LAOLA1: Die realistische Einschätzung der Öffentlichkeit ist dennoch ein interessanter Punkt. Nach dem Irland-Spiel haben Sie ironisch gemeint: „In der Woche vor dem Schweden-Spiel sind wir eh wieder Favorit, oder?“ Staunen Sie manchmal, wie schnell das in Österreich geht?

Koller: Staunen mittlerweile natürlich nicht mehr, weil ich jetzt zwei Jahre hier bin. Aber ich bin schon ab und zu verwundert, wenn solche Fragen kommen. Wenn du schnell begeisterungsfähig bist, ist das schön. Aber meistens gibt es auch die andere Komponente, dass du dann wieder zu Tode betrübt bist. Das war ja auch so. Vor dem Deutschland-Spiel kam von außen: „Warum fahrt ihr da überhaupt hin? Ihr habt ja eh keine Chance. Warum setzt ihr die gelbgefährdeten Spieler überhaupt ein?“ Dann denke ich, es glauben eh alle, dass wir verlieren. Ich sage: „Nein, wir versuchen etwas mitzunehmen.“ Wir haben verloren, es war auch kein gutes Spiel von uns. Aber dann war plötzlich alles so etwas von schlecht, dass man sagen muss, das ist jetzt wieder die andere Seite – also nicht himmelhochjauchzend sondern zu Tode betrübt. Da ist natürlich wichtig, dass man das als Trainer ein bisschen abschätzen kann und nicht in die gleiche Kerbe haut.

LAOLA1: Als Trainer logisch, aber wünschen Sie sich das auch von der Öffentlichkeit?

Koller (schmunzelt): Ja, aber wissen Sie, ich kann nicht acht Millionen beeinflussen und sagen: „Ihr dürft nicht so denken.“ Das ist Fußball, das ist ja auch das Interessante. Die Leute können ihre Gefühle sagen, das ist ja nicht schlimm. Das heißt aber nicht, dass ich alles aufnehmen muss.

LAOLA1: Inwiefern ist ein Spagat notwendig, dass Sie die Öffentlichkeit ein wenig bremsen, aber von den Spielern fordern Sie mehr Frechheit, mehr Mut, den notwendigen Siegerwillen, dass sie keine Ausreden suchen. Muss in diese Richtung noch mehr kommen?

Koller: Man kann das natürlich einfordern. Aber wichtig ist, dass sie das selber spüren. Wichtig ist auch, dass man die Ergebnisse holt, denn Ergebnisse geben Sicherheit und sie merken: „Okay, es geht ja auch. Wir können das gegen starke Gegner umsetzen.“ Diese Konsequenz und diese Ideen muss man immer wieder versuchen, auf einem sehr hohen Level mit sehr viel Konzentration abzurufen. Da kann sich jeder noch steigern. Beim einen oder anderen Spiel war das gut. Wenn man aber weitere Schritte nach vorne kommen will, muss diese Konstanz noch mehr rein.

LAOLA1: In Schweden ist man mit einem der größten Defizite des Nationalteams konfrontiert: der Auswärtsschwäche. Haben Sie Angst, dass dieses Thema im Vorfeld zu präsent ist?

Koller: Nein. Die Spieler wissen es ja selbst auch. Vielleicht ist es auch gut, wenn man so eine kleine Wut entwickelt und sagt: “Jetzt zeigen wir es einmal, jetzt wollen wir etwas bewegen.“ Wir haben gegen einen direkten Konkurrenten die Möglichkeit, zwei Spieltage vor Schluss sind wir noch voll dabei. Wenn du bei der WM dabei sein oder zumindest ins Playoff kommen willst, musst du Außergewöhnliches leisten. Die Spieler haben bis jetzt sehr Gutes geleistet. Jetzt müssen wir den nächsten Schritt gehen. Der lautet, nicht nur gut zu spielen, sondern auch Ergebnisse zu holen.

LAOLA1: Bei allem, was sich in den letzten zwei Jahren verbessert hat: Die Auswärtsschwäche sind auch Sie noch nicht richtig losgeworden…

Koller: Wir haben allerdings auch mehr Heimspiele gespielt als Auswärtsspiele, das muss man schon auch dazusagen.

LAOLA1: Das ist ein entscheidender Punkt. Von 20 Freundschaftsspielen seit der EURO 2008 wurden 16 zu Hause gespielt, nur vier auswärts. Muss man der Mannschaft nicht in Zukunft mehr Übung in der Fremde zukommen lassen?

Koller: Auf der einen Seite gibt es den sportlichen Aspekt, auf der anderen Seite sind da natürlich auch andere Dinge wichtig. Zudem ist es so: Bei Freundschaftsspielen hast du nur drei Tage, die Spieler kommen von überall her, also hast du eigentlich noch weniger Zeit, um zu arbeiten. Uns war es am Anfang wichtig, so viel Zeit wie möglich mit dem Team verbringen zu können, um unsere Ideen zu vermitteln.

LAOLA1: Das heißt, jetzt wo die Grundideen vermittelt sind, steht dieser Punkt auf der Agenda weiter oben?

Koller: Klar, das können wir natürlich mitbestimmen. Aber wie gesagt: Das hat nicht nur rein sportliche, sondern auch wirtschaftliche Hintergründe.

LAOLA1: Im Fokus steht natürlich David Alaba. Haben Sie hin und wieder Angst, dass es zu viel wird für ihn? Er ist ja trotzdem erst 21.

Koller: Es ist wichtig, dass man ihn unterstützt. Bei Bayern ist auch ein Riesen-Tamtam, dort spielen aber noch zehn andere Superstars. Wenn er nach Österreich kommt, will jeder etwas von ihm. Unsere Aufgabe ist, dass wir ihn ein bisschen auf die Seite nehmen und sagen, jetzt ist genug, er soll sich konzentrieren können. Er macht das jedoch schon sehr routiniert. Es ist aber aus meiner Sicht wichtig, dass man ihn nicht nur vollbepackt, sondern das Drumherum mal auf die Seite legt, damit er sich ein bisschen entspannen und auf die Aufgabe am Platz fokussieren kann.

LAOLA1: Peter Stöger hat im „Kicker“ gesagt: Um zu den Allzeitgrößen in Österreich zu gehören, muss Alaba eine WM gespielt haben. Muss man bei einem Turnier gewesen sein, um sich so weit oben einzureihen? Er ist immerhin Champions-League-Sieger…

Koller: Er ist ein hervorragender Spieler. Das eine ist der Klub, das andere das Nationalteam. Mit 21 ist er am Anfang seiner Karriere, daher denke ich schon, dass er über kurz oder lang auch mit Österreich den Weg weitergeht, dass man sich irgendwann für ein Endrundenturnier qualifizieren wird.

LAOLA1: Bei allen Lobeshymnen: Wie oft muss der Trainer Marcel Koller streng sein mit Alaba und ihn auf Fehler hinweisen?

Koller: Es geht nicht um grobe Fehler, aber es ist natürlich von der Taktik her schon so, dass man sagt: „Geh ein bisschen mehr nach vorne, komm ein bisschen mehr zurück.“ Er ist ein Spieler, wenn man ihm etwas sagt, kann er das innerhalb kürzester Zeit umsetzen. Er ist sehr spielintelligent, daher sehr angenehm im Umgang, aber auch von der Qualität sehr hoch, weil er es gleich sieht und weiß, was du als Trainer meinst.