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"Selbst vor dem leeren Tor will der Ball nicht rein"

Wäre Marko Arnautovic Journalist, wüsste er, wie der das EM-Qualifikations-Gastspiel am Freitag in Vaduz verkaufen würde.

„Bei mir würde als Überschrift stehen: ‚Liechtenstein ist überhaupt nicht zu unterschätzen!‘ Denn das wird ein schwieriges Spiel.“

Es mag griffigere Headlines geben, aber der Kern seiner Botschaft versteht sich von selbst. Auch wenn Österreich im Fürstentum haushoher Favorit ist, gilt es auf der Hut zu sein.

„Ihr wollt hören, wir schlagen die 6:0 oder 7:0“

„Es wird ein richtig heftiges Spiel, denn natürlich spekuliert jeder. Man liest in den Zeitungen schon: ‚Liechtenstein putzen wir weg!‘ Wenn ein Spieler so denkt, ist das die komplett falsche Entscheidung. Man muss diesen Gegner genauso ernst nehmen wie Russland. Denn wenn man die ganze Zeit gegen eine Wand von zehn Leuten anläuft, ist es schwieriger als gegen eine Mannschaft, die spielen und auch gerne mit fußballerischen Qualitäten nach vorne kommen will“, versichert der Stoke-Legionär, der Kampfansagen von vornherein ablehnt:

„Ihr wollt jetzt von mir hören, wir schlagen die 6:0 oder 7:0, das weiß ich eh. Aber das passiert nicht. Wir sind überglücklich, wenn wir dort drei Punkte holen.“

Die Ergebnisse Liechtensteins im Quali-Verlauf seien laut Arnautovic Warnung genug. Daran würde auch der Umstand, dass die meisten Kadermitglieder des Fußballzwergs hierzulande Nobodys sind, nichts ändern.

„Dann meint ihr wieder: ‚Arroganter Arnautovic kennt keinen‘“

Auch Arnautovic selbst muss zugeben, dass die Liechtensteiner Spieler für ihn Unbekannte sind: „Wenn ich das sage, meint ihr wieder: ‚Arroganter Arnautovic kennt wieder keinen!‘ Es tut mir leid, ich kenne wirklich keinen, damit habe ich mich nicht so viel befasst. Aber ich denke, dass einige Spieler von uns nicht so viele, wenn überhaupt einen, kennen. Aber genau das ist es ja: Ich kenne die nicht, deswegen weiß ich nicht, wie die drauf sind. Das ist ja das Schwierige.“

Man darf davon ausgehen, dass der Betreuerstab in den verbleibenden Tagen bis zum Ankick noch etwaige Wissenslücken kompensieren wird. Das erste DVD-Studium hat jedenfalls bei Arnautovic den Eindruck hinterlassen, dass „die schon Fußball spielen können. Es ist nicht so, dass sie gar nichts können.“

Marko Arnautovic hofft seine Ladehemmung zu beenden

Dass ihn auch auf Vereinsebene die Ladehemmung plagt, belastet den Edeltechniker spürbar: „Ich befinde mich vielleicht gerade in diesem Fenster, wo man sagt: Der Ball will nicht rein. Selbst wenn ich vor dem leeren Tor stehe, will er nicht rein. Wenn ich Pech habe, habe ich Pech. Da hat es schon ein paar Situationen gegeben wie vor einigen Wochen gegen Everton, als ich die Stange getroffen habe und ein anderer hat abgestaubt. Der Ball hätte ja auch schon bei mir reingehen können, nur wollte er nicht.“

„Bin ich oasch?“

Seinen Rückgang an Scorer-Punkten (die Saison 2013/14 beendete er mit vier Toren und zehn Assists) führt Arnautovic auch darauf zurück, dass er nun kein Unbekannter mehr sei: „Als ich nach England gekommen bin, haben mich die Verteidiger nicht gekannt. Jetzt kennen sie mich alle und probieren natürlich umso mehr zu machen. Okay, bei Stoke hängt es gerade mit den Toren. Aber ich brauche jetzt nicht auf mich selbst hinzuhauen und zu sagen: ‚Du machst das und das falsch.‘ Ich mache einfach so weiter, denn ich bin gut drauf.“

„Erst wenn wir nach Frankreich fliegen, können wir zufrieden sein. Es bringt uns nichts, wenn wir uns jetzt zurücklehnen und sagen; ‚Du, wir sind Erster, wir schaffen das hundertprozentig.‘ Und im Sommer 2016 sitzen wir wieder daheim oder irgendwo in Spanien und schauen im Cafehaus Frankreich gegen Spanien. Das bringt uns nichts. Deswegen müssen wir weiter die Konzentration und unseren Teamgeist behalten. Dann bin ich auch überzeugt, dass wir etwas schaffen können. Aber noch haben wir nichts geschafft.“

„Dann könnt ihr mich beim nächsten Mal wieder fragen“

Ein Dauer-Thema bezüglich Arnautovic und ÖFB-Team ist seine Torflaute, die nun schon knapp drei Jahre lang anhält.

Der Wiener selbst nimmt es inzwischen mit Galgenhumor: „Ihr könnt mich eh bei jedem Lehrgang wegen des Tors fragen. Wenn’s net passiert, dann passiert’s net! Dann könnt ihr mich das nächste Mal wieder fragen“, grinst Arnautovic, der einmal mehr versichert, dass ihm Assists genauso viel bedeuten wie Tore selbst.

In guter Form wie im vergangenen Herbst ist er ohnehin kaum aus der Startelf wegzudenken. „Ich habe natürlich auch nicht die Nähe zum Tor, wie sie etwa Marc Janko hat oder die zentralen Spieler. Ich bin halt sehr auf der Außenbahn und probiere in Eins-gegen-Eins-Situationen vorbeizukommen, den Abschluss zu suchen oder eine Vorlage zu geben. Mit den Assists hat es zuletzt ganz gut geklappt.“

„Der Ball will nicht rein“

Zumindest im ÖFB-Dress. Denn bei Stoke läuft Arnautovic den Scorer-Punkten in dieser Saison ein wenig hinterher. Mehr als zwei Assists waren in 21-Saison-Einsätzen bislang noch nicht drinnen. Zudem kommt die unregelmäßige Einsatzzeit, die ihm Coach Mark Hughes gewährt.

„Ich habe keine Ahnung“, zuckt der frühere Werder-Bremen-Legionär mit den Schultern, „ich habe den Trainer oft genug gefragt, warum ich nicht spiele. Es gab nie Andeutungen, wieso. Es würde alles passen. Vielleicht passt es nicht, dass ich noch kein Tor gemacht habe. Aber ich denke, wenn ich spiele, habe ich meine Leistungen gebracht. Aber natürlich werden Tore und Vorlagen gezählt.“

Bescheidenheit, Demut, Konzentration und Fokus sind die Schlagworte, die beim ÖFB-Team gerade Hochkonjunktur haben. Dies betrifft nicht nur das Gastspiel im Fürstentum, sondern auch die allgemeine Situation auf dem Weg zur EURO 2016. Trotz Tabellenführung gilt es Kampfansagen zu vermeiden.

Nur nicht ins Cafehaus

„Es ist schon zu viel gesagt, wenn wir sagen: ‚Es schaut gut aus!‘“, wehrt sich der 25-Jährige gegen allzu großen Optimismus nach dem gelungenen Länderspiel-Herbst, „es kann zwar gut ausschauen, aber das brauchen wir nicht zu sagen, denn das Ziel ist noch lange nicht erreicht, auch wenn wir jetzt auf dem ersten Platz stehen.“

Die Offensivkraft begründet dies damit, dass man selbst schon alle Heimspiele gegen die namhaftesten Gruppen-Gegner hinter sich gebracht habe, jedoch noch nach Russland, Schweden und Montenegro reisen müsse.

Dies würde sich auch unter der Woche widerspiegeln, denn eine Angriffsfläche wie vielleicht in früheren Tagen will Arnautovic auf keinen Fall bieten: „Ich will nicht, dass man mir nachsagt: ‚Der Arnautovic hat irgendwie trainiert, seine Trainingsleistungen waren eine Katastrophe, deswegen habe ich ihn nie spielen lassen.‘ Genau das will ich nicht. Deswegen gebe ich alles.“

Genau dieses Feedback kommt von Hughes ohnehin nicht, wie Arnautovic versichert: „Meine Frage an den Trainer war nur: ‚Bin ich oasch?‘ Er hat gesagt: ‚Nein‘.“

Ergo gebe es auch keinen Grund für komplette Unzufriedenheit: „Man ist nie zufrieden, wenn man nicht spielt, aber ich habe meine Spielminuten schon auch bekommen. Also so, dass ich sagen könnte, ich bin beleidigt oder am Boden zerstört, ist es auch wieder nicht.“

Peter Altmann