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Koller: "Ich bin eigentlich schon wieder weiter"

Koller:

Drittes Spiel, zweiter Sieg.

Die akribische Arbeit von Teamchef Marcel Koller schlägt sich langsam in Ergebnissen nieder, auch wenn nach dem 3:2-Sieg gegen die Ukraine jedem im ÖFB-Lager bewusst ist, dass noch jede Menge Arbeit wartet.

Dennoch hat sich das Nationalteam mit dem Auftritt in Innsbruck weiteren Kredit bei den Anhängern erarbeitet, was Koller sehr wichtig ist.

Am Tag danach verglich er diese zunehmende Rückendeckung mit einem „kleinen Pflänzchen, bei dem es wichtig ist, das wir es weiter mit Wasser gießen“.

Für den Schweizer wäre es natürlich ideal, wenn er für sein Vertrauen in Marko Arnautovic jedes Mal einen Doppelpack ernten könnte.

Der Werder-Legionär feierte seinen Siegtreffer innig mit dem Teamchef. „Plötzlich kommt da so ein Panzer auf mich zu. Es war ein schönes Statement, das er da abgegeben hat“, freute sich Koller.

In seiner Nachbetrachtung ging der 51-Jährige ausführlich auf Licht und Schatten des Erfolgserlebnisses gegen den EURO-Gastgeber ein:

TEAMCHEF MARCEL KOLLER…

…ÜBER DIE WICHTIGKEIT DES SIEGES GEGEN DIE UKRAINE:

Es ist natürlich absolut wichtig, damit das Team auch sieht, es lohnt sich, so zu arbeiten. Es ist aber auch wichtig, das nicht zu hoch zu bewerten, weil das auch wieder Gefahren birgt. Ich habe dem Team das Beispiel Schweiz genannt: Die haben Deutschland mit 5:3 geschlagen, verlieren drei Tage später gegen Rumänien 0:1, und der ganze Zauber, den man sich als kleineres Team durch einen Sieg gegen ein Top-Team erhofft, ist dann eigentlich weg. Das Team hat jetzt dem Publikum etwas gezeigt, das Publikum hat das zurückgegeben und uns unterstützt. Ich habe der Mannschaft gesagt, wir müssen von uns etwas bringen. Das hat sie umgesetzt. Das ist wie ein kleines Pflänzchen, bei dem es wichtig ist, dass wir es weiter mit Wasser gießen. Wir müssen weiter dran bleiben. Wir können den Sieg heute noch genießen, man merkt auch, dass sich die Zuschauer freuen, jeder klopft dir auf die Schulter. Aber es ist wichtig, das auch richtig einzuordnen.

…DARÜBER, OB ER STOLZ IST, DASS SEINE AKRIBISCHE ARBEIT MIT ERGEBNISSEN UNTERMAUERT WIRD:

Ich freue mich natürlich über den Sieg, für die Jungs, für das ganze Betreuerteam – ich bin aber eigentlich schon wieder weiter. Für mich ist das schon wieder abgehakt. Ich nehme das mit, kann es aber auch einschätzen. Das ist auch für das Team das Wichtigste. Am Dienstag müssen wir wieder bei Null beginnen. Wir haben 3:2 gewonnen und alles läuft von allein? Nein. Wir müssen genauso wieder die weiten Wege machen. Wenn sich das im Ergebnis widerspiegelt, ist für die Seite der Öffentlichkeit wichtig, dann ist man wieder einen Schritt weitergekommen. Wir schauen natürlich ein bisschen anders auf das, was für uns wichtig ist. Es ist jedoch wichtig, dass die Leute hinter uns stehen, dass man vielleicht auch einmal einen Fehler machen kann. Denn es wird Rückschläge geben, das ist wie das Amen in der Kirche. Aber auch das gilt es dann richtig einzuschätzen, damit wir uns weiterentwickeln.

…ÜBER DIE ERKENNTNISSE DES UKRAINE-SPIELS:

Den Ablauf eines Spiels kann man in dem Sinn nicht planen, dass man in jeder Partie das rüberbringen kann, was man sich in der Theorie wünscht oder erarbeitet. Das sind Dinge, die wir sehen, und wir sind eigentlich auch froh darüber. Jetzt haben wir drei Spiele mit dem Team gespielt, und es gibt immer mehr Informationen: Wo müssen wir nachhaken? Was müssen wir anschauen? Das war gestern auch wieder so. Wir hatten ein bisschen ein Problem mit Devic und Voronin, die ab und zu weit vorne bei den Innenverteidigern waren, dann hat sich aber immer wieder einer fallen lassen. Wir wussten das, darum haben wir gesagt: Wichtig ist, dass die vier Verteidiger und die vier Mittelfeldspieler eng zusammenstehen – so auf zehn Meter, dass man das eng macht. Es ist aber schwierig, dann immer wieder als Ganzes zu verschieben, und die Ukraine hat auch die Klasse, um das zu sehen, so dass dann gewisse Schwierigkeiten auftauchten.

…ÜBER POSITIVE ASPEKTE:

Die Ukraine hat am Montag gegen Estland sehr gute vertikale Bälle gespielt. Da hatten die Esten riesige Probleme. Darauf haben wir das Team vorbereitet. Wir wollten, dass diese Bälle nicht gespielt werden, und es ist ihnen auch nur einmal gelungen, am Anfang der ersten Halbzeit, weil wir die Mitte eng gemacht und die Pässe durch die Mitte nicht zugelassen haben. Auch das Hinterlaufen, was die Ukraine normal sehr gut macht, haben wir hervorragend gelöst. In der Ukraine haben wir aus solchen Situationen noch zwei Gegentore bekommen. Das heißt: Die Spieler nehmen das auf.

…DARÜBER, DASS ER SCHON ÜBER EINE AUSWECHSLUNG VON MARKO ARNAUTOVIC NACHDACHTE, SICH JEDOCH DAGEGEN ENTSCHIED:

Wenn man an der Linie steht, beobachtet man das Spiel und weiß, was ein Spieler bringen kann. Bringt er es vielleicht nicht, bespricht man sich mit den Co-Trainern: „Komm, was können wir machen, sollen wir einen Wechsel vornehmen?“ Wichtig ist trotzdem immer, die Ruhe zu bewahren. Wenn man dann belohnt wird, und er so ein geiles Tor macht, ist es natürlich etwas Schönes.

…DARÜBER, OB ER GEGEN RUMÄNIEN ANDEREN SPIELERN EINE CHANCE GIBT:

Wir müssen noch ein bisschen warten und sehen, wie die Spieler regenerieren. Ganz durchmischen werden wir nicht, aber wir werden sicherlich die eine oder andere Position ändern.

…ÜBER DEN ENTWICKLUNGSPROZESS EINES TEAMS:

Das sage ich immer wieder: Das geht nicht von heute auf morgen. Wenn ich ein Team übernehme und es jeden Tag zur Verfügung habe, brauche ich ein halbes Jahr, um das in die Köpfe zu kriegen und umzusetzen, was ich schlussendlich sehen will. Ich bin zwar schon ein halbes Jahr hier, aber mit dem Team habe ich vielleicht 15 Tage gearbeitet. Das ist dann schon noch ein Unterschied.

…ÜBER DEN WEITEREN WEG MIT DEM ÖFB-TEAM:

Ich hoffe, man wird irgendwann einmal sehen, wie die Handschrift immer aussehen soll. Die Grundprinzipien im Defensiv- und Offensivverhalten sind Dinge, die immer wieder kommen werden. Das muss man wiederholen, bis es sich im Kopf festsetzt. Das wird die ganze WM-Qualifikation so sein, auch über den Auftakt gegen Deutschland hinaus. Wir versuchen, das so schnell wie möglich hinzukriegen, wissen aber auch, dass es immer Rückschläge geben kann.

Aufgezeichnet von Peter Altmann

…ÜBER DIE NOMINIERUNG VON PAUL SCHARNER IN DER INNENVERTEIDIGUNG:

Wir wollten ein Bild bekommen, wie er da spielen kann. Er ist ein sehr positiver Mensch, der sich ins Team einbringt, der versucht, vorne wegzugehen. Das ist für uns schön zu sehen.

…DARÜBER, OB ALEKSANDAR DRAGOVIC AUFGRUND EINER ERZIEHERISCHEN MASSNAHME NICHT GESPIELT HAT:

Das hatte absolut nichts damit zu tun. Ich wollte Paul einmal auf dieser Position sehen. Drago wird, das haben wir schon abgeklärt, gegen Rumänien spielen.

…ÜBER DIE LEISTUNG VON DAVID ALABA:

Bei David hat man sicher gerade am Ende gesehen, dass die Kräfte vielleicht ein bisschen nach unten gingen. Das ist aber völlig normal. Er ist für uns auf dieser zentralen Position ein wichtiger Spieler. Das hat er in den beiden Länderspielen davor gezeigt, wo er sehr viel Initiative gezeigt hat, ob das im Pressing oder im Ballbesitz mit Zug und Pässen nach vorne war. Da habe ich keine Bedenken, dass er das nicht umsetzen kann.

…DARÜBER, DASS SICH DAS KADERANGEBOT VERGRÖSSERT HAT:

Das hat sich absolut erweitert. Wir haben immer wieder kommuniziert: Wir brauchen nicht nur elf Spieler, wir brauchen nicht nur 23 Spieler, es soll alles ein bisschen größer sein. Das habe ich auch am Anfang dieses Lehrgangs gesagt. Es ist zwar schade für die, die wegen Verletzungen nicht dabei sein konnten, auf der anderen Seite ist es aber gut für jene, die dazugekommen sind. Die hatten wir ein halbes Jahr beobachtetet, und meine Eindrücke haben sich hier bestätigt. Man kann sagen, dass sich die Jungs gut eingebracht und wir den Spielerpott vergrößert haben. Wir haben sie besser kennengelernt – auf der einen Seite menschlich, auf der anderen Seite vom Training und vom Einsatz her.