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"Ich verspüre weder Wehmut noch Erleichterung"

Der Trainingsanzug kann im Kleiderschrank verstaut werden, ab sofort ist wieder Business-Kleidung gefragt.

Nach dem Ausflug in die sportliche Verantwortung als Interims-Teamchef nimmt Willi Ruttensteiner wieder seinen oft missverstandenen Bürojob als ÖFB-Sportdirektor auf.

In Zukunft gilt es, Hand in Hand mit Neo-Teamchef Marcel Koller an der Weiterentwicklung des Nationalteams zu arbeiten. Trotz der Nullnummer in Kasachstan betont der 48-Jährige:

„Ich glaube an die Mannschaft. Ich glaube an das Spielpotenzial der Mannschaft. Für mich sind es gute Spieler.“

LAOLA1 weiß, wie der Oberösterreicher darüber hinaus die Performance in Astana einschätzt, wie sein Fazit über die zehn Tage als Österreichs ranghöchster Trainer ausfällt, und warum ihn weder Kritik noch Lob tangieren.

WILLI RUTTENSTEINER…

…DARÜBER, WARUM MAN DEN SCHWUNG AUS ASERBAIDSCHAN NICHT MITNEHMEN KONNTE:

Ich denke, dass die Ursache vor allem im Kombinationsspiel gelegen ist. Uns ist es nicht gelungen, Kasachstan wirklich auszuspielen. Es hat nicht nur der letzte Pass gefehlt. Schon im Spielaufbau haben wir oft die Pässe nicht an den Mann gespielt, zu ungenau gespielt. Dadurch ist Kasachstan immer wieder stark geworden. Das Spiel im Ballbesitz war meiner Meinung nach nicht gut genug. Auf der anderen Seite haben wir gegen einen Gegner gespielt, der oft unterschätzt wird. Sie haben physisch sehr stark gespielt. Die Chancen, die wir gehabt haben, haben wir leider nicht nutzen können.

…DARÜBER, WARUM SPIELER WIE IVANSCHITZ UND JANKO DIESMAL NICHT SO ZUR GELTUNG KAMEN:

Man darf jetzt nicht zwei Spieler hernehmen. Es liegt immer an der ganzen Mannschaft. Der Spielaufbau beginnt beim Torhüter über die Viererkette, und dann muss einfach nach vorne kombiniert werden. Dazu muss sich jeder bewegen, jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Ich glaube, dass wir hier zu viele technische Fehler gehabt haben und auf der anderen Seite auch die Bewegung ohne Ball nicht gut genug war.

…ÜBER KASACHSTANS CHANCEN GEGEN SPIELENDE:

Die Kasachen haben gegen die Türkei ein Tor erzielt, die haben in jedem Länderspiel immer wieder gefährliche Aktionen. Das ist völlig normal, das ist auch gegen uns so. Aber wenn wir es nicht schaffen, das eine oder andere Tor zu machen, wird es natürlich sehr, sehr eng.

…ÜBER FEHLER IN DER SPIELANLAGE:

Ich habe die Mannschaft immer wieder angetrieben, etwas höher zu stehen und vorne mehr Druck auszuüben, damit diese langen Bälle auf die großen Stürmer nicht geschossen werden können. Aber es ist gegen diese langen Stürmer nicht einfach zu spielen, denn immer dann, wenn du Pressing spielst, wird der Ball weit abgeschlagen. Sie haben uns ja nicht in dem Sinn ausgespielt, aber diese weit geschlagenen Bälle waren immer wieder gefährlich.

…ÜBER DAS WEITERE PROZEDERE MIT NEO-TEAMCHEF MARCEL KOLLER:

Marcel Koller arbeitet bereits, wird sich am Wochenende Spiele anschauen und ist voll in seiner Tätigkeit. Am Mittwoch schaut er sich die U18 in der Schweiz an, am Wochenende zwei Spiele in Deutschland. Wir telefonieren und tauschen uns aus. Zusammensetzen werden wir uns kommende Woche. Der Vertrag läuft zwar erst ab 1. November, aber grundsätzlich ist er jetzt schon in der intensiven Vorbereitung auf den Job. Er ist sicherlich engagiert und beginnt seine Arbeit mit irrsinnig viel Pep.

…DARÜBER, OB ER WEHMUT ODER ERLEICHTERUNG ÜBER DAS ENDE SEINER TÄTIGKEIT ALS INTERIMS-TEAMCHEF VERSPÜRT:

Weder Wehmut noch Erleichterung. Ich bin jetzt natürlich ein bisschen enttäuscht, weil ich das Spiel mit der Mannschaft gewinnen und diese sechs Punkte für Österreich holen wollte. Das ist nicht gelungen. Auf der anderen Seite muss man auch respektieren, dass man nur unentschieden spielt, wenn man die Chancen nicht reinhaut.

…DARÜBER, OB DAS GUTE FEEDBACK FÜR SEINE ARBEIT BALSAM FÜR SEINE SEELE IST:

Fremdkritik oder fremdes Lob ist für mich nicht das Entscheidende. Ich war mit meiner Arbeit zufrieden. Ich habe wirklich alles gegeben, es hat halt nicht ganz gereicht, sondern nur zu vier Punkten. Aber ich denke, ich kann mir selbst nichts vorwerfen. Mehr, als wirklich alles zu geben, kann man nicht.

…DARÜBER, OB ER IN DIESEN EINEINHALB WOCHEN WIEDER GUSTO AUF DEN TRAINERJOB BEKOMMEN HABE:

Auf den Trainerjob sicherlich, aber grundsätzlich ist es so, dass ich sehr motiviert bin für die Zusammenarbeit mit dem neuen Teamchef. Wir haben uns sehr viel für die Zukunft vorgenommen, und da werde ich alles daran setzen, um ihn als Sportdirektor zu unterstützen. In weiterer Ferne kann durchaus einmal etwas daherkommen. Aus jetziger Sicht ist es nicht geplant, aber man sollte niemals nie sagen.

Aufgezeichnet von Peter Altmann

…ÜBER SEIN FAZIT AUS ZEHN TAGEN ARBEIT MIT DER MANNSCHAFT:

In Summe bin ich nicht unzufrieden. Im ersten Spiel in Aserbaidschan haben wir wirklich toll gespielt. Der Respekt vor einer Mannschaft wie Kasachstan ist in unserem Land halt nicht gegeben. Da glaubt jeder, wir kommen hierher und gewinnen 2:0 oder 3:0. Das habe ich der Mannschaft auch immer wieder gesagt. Wir haben lange Flugreisen gehabt, das ist nicht so einfach. Auf der anderen Seite haben wir alles gegeben, um zu gewinnen, es ist aber nur ein Punkt geworden.

…ÜBER DEN LERNEFFEKT FÜR DIE NÄCHSTE QUALI, NACH GUTEN LEISTUNGEN NACHLEGEN ZU MÜSSEN:

Das haben wir auch gewusst, und die Mannschaft wollte nachlegen. Das hat nichts mit Motivation oder Wille zu tun. Wir haben fußballerisch zwei, drei Ausfälle gehabt, die nicht so stark gespielt haben, wie ich mir das erwartet habe. In Summe ist es dann auf Länderspiel-Ebene eben schwierig. Wenn man sich für Brasilien qualifizieren will, muss diese Konstanz sein, keine Frage.

…ÜBER DIE AUSGANGSPOSITION FÜR DIE WM-QUALIFIKATION:

Ich glaube an die Mannschaft. Ich glaube an das Spielpotenzial der Mannschaft. Für mich sind es gute Spieler. Wir haben einige Ausfälle gehabt, das darf man nicht vergessen, das soll aber keine Entschuldigung sein. Aber ich denke schon, dass die Mannschaft das Zeug hat, in dieser Gruppe mitzuspielen und diesen zweiten Platz erreichen zu können.