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"Es sind halt nur Menschen"

Der Tag danach.

Marcel Koller wirkt gefasst.

Die enttäuschende Nullnummer gegen Kasachstan hat zwar ihre Spuren hinterlassen, doch der Schweizer hat bereits den Fokus auf das „Rückspiel“ am Dienstag gelegt.

„Ich werde meine Truppe aufbauen, damit wir am Dienstag zurückschlagen.“

Obwohl der 51-Jährige grundsätzlich lieber nach vorne blickt und nicht in der Vergangenheit schwelgt, müssen die 90 Minuten von Astana aufgearbeitet werden.

LAOLA1 hört dem ÖFB-Teamchef dabei genau zu:

Marcel Koller…

… ÜBER DIE NULLNUMMER IN KASACHSTAN:

„Ich bin noch nicht dazugekommen, um mir das Match noch einmal anzusehen. Das werde ich am Nachmittag machen. Mir ist in Erinnerung geblieben, dass wir sehr viel Ballbesitz hatten, in der ersten Halbzeit aber nicht gut gespielt haben. Dennoch hatten wir drei gute Möglichkeiten (2x Junuzovic, 1x Harnik). Es ist dann halt das alte Lied vom Tor machen. Wenn uns ein Treffer gelingt, wird das Spiel anders ausgehen. Es ist für uns auch eine Erfahrung, wenn die gegnerischen Teams so tief stehen. Da ist es schwierig, ein Loch zu finden und man muss aufpassen, nicht in einen Konter zu laufen. Das ist zwei Mal passiert. Nach der Pause sind wir mehr nach vorne gekommen, haben Druck entwickelt. Es war das erwartete Geduldspiel. In der Schlussphase waren wir hektisch und haben uns vom Schiedsrichter beeinflussen lassen. Er hat in einigen Situationen das Zeitspiel der Kasachen zu sehr toleriert. Das ist aber ein Mittel für die kleineren Teams, um über die Runden zu kommen.“

… ÜBER DIE FEHLENDEN CHANCEN AUS DER DISTANZ:

„Wir wollten in den Sechzehner kommen, wollten diese Situationen provozieren. Kasachstan hat jedoch gut verteidigt. Sie haben vor dem Strafraum zwei Linien aufgestellt und robust gegen uns gearbeitet. Wir haben uns leider nicht richtig durchsetzen können. Es ist bekannt, dass 30 Meter vor dem Tor genau verteidigt, also auf den Ball gegangen wird, um kein Foulspiel zu riskieren. Das ist ihnen gut gelungen.“

… ÜBER DIE NICHT ERFÜLLTE ERWARTUNG:

„Es soll keine Ausrede sein, aber der Kunstrasen ist gewöhnungsbedürftig. Wir haben nur einmal auf diesem Platz in Astana trainiert. Das ist zu wenig. Der Kunstrasen in Bad Tatzmannsdorf war kleiner und anders. Wenn aber die Innenverteidiger die meisten Ballkontakte haben, dann sieht man grundsätzlich, dass man nicht nach vorne kommt. Unser Mittelfeld hat sich 30, 40 Meter vor dem gegnerischen Tor aufgehalten. Es war schwierig, weil der Gegner die Räume sehr eng gemacht hat. Wir haben uns die Bälle in der eigenen Verteidigung geholt. Wir waren also viel zu weit hinten. Daher hat sich der Gegner nicht großartig bewegen müssen.“

… ÜBER DAS FEHLENDE PRESSING:

„Wir hatten 67 % Ballbesitz. Und das Spiel mit dem Ball ist ganz anders, als ohne Ball. Wenn du nicht in Ballbesitz bist, kannst du viel mehr Pressing spielen.  Das ist sicher ein Grund, warum man das Pressing optisch nicht so wahrgenommen hat. Es dauert länger, die Offensiv-Bewegungen einzustudieren. Wir haben bis jetzt sehr viel Wert auf die Defensive gelegt. Die Bewegung mit dem Ball braucht einfach noch Zeit und Bewusstsein. Und es ist schwierig, wenn der Gegner tief steht und man die Lücken sucht. Hier sind Eins-gegen-Eins-Situationen und Dribblings gefordert. Damit kann man die Kompaktheit eines Gegners lösen. Das war gestern nicht optimal.“

… AUF DIE FRAGE, OB DIE DOPPEL-SECHS NOTWENDIG WAR:

„Gegen Deutschland war sie gut. Man kann sie ja auch variabel ausüben. Einer der zwei Sechser kann immer mit nach vorne gehen. Dann ist es in der Offensive keine unbedingt defensive Ausrichtung.“

… ÜBER DIE BESCHEIDENE LEISTUNG VON HARNIK UND ARNAUTOVIC:

„Martin hat gegen Deutschland eine hervorragende Leistung geboten. Er ist daher immer eine Alternative. Er hatte gestern zwei gute Möglichkeiten. Wenn er ein Tor macht, wird über seine Leistung erst gar nicht diskutiert. Marko hat sich weiterentwickelt, sein Weg ist aber noch nicht abgeschlossen.“

… ÜBER DIE SCHWACHE LINKE SEITE:

„Es sind halt auch nur Menschen. Fußballer stehen in der Öffentlichkeit, jeder kann ihre Leistung beurteilen. Du musst am Spieltag um 20:30 Uhr bereit sein und deine Leistung bringen. Alle Augen sind auf sie gerichtet. Spielst du gut, gibt’s den Daumen nach oben, spielst du schlecht, geht er nach unten.“

… ÜBER DIE PAUSENANSPRACHE:

„Es gab von mir den Auftrag, dass unser Mittelfeld sich mehr nach vorne orientieren muss. Es hat sich am Anfang einfach zu sehr bei den eigenen Verteidigern aufgehalten. Sie müssen dorthin, wo es weh tut – also 30, 40 Meter rund um das gegnerische Tor. Wir müssen uns anbieten, müssen in den Rücken der gegnerischen Mittelfeldspieler kommen.“

… ÜBER DIE HARMLOSEN ECKBÄLLE:

„Das liegt am Kunstrasen, der in Astana kürzer geschnitten ist. Wir sind einfach nicht richtig unter den Ball gekommen. Die Jungs können jedenfalls Eckbälle schießen. Es gibt eine Statistik von der UEFA, dass nur jeder 46. Eckball zu einem Tor führt.“

… ÜBER MÖGLICHE UMSTELLUNGEN AM DIENSTAG:

„Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Das kann man aber nicht heraufbeschwören. Man kann nur gut arbeiten und wir werden gut arbeiten. Ob es Änderungen gibt, wird man sehen, kommt auf die Spieler an. Marc Janko war nach seiner Einwechslung sehr präsent, war aggressiv und man hatte den Eindruck, dass er unbedingt ein Tor machen wollte. Es tut sicher gut, wenn man frische Kräfte ins Spiel bringt. Wie das aussieht und ob es überhaupt am Dienstag passieren wird, kann ich jetzt noch nicht sagen.“

… ÜBER DAS PERSÖNLICHE BEFINDEN:

„Ich kenne das Geschäft. Solche Spiele wie jenes in Kasachstan gibt es eben. Man kann auch nicht davon ausgehen, gegen „kleinere“ Gegner automatisch drei Punkte einzufahren. Es ist klar, dass wir gegen solche Teams mehr in Ballbesitz sind und das Spiel machen müssen. Daran wird gearbeitet. Über das Ergebnis bin ich natürlich genauso enttäuscht wie die Spieler, weil ich immer drei Punkte mitnehmen will. Ich werde meine Truppe aufbauen, damit wir am Dienstag zurückschlagen.

… ÜBER DEN BLICK AUF DIE TABELLE:

„Ich habe nicht auf die Tabelle geschaut. Wir müssen von Spiel zu Spiel schauen. Das ist viel wichtiger. Wenn man aber bei der WM dabei sein will, muss man Punkte holen – keine Frage. Jetzt haben wir einmal einen geholt, viele haben natürlich gehofft, dass es schon drei wären. Ich habe aber immer gesagt, dass wenn es einmal nicht läuft, man wenigstens einen Punkt mitnimmt. Es zählt jeder Zähler. Ob am Schluss zwei fehlen, wird die Schlussabrechnung zeigen. Deutschland wird seinen Weg gehen. Wir haben uns auch nicht an der DFB-Auswahl orientiert, sondern an Schweden und Irland.“

… AUF DIE FRAGE, WAS DER TEAMCHEF IM RÜCKSPIEL SEHEN WILL:

„Tore! Wir erwarten die Kasachen so wie in Astana. Es wird wieder ein Geduldspiel werden. Meine Mannschaft muss den Druck erhöhen. Wir spielen daheim, müssen auch versuchen, das Publikum hinter uns zu bringen. Wir werden noch einmal alles aus uns herausholen und versuchen, einen Sieg einzufahren.“

Aufgezeichnet von Martin Wechtl