) und den Lehrgang in Spanien davor.

Im LAOLA1-Interview spricht der Frosinone-Kapitän über den Stellenwert, den er mittlerweile in Österreich hat, seine Vorsätze für den ÖFB-Lehrgang und seine ersten Erfahrungen in der Serie A.

LAOLA1: Wann und wie hast du von deiner Einberufung erfahren?

Robert Gucher: Der Teammanager hat mir die Nachricht am Dienstag-Vormittag überbracht. Ich war noch im Halbschlaf, aber so schnell und mit so einem Lachen bin ich seit einem halben Jahr nicht mehr aufgestanden.

LAOLA1: Hat sich das für dich gar nicht angekündigt?

Gucher: Vorige Woche hat sich der Teammanager kurz erkundigt, wie es mir geht, wie die Situation ist. Das war es eigentlich. Er hat dann nur gesagt, dass wir uns nächste Woche noch einmal hören. Es war also schon sehr überraschend.

LAOLA1: Ich nehme an, mit der Einberufung ist für dich ein Traum in Erfüllung gegangen.

Gucher: Wahnsinn! Es ist schwierig, Worte dafür zu finden. In diesem Kader mit diesen Spielern dabei sein zu dürfen, ist unbeschreiblich. Für mich ist das ein Riesenerfolg, das wird sicher ein unglaubliches Erlebnis.

LAOLA1: Wo ordnest du diesen persönlichen Erfolg ein?

Gucher: Das ist mit dem Aufstieg in die Serie A gleichzustellen. Solche Momente und Emotionen kann man nicht beschreiben. Das sind zwei Dinge, von denen jeder Fußballer träumt, die dann aber unerwartet passieren.

LAOLA1: Wie waren die ersten Stunden nachdem du von deiner Einberufung erfahren hast?

Gucher: Es ist rund gegangen. Ich habe zuerst meine Freundin und meine Familie informiert. Danach sind sehr, sehr viele Nachrichten gekommen – von Freunden, Verwandten, Bekannten und ehemaligen Teamkollegen, die ich schon länger nicht mehr gehört habe. Alle freuen sich mit. Mein Handy-Akku war schnell leer.

LAOLA1: Ist ein gewisser Druck da? Es könnte deine einzige Möglichkeit sein, dich für die EURO 2016 zu empfehlen.

Gucher: Das glaube ich gar nicht. Ich habe jetzt die Möglichkeit, mich zu präsentieren, aber ich muss nichts beweisen. Ich bin der Fußballer, der ich bin. Ich werde mich im Training so verhalten wie ich das das ganze Jahr über mache. Danach sind noch einige Monate, um in der Liga für Furore zu sorgen. Ich glaube, dass in diesem Moment keiner an die EURO denkt.

LAOLA1: Wie hast du den Erfolgslauf des ÖFB-Teams in den vergangenen Monaten erlebt?

Gucher: Unglaublich! Es ist einzigartig, was dieses Team geleistet hat. Jeder Österreicher muss auf diese Mannschaft stolz sein. Dass die Quali ungeschlagen beendet wurde, zeugt von der Mentalität, die Teamchef Marcel Koller reingebracht hat und die alle Stammspieler haben. In Italien bekommt der österreichische Fußball immer mehr Aufmerksamkeit.

LAOLA1: Gibt es einen Spieler, auf den du dich besonders freust?

Gucher: Ich freue mich auf jeden einzelnen Spieler. Mit David Alaba, Aleksandar Dragovic und Lukas Hinterseer habe ich in den Nachwuchs-Nationalteams schon gespielt. Gegen Julian Baumgartlinger habe ich mit Kapfenberg gespielt, als er noch bei der Austria war. Sebastian Prödl wohnt zehn Minuten von meiner Heimat entfernt, aber ich habe ihn noch nie persönlich kennengelernt. Heinz Lindner wäre fast bei uns in Frosinone gelandet – mit ihm habe ich auch im Nachwuchs zusammengespielt.

LAOLA1: Ich habe das Gefühl, dass sich dein Stellenwert in Österreich durch den Aufstieg in die Serie A sehr geändert hat. Wie erlebst du das?

Gucher: Wenn man in einer der besten Ligen Europas spielt, rückt man in den Fokus. Der italienische Fußball war in einem Tief, es war immer schwieriger, von Österreich aus die Spiele – vor allem jene in der Serie B – zu verfolgen. Ich bin ein Typ, der es nicht notwendig hat, im Rampenlicht zu stehen. Es ist ein Teil des Geschäfts, in den Medien zu stehen, ich brauche das aber nicht. Ich will meinen Weg gehen und meine Leistungen bringen. Das war immer so. Ich bin meinen Weg auch gegangen, als sich keiner für mich interessiert hat. Für mich hat sich in diesem Sinne nichts geändert. Die Einberufung ist eine super Geschichte, ein Traum, aber ich werde trotzdem weiterhin versuchen, mich zu verbessern. Der Durchmarsch in die Serie A und die Nominierung ins Nationalteam machen mich persönlich glücklich, das bestätigt meine Arbeit. Der Fokus auf meine Person ist ein Nebeneffekt, für mich aber nicht wichtig.

LAOLA1: Was hast du dir für diesen ÖFB-Lehrgang vorgenommen?

Gucher: Bei mir ist eine richtige Euphorie ausgebrochen. Ich muss das unter Kontrolle kriegen. Seit dem Training am Dienstag-Nachmittag versuche ich, nur noch an unser kommendes Spiel gegen Genoa zu denken. Ab Montag werde ich versuchen, mich so schnell wie möglich ins Teamgefüge einzufinden. Ich freue mich, auf das Wiedersehen mit denen, die ich kenne, und auf das Kennenlernen jener, die ich noch nicht kenne. Der wichtigste Schritt ist, mich menschlich in diese Gruppe einzubauen. Dann will ich jedes Training nutzen, um mein Bestes zu geben. Ich will am Ende des Lehrgangs sagen können, dass ich alles gegeben habe.

LAOLA1: Du hattest zu Beginn der Saison Verletzungspech. Wie geht es dir mittlerweile?

Gucher: Ich habe drei Spiele wegen einer Sprunggelenksverletzung verpasst, habe dann gegen Lazio und Sampdoria wieder von Beginn an gespielt. Gegen Sampdoria habe ich mir gegen Ende des Spiels aber wegen eines Sturzes auf die Schulter eine Schlüsselbein-Verletzung zugezogen. Ich musste den Arm eine Woche lang ruhigstellen, weshalb ich zwei Spiele verpasst habe. Gegen Fiorentina war ich dann in der Schlussphase im Einsatz. Am Wochenende gegen Genoa sollte ich wieder von Anfang an spielen. Ich habe keine Schmerzen mehr.

LAOLA1: Wie waren diese Wochen für dich? Du bist ja eigentlich nie verletzt.

Gucher: Das stimmt, ich habe in den vergangenen vier Jahren kein einziges Training versäumt. Ich hatte diesmal Glück im Unglück, beide Verletzungen hätten wesentlich schlimmer ausfallen können. Das zeigt, wie schnell es im Fußball bergauf und bergab geht. Vor zwei Wochen noch das Problem mit der Verletzung, jetzt die Einberufung ins Nationalteam.

LAOLA1: Wie fällt deine erste Serie-A-Bilanz aus?

Gucher: Mittlerweile sind wir mit den zehn Punkten im Soll. Auswärts haben wir Probleme, daheim haben wir zuletzt drei Mal gewonnen. Es gab bisher nur zwei Spiele, in denen wir wirklich keine Chance hatten, in den restlichen Spielen konnten wir mitspielen. Wir haben gleich zu Beginn gemerkt, dass jeder kleine Fehler bestraft wird. Wir haben unsere anfängliche Naivität abgestellt.

LAOLA1: Wie bist du mit deinen Leistungen zufrieden?

Gucher: Wenn ich fit war, habe ich immer gespielt, also bin ich zufrieden. Ich habe das Vertrauen des Trainers. Hoffentlich komme ich jetzt richtig in den Rhythmus rein, um meinem Spiel wieder mehr Kontinuität zu verleihen.

Das Gespräch führte Harald Prantl