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"Dann hätten wir hundertprozentig Titel geholt"

Goalgetter wird aus Julian Baumgartlinger vermutlich keiner mehr.

Genau ein Liga-Treffer steht aus den vergangenen drei Saisonen bei der Austria und in Mainz zu Buche. Umso mehr nimmt sich der 24-Jährige vor, dieses Manko auszumerzen.

Ansonsten zieht der Salzburger eine positive Bilanz seiner ersten Saison in der deutschen Bundesliga, mit Ex-Arbeitgeber Austria verspürt er indes Mitleid.

Im LAOLA1-Interview spricht Baumgartlinger über die titellose Generation der Veilchen, die Lehren aus Jahr eins bei Mainz und das Feilen an neuen Konzepten im Nationalteam.

LAOLA1: Deine erste Saison in der deutschen Bundesliga ist Geschichte. Du bist auf 26 Einsätze und fünf Assists gekommen. Zufrieden?

Julian Baumgartlinger: Sehr. Natürlich waren bei Mainz auch immer viele Rotations-Mechanismen im Spiel, deswegen bin ich immer wieder mal rausgerutscht, auch nachdem ich ein gutes Spiel gemacht habe. Aber ich bin mit der Zahl beziehungsweise der Art und Weise der Einsätze zufrieden, auch mit den Ergebnissen. Deshalb ziehe ich eine positive Bilanz des ersten Jahres.

LAOLA1: Wo hast du dich am meisten weiterentwickelt?

Baumgartlinger: Eine gewisse Umstellung braucht man. Es dauert doch zwei, drei Monate, bis man drinnen ist, sich das Tempo in der Bundesliga, die Taktik im eigenen Verein und die Abläufe angeeignet hat. Ich glaube, dass ich sehr viel in Bezug auf Mannschaftstaktik und offensives Verteidigen, worauf Trainer Tuchel sehr viel Wert legt, gelernt habe. Das kann man auch hier im Nationalteam einbringen.

LAOLA1: Was nimmst du dir für die kommende Saison vor?

Baumgartlinger: Auf jeden Fall nicht weniger Einsätze als dieses Jahr – tendenziell mehr, auch von Beginn an. Einfach auch eine Weiterentwicklung, was alle meine Aufgaben auf der Sechs angeht - vielleicht noch mehr Assists, selbst einmal zum Torerfolg zu kommen.

LAOLA1: Auch bei der Austria hast du nicht viele Tore gemacht – ein Liga-Treffer in zwei Saisonen. Inwiefern feilst du an diesem Manko?

Baumgartlinger: Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Aus der defensiven Mittelfeldposition kommt man doch immer wieder nach vorne. Ich habe teilweise auch in der Raute halbrechts gespielt, da bin ich sowieso viel mehr in die Offensive miteingebunden. Da kann es nur ein Ziel von mir sein, mehr zum Abschluss zu kommen und eben das eine oder andere Tor zu erzielen. Das möchte ich auf jeden Fall so schnell wie möglich verbessern.

LAOLA1: Du hast vorher das offensive Verteidigen angesprochen. Inwiefern kann man Parallelen zum Nationalteam ziehen, wo in diesem Lehrgang bisher intensiv an Defensivkonzepten gearbeitet wurde?

Baumgartlinger: Richtig, im Moment wird die Defensive bei uns sehr groß geschrieben. Es wird versucht, theoretisch und praktisch sehr viel zu arbeiten. Ich glaube, dass Marcel Koller da auch eine sehr moderne Sichtweise von den ganzen Dingen hat und uns versuchen lassen will, sehr offensiv und nach vorne zu verteidigen. Daran arbeiten wir momentan intensiv.

LAOLA1: Unterscheidet sich die Herangehensweise sehr von dem, was du aus dem Verein kennst, oder sind die Grundprinzipien ähnlich?

Baumgartlinger: Jeder Trainer hat seine eigenen Ideen, aber am Ende des Tages ist es doch relativ ähnlich von der Art und Weise, welche Ziele man hat.

LAOLA1: Wie lange dauert der Prozess, bis Automatismen greifen? Zum Beispiel auf deiner Position im zentralen Mittelfeld die Aufgabenteilung mit David Alaba.

Baumgartlinger: Es ist schwierig, das in einen genauen Zeitrahmen zu fassen. Wir haben die letzten Spiele miteinander gespielt, kennen uns schon gut. Es geht ohnehin eher um den ganzen Mannschaftsverbund. David und ich sind zwar in der Mitte des Spiels, aber es kommt auch immer drauf an, wie die Abwehr mit uns rausschiebt, ob die Stürmer schon vorne attackieren. Da gilt es mit allen zusammen den Mittelweg zu finden, dass wir aggressiv aber trotzdem kompakt sind.

LAOLA1: Bis zum Auftakt der WM-Qualifikation gegen Deutschland dauert es noch drei Monate. Wie weit seid ihr am Weg zum Schlager gegen Deutschland?

Baumgartlinger: Viel Zeit ist eigentlich nicht mehr. Das Spiel ist zwar erst im September, aber jetzt ist der einzige lange Lehrgang, in dem wir uns speziell und mit viel Zeit und Aufwand vorbereiten können. Im August ist es nur ein kurzer Termin, um zu schauen, ob alles schon so greift, wie wir uns das vorgenommen haben. Es braucht noch ein bisschen, auch ein, zwei Spiele, aber die haben wir. Dann hoffe ich, dass wir bereit sind.

LAOLA1: Bezüglich WM-Qualifikation werden die Töne aus dem ÖFB-Team offensiver. Die Zeit des Aufbaus sollte vorbei sein, oder?

Baumgartlinger: Natürlich! Man hat einfach nicht die Zeit, zu sagen, jetzt bauen wir zwei, drei Jahre auf. Das brauchen wir auch definitiv nicht, denke ich. Man sieht, mit jedem Jahr kommen mehr Spieler ins Ausland, viele sind auch Leistungsträger in ihren Vereinen - auch die Spieler in Österreich sind Leistungsträger, verbessern sich, wechseln zu besseren Vereinen. Deswegen denke ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Unser Ziel kann nur Rang zwei sein.

LAOLA1: Hast du in der abgelaufenen Saison eigentlich mit der Austria gelitten?

Baumgartlinger: Selbstverständlich. Ich habe zwei Jahre eine wirklich schöne Zeit gehabt und habe nach wie vor viele Freunde in Wien. Es ist natürlich schade, wenn man sieht, dass dieses Jahr überhaupt nichts funktioniert hat, speziell in der Rückrunde, und auch das Minimalziel Europacup verpasst worden ist. Aber ich denke, dass die Austria daraus wieder lernen und wieder zurückkommen wird.

LAOLA1: In den vergangenen drei Jahren wurde kein Titel geholt. Hat die Austria aus einer talentierten Spielergeneration zu wenig herausgeholt? Inzwischen sind viele hochkarätige Spieler weg…

Baumgartlinger: Dafür war die Zeit, in der wir da waren, vielleicht zu kurz. Junuzovic, Barazite, Dragovic, auch Schiemer oder Okotie: Wenn wir alle zwei Jahre länger geblieben wären, wären wir definitiv eine Mannschaft, die einmal einen Titel holen würde, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Aber die Austria hat von unserer Weiterentwicklung auch profitiert, indem sie Geld eingenommen hat. Das haben sie bewusst so gemacht. Dann muss man auch in Kauf nehmen, dass einmal so ein Jahr rausschaut.

Das Gespräch führte Peter Altmann