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"Für Trainer ist jede Partie ein Entscheidungsspiel"

„Ein Punkt. 4:4.“

So definiert Didi Constantini mit einem Augenzwinkern ein gutes Ergebnis aus österreichischer Sicht beim EM-Qualifikations-Duell mit Deutschland.

Das 4:4 ist natürlich eine Reminiszenz an den Schlagabtausch in Belgien im vergangenen Oktober, als die ÖFB-Elf in der Ausscheidung für die EURO 2012 letztmals anschreiben konnte.

Vor dem Kräftemessen mit dem WM-Dritten könnte die Ausgangslage klarer nicht sein, die Truppe von Teamchef Joachim Löw geht als haushoher Favorit in die in Gelsenkirchen stattfindende Begegnung.

Du hast keine Chance, also nutze sie

Für sein rot-weiß-rotes Pendant, das sich in der Arena AufSchalke nach zwei Tagen Kommunikationspause bei der offiziellen Pressekonferenz wieder ausführlich den Medienvertretern stellte, liegt genau darin der größte Vorteil seiner Mannschaft:

„Ich glaube, dass die meisten es so sehen, dass wir auswärts in Deutschland überhaupt keine Chance haben – und das ist eigentlich unsere Chance.“

Dass nach sechs Niederlagen in den vergangenen sieben Länderspielen der Stuhl des Teamchefs bedenklich wackelt, ist allgemein bekannt. Eine Sensation in Deutschland wäre naturgemäß das beste Argument pro Constantini. Von einem Entscheidungsspiel für seine Zukunft will der Tiroler jedoch nichts wissen:

„Für einen Trainer ist jede Partie ein Entscheidungsspiel. Im Grunde genommen haben wir in letzter Zeit zu viel verloren. Dass dann der Trainer in der Kritik steht, ist normal. Wie es weiter geht, ist aber nicht meine Sache, sondern jene des Präsidenten und des Präsidiums. Davon lasse ich mich nicht ablenken.“

„Mir ist wichtig, dass die Burschen einen guten Fußball spielen, und wir nach dem Spiel sagen können, das war eine gute Vorstellung von uns. Es wäre ein Wahnsinn, wenn uns etwas gelingt, was uns keiner zutraut.“

„Wenn wir uns hinten reinstellen, bringt uns das nichts“

Damit dies gelingt, deutet der 56-Jährige eine gewagtere Herangehensweise als von vielen erwartet an. Eine Erkenntnis aus dem Studium des 3:2-Erfolgs der DFB-Elf gegen Brasilien, wie Constantini behauptet:

„Die Brasilianer haben abgewartet, bis die Deutschen einen Fehler machen. Wenn du sie spielen lässt, machen sie keinen Fehler. Deswegen glaube ich, dass es besser ist, dass wir weiter nach vor gehen und schauen, dass wir den Ball jagen. Wenn wir uns hinten reinstellen, bringt uns das nichts.“

Mit welchem Personal der Teamchef die Deutschen früh attackieren will, verriet er wie gehabt nicht. Löw kündigte indes an, dass Toni Kroos als "Zwischenspieler" den Vorzug gegenüber Jungstar Mario Götze bekommen werde.

Entscheiden sich die ÖFB-Coaches für die Variante mit Arnautovic und Hoffer, würden übrigens alle acht Deutschland-Legionäre von Beginn an in der Startelf stehen.

Bezüglich Arnautovic hatte Constantini zu Beginn des ÖFB-Camps angekündigt, dass er bei einer Verfehlung  „in der Minute weg“ sei. Restlos glücklich wirkte der Tiroler mit der bisherigen Performance des 22-Jährigen nicht:

„Er hat das erste Mal gut trainiert, das zweite Mal nicht so gut trainiert. Er ist dabei. Wir werden schauen, wie er agiert, wenn er spielt.“

Arnautovic und der Dresscode

Es gibt fraglos Wichtigeres, aber für verwunderte Blicke sorgte während der Reise von Wien ins Quartier in Essen, dass sich Arnautovic als einziger der Mannschaft nicht an den Dresscode hielt und in Jeans auftauchte.

„Das Problem ist, dass er ziemliche Oberschenkel hat und wir keinen Anzug finden, der ihm passt“, nahm es Constantini mit Humor, konnte jedoch seine fehlende Begeisterung für diesen modischen Alleingang auch nicht ganz verbergen:

„Ich habe ihm gesagt, er soll die Jean anlegen und ein Sakko. Dann ist er, wie alle gesehen haben, mit Jean und weißem Hemd gekommen. Ich habe ihn gefragt, wo das Sakko ist, er hat gemeint: ‚Trainer, es ist zu heiß.‘ Ich habe ihm erklärt, dass wir eine Gruppe sind, wo jeder ein Sakko oder zumindest eine Anzughose anhat. Aber ich habe darüber hinweggeschaut.“

„Wenn Janko sich ganz ehrlich analysiert…“

Nur zu gerne die Kapitänsschleife „anlegen“ würde Marc Janko. Doch der nominelle Spielführer spielt in den Überlegungen des Betreuerstabs für das Deutschland-Spiel offenkundig keine allzu große Rolle. Zuletzt beschwerte er sich darüber, dass der Teamchef nicht das Gespräch mit ihm suchen würde.

Die Wahrnehmung Constantinis ist eine völlig konträre: „Mit Marc spreche ich laufend. In letzter Zeit habe ich mehr mit Marc gesprochen, als es eigentlich notwendig ist.“

„Deutschland hat gegen Brasilien 4-1-4-1 gespielt, mit Schweinsteiger dahinter. Wenn wir mit zwei Defensiven im Mittelfeld und einer hängenden Spitze spielen, ist es von der Raumaufteilung mehr oder weniger ausgeglichen. Die Frage ist nur, ob wir die Zwei von der Klasse her stoppen können“, erklärte Constantini.

Hoffer an vorderster Front?

Es wäre keine Überraschung, wenn Martin Harnik weiter als hängende Spitze agieren würde – in dieser Rolle machte der Stuttgart-Legionär zuletzt stets gute Figur. Vor ihm spricht viel für den laufstarken Erwin Hoffer.

Während links im Mittelfeld Daniel Royer erstmals von Beginn an den ÖFB-Dress tragen dürfte, bleibt die Frage: Wohin mit Marko Arnautovic? Da der schnelle Hoffer an vorderster Front wohl besser zur ausgerufenen Strategie passt, bliebe für den Werder-Legionär der Posten auf der rechten Seite, für den Ekrem Dag als defensivere Variante parat steht. Immerhin greifen die Deutschen auf links mit Lukas Podolski und Philipp Lahm an.

Es folgte eine durchaus strenge Zurechtweisung für den Goalgetter, der für Twente Enschede in bislang vier Meisterschaftsspielen fünf Treffer erzielte, aber zuletzt im ÖFB-Dress unter Ladehemmung litt.

„Wenn Marc sich selbst und seine Leistungen in der EM-Qualifikation ganz ehrlich analysiert, glaube ich nicht, dass es gut ist, wenn er sagt, es kommt aus der Zauberdose, ob er spielt oder nicht. Das ist fehl am Platz. Man sollte sich schon selbst einschätzen können. Er ist ein absoluter Topstürmer, ein Goalgetter, der das in dieser EURO-Qualifikation bis jetzt noch nicht gezeigt hat.“

Zur Erinnerung: Janko sprach während der Vorbereitung in Bad Tatzmannsdorf davon, dass es für ihn beim Nationalteam jedes Mal eine Wundertüte sei, ob er zum Einsatz komme oder nicht.

„Wir verwerten unsere Chancen nicht“

Wie auch immer, der Schlüssel zu einem guten Ergebnis liegt für Constantini in besserer Effizienz als zuletzt:

„Wir verwerten unsere Chancen nicht. Wenn du deine Chancen nicht verwertest, kannst du auch keinen positiven Spielverlauf haben und rennst immer hinten nach. Gegen die Slowakei waren Chancen für zwei, drei Tore da und wir haben nicht eines gemacht, also kannst du da nichts gewinnen.“

Wer weiß, vielleicht geht das 1:2 gegen die Slowaken noch als misslungene Generalprobe für eine geglückte Premiere in die ÖFB-Geschichte ein…

Peter Altmann