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"Wechsel heißt nicht, dass einer schlecht war"

Neigt man zur maßlosen Übertreibung, könnte man im Falle eines österreichischen Sieges in Tschechien von einem „Jahrtausend-Ereignis“ sprechen.

Nach dem 3:0 im bedeutungslosen WM-Qualifikationsspiel auf den Färöer wäre es nämlich der zweite Auswärtssieg in Folge. Das hat das Nationalteam seit dem Milleniumswechsel noch nicht zustande gebracht.

Ein kurzer Ausflug in die Vergangenheit: Ende 1998 und Anfang 1999 bestritt das ÖFB-Team vier Länderspiele in Folge in der Fremde.

Die Auswärts-Thematik

Die ersten drei davon endeten jeweils mit rot-weiß-roten Siegen – zuerst bei den Fußball-Zwergen Zypern (3:0) und San Marino (4:1), danach galt es immerhin einen 4:2-Erfolg bei Nachbar Schweiz zu feiern.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die vierte Partie dieser Auswärts-Serie das ebenso unrühmliche wie legendäre 0:9 in Spanien war. Das Ende der Teamchef-Ära von Herbert Prohaska.

Dass es in den folgenden eineinhalb Jahrzehnten nur selten einen Grund zum Feiern gab, wenn der ÖFB eine Reise tat, ist kein Geheimnis und sicherlich eines jener Mankos, das es in der anstehenden EM-Qualifikation auszumerzen gilt.

Das Kräftemessen mit Tschechien dient also nicht nur als Generalprobe für den Quali-Auftakt gegen Schweden, sondern wird auch Aufschluss über die gewonnene Reife bezüglich der Auftritte in der Fremde bieten.

Änderungen in der Startformation

Teamchef Marcel Koller peilt naturgemäß einen Sieg an. Gleichzeitig wird die Partie in Olomouc für den Schweizer jedoch zum Spagat. Einerseits gilt es auf das Ergebnis zu achten, andererseits ist es die letzte Gelegenheit für personelle Experimente.

„Es ist immer gut, wenn du gewinnst. Es ist aber auch so, dass wir den einen oder anderen Wechsel in der Aufstellung machen werden, um zu sehen, wie die anderen von uns drauf sind. Wir schauen auf das Ergebnis, können aber nicht von vornherein sagen, dass wir locker gewinnen. Denn bei den Tschechen wollen die neuen Spieler, die mit dabei sind, auch etwas zeigen“, betont der 53-Jährige.

Wobei es sich selbst bei einer größeren Anzahl an neuen Spielern in der ÖFB-Startformation keineswegs um eine Nobody-Truppe handeln würde.

Aus seinen konkreten Plänen machte Koller wie gewohnt ein Geheimnis. Einzig die Nominierung von Robert Almer im Tor, nachdem beim 1:1 gegen Island Heinz Lindner und Ramazan Özcan Spielpraxis sammeln durften, ist ein offenes.

Routinierte Kräfte für die Viererkette

Als wahrscheinlich gilt, dass in der Viererkette diesmal György Garics, Sebastian Prödl und Emanuel Pogatetz zum Zug kommen – ein Trio mit reichlich Erfahrung als ÖFB-Stammspieler. Links dürfte wieder Markus Suttner auflaufen. Der Austrianer lieferte gegen Island eine ordentliche Leistung ab und ist nach der Abreise von Andreas Ulmer ohnehin konkurrenzlos.

Da auch Christoph Leitgeb nicht mehr mit von der Partie ist, kommt es im zentralen Mittelfeld zwangsläufig zu zumindest einer Änderung. Der lange verletzte Mainz-Legionär Julian Baumgartlinger brennt auf seine Startelf-Rückkehr. Möglich, dass sich Debütant Stefan Ilsanker mit seiner guten Performance am Freitag eine zweite Chance erarbeitet hat.

Die Besetzung des Offensiv-Quartetts erscheint offen. Einerseits gibt es für Koller nach dem Island-Spiel keinen Grund, Marko Arnautovic oder Marcel Sabitzer aus der Mannschaft zu nehmen. Andererseits drängt es sich auf, Andreas Ivanschitz die Gelegenheit zu geben, sein Können von Anfang an unter Beweis zu stellen.

Sollte der Teamchef Zlatko Junuzovic eine Pause gönnen, stünde Lukas Hinterseer parat. Als Solo-Spitze könnte wieder einmal Andreas Weimann eine Chance bekommen. Marc Janko ging schon nicht ganz fit ins Island-Spiel, was ihm anzusehen war. Gut möglich, dass er diesmal die Joker-Rolle einnimmt.

Auf sein Nationalteam-Debüt hofft weiterhin Michael Liendl. Dieses durfte in Innsbruck Youngster Valentino Lazaro feiern. Eine Nominierung in der Startelf wäre aber wohl eine kleine Überraschung.

Wechsel nicht aus Leistungsgründen

Grundsätzlich stellt Koller klar, dass personelle Änderungen keine Rückschlüsse auf die Leistung gegen Island zulassen würden:

„Wenn ich den einen oder anderen Wechsel mache, heißt das nicht, dass einer schlecht gespielt hat, sondern wir möchten auch die anderen sehen. Wir möchten im letzten Spiel, bevor es losgeht, sehen, wer bereit ist und auch für Schweden in Frage kommen könnte.“

Dass sich sein Gegenüber Pavel Vrba unverhältnismäßig viele Spieler im Hinblick auf die kommende Qualifikation anschauen möchte und somit eine Art B-Elf aufbietet, verärgert Koller laut eigener Aussage nicht. Bis auf West-Bromwich-Stürmer Matej Vydra steht kein einziger Legionär im Kader.

„Hätte Drobny und Lastuvka gerne wiedergesehen“

„Wobei ich mich gefreut hätte, zum Beispiel meine früheren Bochum-Torhüter Jaroslav Drobny und Jan Lastuvka wieder zu sehen“, bedauert der Schweizer, der sich selbst schwer tut, die Klasse des Dienstags-Gegners einzuschätzen:

„Ich kenne die Spieler aus der tschechischen Liga nicht so, dass ich sagen könnte, die sind so viel schlechter oder besser. Ich weiß aber selbst auch: Wenn neue Spieler dazukommen, sind die motiviert, vielleicht das erste Länderspiel machen zu können. Also wird das in diesem Sinne sicher nicht leichter für uns, als wenn Rosicky, Jiracek und all die Stars hier wären.“

Dass man den Gegner diesmal nicht so gut kennt, weil er noch nie in dieser Konstellation zusammengespielt hat, würde bedeuten, dass man sich noch mehr darauf konzentrieren müsse, die eigene Leistung auf den Platz zu bekommen.

Tschechien als unbekannte Größe

Auch wenn er seine Schützlinge diesmal nicht so detailliert auf den Kontrahenten einstellen konnte wie gewohnt, glaubt Koller sehr wohl, dass sich die tschechischen Grundzüge nicht ändern würden: „Ich glaube schon, wenn ich die letzten Spiele vergleiche, dass jedes Land einen gewissen Stil hat. Das habe ich versucht, dem Team zu vermitteln. Es wird aber auch die eine oder andere Unbekannte mit dabei sein.“

Das ÖFB-Team macht also so oder so eine neue Erfahrung. Vielleicht auch jene, eines zweiten Auswärtssieges in Folge.

Peter Altmann