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"Als wir es erfahren haben, waren wir geschockt"

Österreich siegte 2:0, Gesprächsthema Nummer eins an diesem Länderspiel-Abend war jedoch „Paul Scharner 2.0“.

Als solchen bezeichnet sich der nunmehrige Ex-Teamspieler in einem Interview mit „News“, in welchem er mit drastischen Worten seinen überstürzten Abschied vom ÖFB-Team begründet.

Zwei Auszüge aus der „Wutrede“ des Neo-HSV-Legionärs: „Wenn jemand mit mir umspringt wie mit einem jungen Trottel, bin ich tief beleidigt. So geht man nicht mit mir um, so gibt es mit Sicherheit keinen Paul Scharner 2014.“

Teamchef Marcel Koller sei „weichgeklopft wie ein Schnitzel. Jetzt müssen sie ihn nur noch panieren, dann passt's. Dann ist er ein richtiger Österreicher. Er ist am Anfang super schweizerisch aufgetreten, super Linie gefahren, professionell. Aber scheinbar ist irgendwas im Sommer passiert.“

Scharners Brief an Koller

Zudem kündigte der 32-Jährige an, seinem Ex-Vorgesetzten einen Brief „mit klaren Fakten und Ansagen“ zu schreiben.

Die „ÖFB-Post“ hat den Brief pünktlich zugestellt. Den genauen Inhalt wollte Koller nach dem Sieg gegen die Türkei „nicht an die Öffentlichkeit tragen.“ Jedenfalls stünde in der schriftlichen Abhandlung „nichts, was mich erschüttert hätte.“

Erschütternder waren für den 51-Jährigen wohl andere Handlungen des Routiniers: „Das sind Dinge, die man nicht akzeptieren kann: Dass er mit Medien spricht, bevor er mit mir spricht. Dass er einen Stammplatz fordert.“

Kollers Konzept lässt sich mit der Floskel „Der Star ist die Mannschaft“ auf den Punkt bringen. Der Schweizer setzt auf ein homogenes Gebilde, dem sich jeder unterzuordnen hat.

„Unter mir wird er nicht mehr im Nationalteam spielen“

„Einer alleine wird die Quali nicht schaffen. Einer alleine wird auch kein Spiel verlieren. Das geht nur zusammen, und das ist auch meine Philosophie. Paul wollte diesen Weg nicht mitgehen, deswegen hat er die Konsequenzen getragen“, schildert der Eidgenosse, der ein Scharner-Comeback auch im Falle einer Entschuldigung kategorisch ausschließt:

„Unter mir wird er nicht mehr im Nationalteam spielen.“

In der Mannschaft regiert bezüglich des Verlusts des teils langjährigen Weggefährten das zwiespältige Gefühl aus Unverständnis auf der einen und Traurigkeit auf der anderen Seite. So gut wie jeder Akteur findet es, „schade, dass Paul nicht mehr mit dabei ist.“

„Als wir es erfahren haben, waren wir natürlich alle geschockt. Wir haben mit der Qualifikation ein großes Ziel vor Augen, die wollen wir positiv bestreiten, da braucht man jede Kraft, die zur Verfügung steht. Paul war immer ein wichtiger Teil der Mannschaft. Schade, dass er sich so entschieden hat. Wir sind alle vor vollendete Tatsachen gestellt worden“, erklärt etwa Christian Fuchs. Der Kapitän will den ehemaligen Mitspieler anrufen, um zu „fragen, was los war.“

„Enttäuschend, dass er sich gegen das Team entschieden hat“

Laut Martin Harnik müsse man Scharners Entscheidung „respektieren. Es ist aber natürlich sehr enttäuschend, dass er uns in der Qualifikation nicht zur Seite steht und sich gegen das Team entschieden hat.“

Erfahren hat die Mannschaft von den Entwicklungen in der Causa Scharner am Matchtag beim Mittagessen. „Wir sind sehr schnell damit konfrontiert worden, wir haben davon gar nichts gewusst“, erzählt Jakob Jantscher, „Paul ist einer, der sehr viel Erfahrung hat und viel fürs Nationalteam beigetragen hat. Deswegen hat uns das auch irgendwie schockiert und getroffen.“

Emanuel Pogatetz hielt wie Scharner jahrelang die rot-weiß-rote Fahne in der Premier League hoch, teilt mit dem Niederösterreicher seit 2006 die Erfahrung, nach einer Kritik vorübergehend aus dem ÖFB-Team ausgemustert zu werden und war bislang einer seiner Konkurrenten um einen Platz in der Innenverteidigung.

Der Steirer bedauert, „einen Spieler zu verlieren, bevor es ernst wird. Denn Paul hat sehr viel Erfahrung, und wenn solch ein Spieler nicht mehr zur Verfügung steht, ist es schade für die Mannschaft. Auf der anderen Seite tragen wir die Entscheidung des Teamchefs natürlich voll mit.“

„Im modernen Fußball gibt es keine Stammplatzgarantie“

Einen Stammplatz dürfe nämlich kein Spieler fordern. „Es spricht für uns, dass die Qualität gestiegen ist“, betont Pogatetz.

Beim Thema „Stammplatzgarantie“ kennt sich Andreas Ivanschitz aus. Im Laufe seines „Ausreden-Marathons“, warum er den Ex-Kapitän nicht einberufe, unterstellte Ex-Teamchef Didi Constantini dem Mainz-Legionär einst die Forderung nach einer solchen, was dieser stets entschieden in Abrede stellte.

„Im modernen Fußball gibt es keine Stammplatzgarantie, die kann man nicht fordern“, meint Ivanschitz nach wie vor, „der Teamchef hat auch ganz klar gesagt, dass wir eine Mannschaft von 25 Spielern sind, wo jeder die Berechtigung zum Spielen hat, wo sich jeder beweisen muss. Das ist ein gesunder Konkurrenzkampf, so sollte es im heutigen Fußball auch ablaufen.“

Die Entscheidung Kollers bezüglich Scharner könne er hundertprozentig nachvollziehen, ansonsten hielt sich der Burgenländer zurück: „Ich war wie alle anderen überrascht. Er lebt mit den Konsequenzen und muss damit leben.“

Scharners vertane Chance

Wie gut, wird sich weisen. Denn Scharner wurde nicht müde zu betonen, dass die Teilnahme an der WM für ihn eine „persönliche Angelegenheit“ sei.

Noch am Montag meinte er zum Thema Konkurrenzkampf in der Abwehrzentrale: „Umso größer, umso besser meiner Meinung nach, denn dann haben wir die richtige Qualität, um in der Qualifikation zu bestehen.“

Brasilien 2014 sei „für mich das größte Ziel, da ich wahrscheinlich das letzte Mal die Möglichkeit habe, mich für ein großes Ereignis zu qualifizieren. Da wird von meiner Seite einiges an Herzblut reinfließen.“

Die letzte Möglichkeit ist vertan, bevor es so richtig losging.


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