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"Deutschland will das gleich am Anfang erledigen"

Schon am ersten Tag des Camps in Bad Tatzmannsdorf stattete ÖFB-Präsident Leo Windtner dem Nationalteam seinen traditionellen Besuch ab und wurde Zeuge des obligatorischen Regenerations-Trainings.

Nach einem bislang überwiegend peinlich gestalteten August ließen Windtner und Didi Constantini in ihrer Unterredung Themen wie „über den Tellerrand schauen“, „im eigenen Saft braten“, „frühzeitig abgebrochene Pressekonferenzen“ oder die „Trottel-Affäre“ wohl beiseite. Die Außendarstellung war ohnehin verheerend genug.

Nun soll wieder das Sportliche in den Vordergrund rücken. Im Hinblick auf das am Freitag anstehende EM-Qualifikationsspiel in Deutschland konnte der Teamchef seinem Vorgesetzten berichten, dass er Franz Schiemer nachnominiert hat, die geplante Einberufung von Andreas Hölzl an einer Adduktorenverletzung des Sturm-Kickers scheiterte, und dass bis zum Ankick in Gelsenkirchen nur noch maximal vier „richtige“ Trainingseinheiten am Programm stehen („Aber das muss reichen.“).

„Besser spielen als in Wien“

Für Montagabend war nach der Ankunft von Emanuel Pogatetz, Christian Fuchs, Julian Baumgartlinger und Paul Scharner eine Besprechung im Mannschaftskreis angesetzt, die laut Constantini jedoch nicht die Rückkehr von Marko Arnautovic als Hauptthema hatte:

„Hauptthema ist viel mehr, wie wir in Deutschland bestehen werden“, verkündete der Tiroler. Wohlgemerkt werden, nicht wollen.

So unrealistisch eine Sensation beim WM-Dritten auch sein mag, Constantini weiß, dass er in der restlichen EM-Quali Ergebnisse liefern muss - ein historischer Erfolg beim „großen Nachbarn“ würde seinen arg ins Wanken geratenen Trainerstuhl wieder stabilisieren.

Also fordert er: „Wir müssen noch besser spielen als in Wien!“ Denn: „Wenn wir diese Leistung nicht noch einmal bringen, schaut es nicht gut aus.“

„Müssen agieren, wenn wir überleben wollen“

Der 56-Jährige hat laut eigener Aussage zwei komplette Mannschaften einberufen, um den Gameplan für Freitag im Training zu simulieren. Seine Devise:

„Ich gehe davon aus, dass es Deutschland gleich am Anfang erledigen will. Wir müssen sehr agieren, wenn wir überleben wollen. Fakt ist: Wenn du die Deutschen ins Spiel kommen lässt, spielen sie einen sehr guten Fußball mit Wechselpässen in die Tiefe. Das haben wir in Wien eigentlich ganz gut gemacht.“

Gelsenkirchen ist nicht Wien, dennoch schöpft das ÖFB-Team Mut aus der Leistung bei der 1:2-Niederlage Anfang Juni im Ernst-Happel-Stadion.

„Fahren nicht hin, um uns demütigen zu lassen“

„Wir haben natürlich großen Respekt, aber keine Ehrfurcht. Wir werden uns nicht verstecken. Natürlich ist die Enttäuschung über die verpasste Chance, dass wir nicht zumindest ein Unentschieden geholt haben, immer noch riesig“, sinnt Martin Harnik auf Revanche.

Für den Stuttgart-Legionär lag die starke Performance beim Hinspiel an der guten Leistung Österreichs und nicht an einer schlechten der DFB-Auswahl.

„Die Rollenverteilung ist klar – ich denke, noch klarer als in Wien. Wir fahren jedoch nicht hin, um uns demütigen zu lassen oder die Punkte vorher abzuliefern, sondern wollen uns noch besser präsentieren als beim letzten Spiel in Wien“, kündigte der 24-Jährige an.

„Werden um einiges ernster genommen als vor Jahren“

Die Offensivkraft gehört aktuell zu den erfolgreichsten rot-weiß-roten Vertretern in der deutschen Bundesliga. Der Stellenwert des österreichischen Fußballs beim nördlichen Nachbarn ist zuletzt definitiv gestiegen – nicht nur wegen der Begegnung in Wien, wie Harnik findet:

„Wir sind schon davor um einiges ernster genommen worden als vor einigen Jahren. Das hat auch mit unseren erfolgreichen Legionären zu tun. Deswegen war schon vor der Partie sehr viel Respekt da, das Spiel hat es noch einmal unterstrichen“, versichert Harnik, der auch warnt:

„Wir werden auf keinen Fall auf die leichte Schulter genommen – weder von der deutschen Nationalmannschaft noch von den Medien.“

Nicht mehr so besonders wie beim ersten Mal

Kräftemessen mit seinem „Heimatland“ haben für den „Piefke“ in Österreichs Team naturgemäß immer einen besonderen Reiz, auch wenn der Sohn einer Hamburgerin und eines Grazers zugibt, dass sie inzwischen schon ein wenig alltäglich geworden sind:

„Es ist nicht mehr so besonders wie beim ersten Spiel. Nun spiele ich zum vierten Mal gegen Deutschland, deswegen ist das Emotionale mehr oder weniger verpufft. Aber aufgrund des Prestiges ist es natürlich ein besonderes Spiel.“

Wie der ÖFB hat auch der DFB seine kleinen Aufreger und Skandälchen im Vorfeld der Begegnung. Vor allem dass Kapitän Philipp Lahm unter die Literaten gegangen ist und mit 27 Jahren seine Autobiographie veröffentlicht hat, ließ in Deutschland in den letzten Tagen die Wogen hochgehen.

„Er hat mir bereits ein signiertes Exemplar zugeschickt“, scherzt Harnik, der die Diskussionen um den Bayern-Star nicht als Nachteil interpretiert: „Ich habe auch nur Auszüge aus der BILD-Zeitung mitbekommen und das Echo verfolgt. Aber es tut uns ganz gut, dass es zurzeit mehr Thema ist als das Länderspiel.“

Gomez oder Klose ist Geschmacksache“

Sportliches Hauptthema bei der Elf von Teamchef Joachim Löw ist das verletzungsbedingte Fehlen von Goalgetter Mario Gomez, der in Wien beide DFB-Treffer erzielte und am Samstag die Bayern im Alleingang zum 3:0-Erfolg in Kaiserslautern ballerte.

„Statt Gomez spielt Miroslav Klose, und der will den Rekord von Gerd Müller einstellen. Ob der oder der spielt, ist Geschmacksache, beide sind Weltklasse-Stürmer“, nimmt es Constantini, wie es kommt.

Müllers Rekord steht übrigens bei 68 Toren, Klose hält bei 61. Am Freitag wird die Bestmarke noch nicht fallen, so viel steht wohl jetzt schon fest.

Peter Altmann