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"Kein Problem, dass ich nicht so im Fokus stehe"

90 Minuten, und das in jedem Spiel. Florian Klein hat bis dato nicht eine einzige Minute dieser erfolgreichen EM-Qualifikation versäumt.

Das nennt man dann wohl Stammspieler. Im Fokus stehen im ÖFB-Team dennoch andere. Oder wie es ein Reporter beim Medientermin des Stuttgart-Legionärs charmant-originell ausdrückte: „Es stellen sich nicht Tausende Leute um ein Selfie mit dir an.“

Diese Nebenrolle abseits des rot-weiß-roten Rampenlichts stört den Rechtsverteidiger jedoch nicht. Unauffälligkeit kann auch ein Vorteil sein. Die große Inszenierung seiner Person ist nicht seine Welt.

„Speziell im Nationalteam wird viel über David Alaba und Marko Arnautovic gesprochen. Das war schon die letzten Jahre immer so. Ich habe kein Problem damit, dass ich nicht so im Fokus stehe. Ich bin Fußballer geworden, um auf dem Platz Erfolge zu feiern, und die feiern wir als gesamte Mannschaft. Dass es für die Medien interessanter ist, über David oder Marko zu berichten, muss man so akzeptieren, das stört mich in keinster Weise“, betont Klein.

„Ich zähle nicht die Tage bis zum nächsten Lehrgang“

Auch auf dem Platz erfüllte er die ihm zugedachte Rolle verlässlich. Wenngleich die Dichte auf der Rechtsverteidiger-Position in Österreich immer noch zu wünschen übrig lässt, verfügt das Nationalteam mit Klein und György Garics immerhin über zwei Stammspieler aus der deutschen Bundesliga.

Während Klein seinem Positions-Rivalen in dieser Quali den Rang abgelaufen hat, hinkt er ihm auf Vereinsebene derzeit hinterher. Garics hat mit Underdog Darmstadt einen überraschend guten Saisonstart erwischt und ist Zehnter, der VfB Stuttgart ziert das Tabellenende.

Umso wichtiger ist der Tapetenwechsel in die viel zitierte Wohlfühloase ÖFB: „Ich war immer schon froh herzukommen, weil wir alle gleich ticken und bei uns das Verhältnis aus Spaß und trotzdem Leistung auf dem Platz zu bringen passt. Wenn man noch dazu Erfolg hat, ist es natürlich umso besser. Von der Stimmung her ist der Unterschied zum Verein derzeit natürlich ziemlich groß. Es ist aber nicht so, dass ich die Tage bis zum nächsten Lehrgang zähle, wenn ich in Stuttgart bin.“

System-Schwierigkeiten

Von den Resultaten her erlebt der 28-Jährige derzeit ein Déjà-vu zu seiner Premieren-Saison beim schwäbischen Traditionsverein, als es bis zur letzten Runde gegen den Abstieg ging. Von den Leistungen her ist jedoch durchaus eine Diskrepanz zwischen Auftreten und Ergebnissen zu beobachten.

„Im Vorjahr ging es ebenfalls gegen den Abstieg, und da haben wir auch so schlecht gespielt, dass es wirklich kritisch war. Da hast du dir selbst gedacht: ‚Wie willst du da irgendeinen Punkt holen?‘ Dieses Gefühl habe ich jetzt nicht, deswegen bin ich positiv gestimmt“, vergleicht der 30-fache Teamspieler.

Klein kann beim VfB auch auf österreichische Fans zählen

Den Hauptgrund für den Fehlstart ortet Klein in der Chancenverwertung. Zudem brauche man für die Umstellung auf das System von Neo-Coach Alexander Zorniger Geduld: „Uns liegt das System zwar, aber es dauert natürlich seine Zeit. Diese Zeit hast du jedoch heutzutage nicht im Fußball, weil es nur noch darum geht, Punkte zu holen. Wenn du dann sechs von acht Spielen verlierst, ist die Stimmung natürlich im Keller.“

Schwieriger Adaptions-Prozess

Zorniger kommt aus der Schule von Ralf Rangnick, versucht also den von Red Bull bekannten Spielstil zu etablieren. Als ehemaliger Salzburg-Kicker hatte Klein naturgemäß den Vorteil, dass er die Philosophie bereits intus hatte.

Als Roger Schmidt diese Spielweise einst in der Mozartstadt etablierte, hieß es von Seiten einiger Spieler, dass sie mehr oder weniger eine neue Sportart lernen mussten.

Persönlich fühlt sich der Oberösterreicher nicht an diese Phase der Adaption erinnert: „Weil ich ja schon gekannt habe, worum es geht. Aber wenn ich mir anschaue, wie meine Kollegen reagiert haben, ist es natürlich eine komplette Umstellung, weil es einfach etwas anderes ist. Es wird ja nicht nur das Spiel umgestellt, sondern auch das Training. Jedes Training ist anders aufgebaut. Normal ist man zum Beispiel ein 6 gegen 6 oder ein 10 gegen 10 gewohnt, wo man ein bisschen Raum hat und es nicht so aggressiv zugeht wie in jedem Spiel. Bei diesem System gibt es eben immer Druck und am Anfang kommt kein wirklich schönes Spiel heraus. Mit dieser Umstellung muss man erst einmal zurechtkommen.“

„Das erste Jahr in Salzburg war ja auch nicht wirklich erfolgreich“

Auch in Salzburg habe man gesehen, dass es nicht von heute auf morgen ging: „Da war das erste Jahr ja auch nicht wirklich erfolgreich. Wir haben uns schwer getan. Zwischenzeitlich haben wir gute Spiele abgeliefert, aber so richtig konstant waren wir auch nicht.“

In der zweiten Saison unter Schmidt spielten die „Roten Bullen“ jedoch ihre Konkurrenz an die Wand und sorgten auch in der Europa League für Furore. Daher stammt wohl auch Kleins Grundvertrauen in diese taktische Ausrichtung: „Ich weiß, dass dieses System gut ist. Es ist wichtig, wenn wir schon diesen Weg eingeschlagen haben, dass wir da drauf bleiben.“

Noch ist der Umstellungsprozess nicht abgeschlossen. Entsprechend „anstrengend für den Kopf“ sei der bisherige Negativlauf, speziell die fünf Niederlagen in den ersten fünf Spielen. Bei der Pleite gegen den Hamburger SV in Runde zwei flog der Linzer mit Gelb-Rot vom Platz.

„Wir sind um einiges besser als viele Mannschaften da unten“

„Ich persönlich mache es in solchen Phasen so, dass ich mich an irgendetwas Positivem festhalte. Ich bin auch überzeugt davon, dass wir, wenn das Glück ein bisschen zurückkommt und wir unsere Chancen verwerten, da unten wieder rauskommen werden, denn vom Spielerischen und der Qualität her sind wir einfach um einiges besser als viele Mannschaften da unten.“

Bereut hat Klein den Wechsel nach Stuttgart noch keine Sekunde, auch wenn bislang der Mannschaftserfolg ausblieb. Während er es aus Österreich von Austria Wien und Salzburg gewohnt war, oben mitzuspielen, sei ihm natürlich klar gewesen, dass er in Deutschland nicht um die Meisterschaft spielen werde:

„Aber von der Qualität der anderen Mannschaften her ist es um einiges höher als in Österreich. Ich mag keinen abwerten, aber du hattest Gegner, wo du bei Salzburg gewusst hast, du gewinnst zu Hause 4:0 oder 5:0. Das hast du in Deutschland nicht. Dort ist es wirklich bei jedem Spiel so, dass du gewinnen oder verlieren kannst, bis auf das Spiel gegen Bayern München vielleicht.“

„Ich möchte im Nationalteam mein Tor machen“

Anders gelagert ist die Herausforderung beim Nationalteam, zumindest in den folgenden zwei Spielen gegen Montenegro und Liechtenstein. Die ÖFB-Elf spielt nicht mehr um die EM-Qualifikation, sondern hauptsächlich um eine gute Ausgangsposition in der Auslosung für die Endrunde.

Und natürlich geht es um weitere Fortschritte bis zum Turnier in Frankreich. Luft nach oben für Weiterentwicklung gibt es immer und ein Punkt fällt Klein im speziellen ein: „Ich habe die Statistik gelesen, dass nur unsere Offensivkräfte getroffen haben uns sonst keiner. Das ist natürlich ein Punkt, an dem ich arbeiten werde. Ich möchte im Nationalteam mein Tor machen.“

Auch Teamchef Marcel Koller hat bereits angekündigt, dass bezüglich Torschützen mehr Breite kein Fehler wäre.

Die Zukunft des Schweizers nach der EM ist derzeit wieder ein präsentes Thema. Für den Rechtsverteidiger wäre eine Vertragsverlängerung über die EURO hinaus naturgemäß ein wünschenswertes Szenario: „Wenn man so etwas schafft, wie wir es geschafft haben und bei solch einem großen Ereignis dabei sind, dann will man das sicher als gesamtes Team weiterführen.“

Peter Altmann