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"Man stumpft wirklich ein bisschen ab"

„Irgendwann ist es wieder einmal soweit – warum nicht jetzt?“, fragt sich Franz Schiemer.

Gemeint ist ein Sieg gegen den „großen Bruder“, gegen den WM-Dritten aus Deutschland.

Das mag vermessen klingen, ist aber sinnbildlich für den Optimismus, den der 25-Jährige verbreitet.

Kurzum: Man merkt dem Salzburg-Kicker richtig an, wie viel Freude es ihm bereitet, wieder im Kreis des Nationalteams zu sein: „Ein unbeschreibliches Gefühl. Es ist einfach etwas Besonderes. Das merkt man, wenn man eine Zeitlang weg ist.“

"Man kommt in einen Trott hinein"

Eine „Zeitlang“ war bei Schiemer rund viereinhalb Monate, in denen er verletzungsbedingt eine Schaffenspause einlegen musste. Der Salzburg-Kicker ist grundsätzlich dafür bekannt, über den Tellerrand des Profisports hinauszublicken.

So gesehen gewinnt er auch seiner unfreiwilligen Auszeit Positives ab: „Ab und zu braucht man das als Fußballer vielleicht sogar, um wieder das Schöne am Fußball zu sehen. Man sieht, wie schön es eigentlich ist, am Platz zu stehen.“

Im Alltagstrubel verliert man das Schöne des Fußballs offenbar leicht einmal aus den Augen, noch dazu, wenn man als Nationalspieler und mit den „Bullen“ international engagierter Spieler regelmäßig englische Wochen in den Beinen hat.

„Man stumpft wirklich ein bisschen ab, wenn man 50 oder 60 Spiele im Jahr hat, man kommt so ein bisschen in einen Trott rein“, gesteht Schiemer, der im März brutal aus diesem Trott gerissen wurde.

Falsche Diagnose

Und zwar unerwartet lange. „Das Problem war, dass die erste Diagnose eine andere war, als sie es hätte sein sollen“, schildert der Oberösterreicher.

Ursprünglich wurde ein Bluterguss im Oberschenkel festgestellt, dieser verdeckte auf den Aufnahmen jedoch einen Sehnenriss, der somit erst später festgestellt wurde:

„Das war problematisch, vor allem im ersten Monat, weil ich natürlich komplett falsch behandelt wurde und sogar versucht habe, zum Mannschaftstraining zu kommen. Das hat das Ganze natürlich verschlechtert.“

„Selbstverständlich, dass mir der Verein die Erlaubnis geben muss“

So geduldig Schiemer bis zu seiner Genesung sein musste, so schnell ging es seither. Nach einer Woche im Mannschaftstraining absolvierte er zuletzt gleich drei Matches binnen acht Tagen. Für den Defensiv-Allrounder war es daher ein logischer Schritt, sich die Einberufung ins Nationalteam von Vereinstrainer Ricardo Moniz absegnen zu lassen:

„Der Verein ist mein Arbeitgeber und nach der langen Pause war es für mich selbstverständlich, dass mir der Verein die Erlaubnis geben muss. Denn es ist natürlich ein bisschen ein Risiko.“

Es spricht alles dafür, dass Schiemer sein 20. Länderspiel an der Seite von Emanuel Pogatetz in der Innenverteidigung absolvieren wird. Mit bislang vier Treffern mischt der Abwehrspieler in der ÖFB-internen Schützenliste vorne mit, die sind jedoch naturgemäß nichts gegen die 61 Volltreffer, die Gegenspieler Miroslav Klose bislang für Deutschland gelandet hat.

„Klose? Unglaublich torgefährlich und kopfballstark“

„Man spielt gegen ihn ganz normal wie gegen jeden anderen auch“, meint der 25-Jährige, der die Qualitäten des Lazio-Angreifers wiefolgt beschreibt:

„Er ist unglaublich torgefährlich und kopfballstark – das taugt mir auch, muss ich ehrlich sagen. Er ist ein Stürmer auf Top-Niveau. Man muss 90 Minuten lang wirklich konzentriert sein, um ihm keine Chance zu geben.“

Selbst eine Chance hätte das ÖFB-Team jedoch nur, wenn der Blick auch aufs Spiel nach vorne gerichtet werde und man durch gute Konter Torgefahr erzeugen könne.

„Das sind im Prinzip die einfachsten Partien“

Und dann wäre da ja noch eingangs erwähnter Traum, die Deutschen einmal zu knacken.

„Es wäre zu schön, wenn man da dabei sein kann“, erklärt Schiemer und verweist darauf, dass man in Fußball-Österreich heute noch alle Spieler kennt, denen bei der WM 1978 in einer argentinischen Stadt eine viel zitierte Sensation gegen den nördlichen Nachbarn gelungen ist.

Natürlich sei die DFB-Elf („eine Klasse-Mannschaft“) qualitativ über Österreich zu stellen, aber: „Wenn alles passt, können wir dort eine Überraschung abliefern. Ich bin wirklich überzeugt davon, dass das jetzt schon passieren kann.“

Warum, ist leicht erklärt: „Wir haben nichts zu verlieren, sind krasser Außenseiter – und das sind im Prinzip immer die einfachsten Partien.“

Peter Altmann