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"EM-Quali abhaken, jetzt beginnt ein neues Kapitel"

Schluss mit lustig!

Die Stimmung im und rund um das Nationalteam ist natürlich weiterhin bestens, der Spaß kommt keineswegs zu kurz.

Aber der „historische Lehrgang“ samt fixierter EM-Quaifikation in Schweden ist ebenso Geschichte wie der „Lehrgang zum Genießen“ samt Party nach dem Liechtenstein-Match.

Keineswegs Geschichte ist indessen der intensive ÖFB-Herbst.

Der Tapetenwechsel

„Jetzt beginnt jedoch ein neues Kapitel“, stellt Florian Klein klar, „wir haben eine erfolgreiche Qualifikation gespielt, aber es ist ganz wichtig, dass wir die nächsten Monate nicht nur davon reden, was wir geschafft haben und dass wir bei der EM dabei sind, sondern dass wir den Fokus wieder auf die Arbeit legen. Die EM-Quali müssen wir abhaken.“

Der Tapetenwechsel dank des Camps im spanischen Orihuela hilft dabei fraglos. Genau gesagt ist es bereits das zweite Kapitel, das in der Küstenstadt unweit von Alicante seinen Anfang nimmt. Das erste war mit der abgelaufenen EM-Qualifikation ein sehr erfolgreiches.

Im November 2013 versammelte Teamchef Marcel Koller seine Schützlinge im Real Club de Golf Campoamor, um sie nach der soeben verpassten Qualifikation für die WM 2014 auf die Mission Frankreich 2016 einzustimmen.

In den zwei Jahren seither hat Österreich nur ein Länderspiel verloren, nämlich im vergangenen November gegen den fünffachen Weltmeister Brasilien.

Wieder ein Neuanfang, aber mit anderem Hintergrund

„Man könnte sagen, damals war es nach der verpassten Qualifikation und der Verlängerung mit dem Teamchef ein richtiger Neuanfang. Jetzt kann man es auch so sehen, aber mit einem anderen Hintergrund“, betont Klein.

Entscheidend sei, dass man sich neue Ziele setzt. Welches, liegt ohnehin auf der Hand. Die richtige Herangehensweise ist jedoch entscheidend. Sich auf den Lorbeeren auszuruhen, ist für den Stuttgart-Legionär völlig fehl am Platz:

„Uns muss klar sein, dass ein Turnier bei Null anfängt. Dort können wir uns von der Qualifikation und von dem Lauf nichts mehr kaufen.“

Feintuning

„Einerseits muss man das Gute mitnehmen, aber man muss schon wissen, dass mit diesem Trainingslager definitiv die Vorbereitung auf die EM losgegangen ist. Jetzt geht es nicht mehr um Gruppenspiele, sondern darum, dezidiert gegen starke Gegner, wenn es drauf ankommt, Punkte zu holen. Sonst kann es nach drei Spielen vorbei sein“, ergänzt Julian Baumgartlinger.

Vor zwei Jahren begann Koller in Orihuela damit, die Spielweise seines Teams leicht zu adaptieren. Neben dem aggressiven Angriffspressing wurde das Mittelfeldpressing mit ins Repertoire aufgenommen. Man wollte kompakter stehen, einen etwaigen Vorsprung gezielter über die Runden bringen können. Ein Vorhaben, das in der abgelaufenen Kampagne bekanntlich bestens aufgegangen ist.

Das große Ganze passt im Nationalteam derzeit zweifelsohne. Es ist jedoch nicht so, dass den ÖFB-Kickern nichts einfiele, wenn es um Verbesserungspotenzial geht. Genau diesem Feintuning will man sich in dieser Woche bei idealen Bedingungen und Temperaturen rund um die 25 Grad widmen.

Bei einer EM ist es sehr wichtig, dass man keine Gegentore bekommt“

Die Defensivarbeit etwa ist ein Gebiet, auf dem man gerade in der jüngsten Qualifikation gute Figur gemacht hat. „Man muss das jedoch noch mehr schärfen. Bei einer EM ist es sehr wichtig, dass man keine Gegentore bekommt“, findet Baumgartlinger.

Der Mainz-Legionär weist zwar auf die zwischenzeitliche Torsperre von Robert Almer hin, das Gastspiel in Montenegro ist jedoch ein Fingerzeig, der ihm ein wenig im Magen liegt: „Da haben wir ein bisschen zu sorglos gespielt. Der erste Gedanke lang nicht auf der Defensive, woran auch immer das gelegen ist. Das hat uns gezeigt, dass es dann gegen jeden Gegner schwierig werden kann.“

Man müsse zudem daran arbeiten, wie man, wenn beispielsweise ein Spiel diesbezüglich in den ersten zehn Minuten nicht läuft, den Schalter umlegen könne. „Das sind Schrauben, an denen wir noch drehen können“, meint der 27-Jährige, „es muss weiterhin unsere Basis sein, dass unser Verteidigen vorne anfängt und gegen jeden Gegner in jeder Spielsituation konsequent durchgezogen wird.“

Der nächste Entwicklungsschritt in Sachen Effizienz

Ebenso am Herzen liegt Baumgartlinger das Thema Chancenauswertung. Man konnte der ÖFB-Elf in der Qualifikation zwar nicht mangelnde Effizienz vorwerfen. Ebenso schaffte man es wie geplant, Führungen nach Hause zu spielen. Der nächste Entwicklungsschritt wäre jedoch, dies souveräner und stressfreier zu tun.

„Wir haben es uns teilweise nicht leicht gemacht“, gibt der Mittelfeldspieler zu, „wenn ich mich erinnere, gegen Montenegro zu Hause hatten wir gefühlt 15 Hundertprozentige und haben sie nicht gemacht.“ Auch seinen Sitzer zum möglichen 2:0 in Russland möchte der Salzburger nicht unter den Tisch fallen lassen.

„Wir können sicher am Ballbesitz arbeiten“, ergänzt Klein, „wir haben einige Spiele 1:0 gewonnen und nicht viel zugelassen, aber vielleicht können wir in gewissen Situationen noch ruhiger Torchancen herausspielen, damit wir Spiele früher klarmachen.“

Laut Stefan Ilsanker werde man sich in Orihuela auch dem Thema Standards widmen und sich hier den Feinschliff holen: „Die defensiven kann man sich ganz gut einprägen, und in der Offensive kann man Varianten ausprobieren, wofür man in der Spielvorbereitung auf die Länderspiele einfach weniger Zeit hat. Jetzt können wir ohne Druck daran arbeiten, und wenn es nicht so gut hinhaut, können wir es auch wieder streichen.“

Nicht ausruhen

Das Gute an der derzeitigen rot-weiß-roten Situation: Auf ein derartiges Level hat sich schon lange kein Nationalteam mehr entwickelt, dennoch sieht man team-intern genügend Luft nach oben, weshalb die Gefahr, sich auszuruhen, minimiert ist.

Dass die Ausgangsposition, sich vermehrt um Detailarbeit anstatt um grundlegende Defizite kümmern zu können, eine gute ist, bestreitet niemand. Denn die Basis stimmt, wie Baumgartlinger hervorstreicht:

„Sonst hätten wir nicht so eine Quali hingelegt, wenn nicht schon viele Abläufe passen würden und viele Automatismen noch nicht da wären.“

Aber eben diese Quali will man nun abhaken, um den nächsten Schritt machen zu können.


Peter Altmann