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"Das Wichtigste wird sein, punktgenau da zu sein"

„Ich spiele leider Gottes nicht mehr selbst Fußball, im Moment spiele ich leidenschaftlich gerne Tischfußball.“

Mit gewohnt kernigem Humor schildert Hermann Maier seine gegenwärtige Beziehung zum Fußball, zumindest was die aktive Komponente betrifft. Denn die Lebensweisheiten des österreichischen Ski-Idols sind auch rund um das runde Leder gefragt.

Was denn Fußballer von Skifahrern lernen können? „Wie man Weltmeister wird“, schmunzelt der 41-Jährige.

Ein Gag mit realem Hintergrund. Vor der WM in Brasilien lud der DFB den „Herminator“ ins Trainingslager nach Südtirol, um ihn über Erfolge und Rückschläge in seiner Karriere referieren zu lassen. Vielleicht ein kleines Mosaiksteinchen am Weg zum WM-Titel.

Koller: „Für mich ist er die personifizierte Konsequenz“

Die deutsche Ausgangsposition, bei jedem Antreten der Favorit zu sein und punktgenau die Leistung abrufen zu müssen, kennt Maier aus seiner aktiven Laufbahn bekanntlich bestens.

Dies wiederum ist nur bedingt eine Stärke des österreichischen Fußballs, weshalb Teamchef Marcel Koller ebenfalls gerne auf das Know-how der Pisten-Legende zurückgreifen und im Zuge der EM-Qualifikation einen Vortragstermin vereinbaren möchte.

„Für mich ist er die personifizierte Konsequenz“, erklärt der Schweizer, „Hermann hat in seiner Karriere unglaubliche Erfolge gefeiert, mit seinen Verletzungen aber auch das Negative erlebt. Wenn du verletzt bist und wieder zurückkommen willst, brauchst du unglaublichen Willen, musst sehr viel Charakter zeigen. Diesen Weg zu verfolgen und konsequent zu gehen, da kann auch jemand aus einer anderen Sportart helfen.“

Dass sich Maier mit der „anderen Sportart“ beschäftigt, weiß er zu beweisen. Einen Tag vor dem vermutlichen Karriereende von Marlies Schild, lässt ihn jedoch auch der Skisport nicht ganz kalt.

HERMANN MAIER…

…ÜBER SEINE HILFE FÜR DAS ÖFB-TEAM:

Mir liegt der Fußball sehr am Herzen. Ich habe die Einladung vom DFB, die Mannschaft vor der WM im Trainingslager in Südtirol zu besuchen, sehr genossen. Ich habe dort über meinen Werdegang geplaudert, über Siege und Rückschläge. Es hat mich sehr überrascht, das Interesse zu sehen. Mir gefällt der Weg, den das DFB-Team geht, Athleten aus verschiedenen Sportarten ihren Werdegang erklären zu lassen. Teamchef Marcel Koller ist auf die Idee gekommen, im Zuge der EM-Qualifikation etwas Ähnliches zu machen. Vielleicht kann ich das eine oder andere mitgeben, vielleicht kann sich jemand aus den Erfahrungen meiner aktiven Laufbahn etwas herausfiltern, auch wenn es nur ein kleiner Teil sein sollte. Ich bin aber kein Sportpsychologe oder Guru, sondern es geht nur darum, über meine aktive Karriere zu sprechen. Das wird mein Part sein. Ich werde nicht aktiv am Feld stehen und Tore schießen… (lacht)

…ÜBER SEINEN WUNSCH, DASS SICH ÖSTERREICH FÜR DIE EM QUALIFIZIERT:

Dem ÖFB-Team wünscht man, das große Ziel der Qualifikation zu erreichen. Ich bin wie die anderen Millionen Österreicher ein Zuseher und wünsche mir, dass wir das schaffen und uns dann auf ein großes Turnier freuen können. Es wird auch haarige Situationen geben. Zu sagen, man startet als großer Favorit, wäre vermessen. Das wissen wir alle miteinander. Aber trotzdem sind die Chancen vorhanden. Man muss positiv ans Werk gehen.

…DARÜBER, OB DAS NATIONALTEAM WEITER IST ALS DER KLUBFUSSBALL:

Auf alle Fälle. Normalerweise sagt man immer, im Nationalteam sollte das Beste aus einem Land auf dem Platz stehen. Bei gewissen Ländern muss man das sicherlich in Frage stellen, aber bei Österreich ist das ganz klar. Unsere Besten spielen im Ausland. Es gibt inzwischen Gott sei Dank genügend Legionäre, vor allem viele, die in Deutschland spielen. Ich glaube, dass das ein riesengroßer Vorteil ist. Jetzt gilt es das Ganze umzusetzen. Das Wichtigste wird sein, punktgenau da zu sein.

…ÜBER DIE KUNST, PUNKTGENAU DA ZU SEIN:

Es ist natürlich ein Unterschied, Skisport ist im Großen und Ganzen ein Einzelsport, Fußball ein Mannschaftssport. Von dem her müssen sehr viele einen Top-Punkt erwischen. Bei großen Mannschaften genügen natürlich auch gewisse Einzelspieler.

…ÜBER SALZBURGS SCHEITERN IN DER CL-QUALI:

Das ist sicherlich sehr schade. Letztes Jahr war die Darbietung in der Europa League sehr beeindruckend. Ich hätte ihnen sehr viel zugetraut. Aber leider Gottes hat es genau in dem Moment, in dem es um alles ging, nicht geklappt. Da kann man nicht jammern, da muss man einfach durch.

…ÜBER DIE MÖGLICHEN AUSWIRKUNGEN SEINES VORTRAGS:

In Wahrheit ist es ein kleiner Teil. Es geht eigentlich nur darum, unter Sportlerkollegen seine Erfahrungen weiterzugeben. Das ist mehr oder weniger ein Freundschaftsdienst. Vielleicht kann einer etwas daraus mitnehmen, ein anderer vielleicht überhaupt nicht. Vielleicht interessieren diese Dinge teilweise gar nicht. Aber man merkt einfach, es gibt Spieler, bei denen dieser Drang da ist, nach oben zu kommen, aber auch aus Rückschlägen Erfahrungen zu gewinnen. Und die passieren sehr oft und sind in Mannschaftssportarten noch härter, weil sofort ein anderer da ist, der deinen Posten besetzt.

…DARÜBER, WAS FUSSBALLER VON SKIFAHRERN LERNEN KÖNNEN:

Man kann lernen, wie man Weltmeister wird…(grinst). Natürlich ist Fußball noch einmal auf einem anderen Level als der Skisport. Trotzdem muss jeder in seiner Sportart individuell versuchen, ganz nach oben zu kommen. Das ist das Um und Auf. Jeder hat bestimmte Strategien, das zu schaffen. Es ist oft sehr interessant, näherzubringen, wie man das geschafft hat. Auch nur einen kleinen Teil herauszufiltern, kann oft – speziell in einer Mannschaftssportart – sehr viel versetzen.

Hermann Maier glaubt nicht, dass Marlies Schild in ein schwarzes Loch fällt

…ÜBER DEN BEVORSTEHENDEN RÜCKTRITT VON MARLIES SCHILD:

Ich kann ja nicht vermelden, dass die aufhört, das muss sie selbst verkünden. Aber man kann es annehmen. Sie wird sicher gut vorbereitet sein. Man kennt sie als sehr leidenschaftliche Sportlerin, die sehr ehrgeizig ist und viel dem Erfolg untergeordnet hat. Dieser Moment ist schon etwas Eigenes, wenn man seinen Kindheitstraum aufgibt, obwohl man noch alle Möglichkeiten hätte, weiterzumachen. Das ist sicherlich etwas Hartes, was man in Österreich vielleicht nicht so gewohnt ist, weil man immer alles bis zum Letzten ausnützt und dann ist es irgendwann vorbei. Als eigentlich Gesunder aufzuhören, ist sicher schwierig. Wenn sie überhaupt aufhört…

…DARÜBER, WAS ER AN MARLIES SCHILD BESONDERS SCHÄTZT:

Sicherlich die große Leidenschaft, die sie an den Tag gelegt hat. Sie hat den Erfolg konsequent verfolgt. Wenn man mit dem Slalom nur eine Disziplin fährt, ist das so eine Sache, weil es nur wenige Rennen gibt. Sie hatte verletzungsbedingte Rückschläge – danach immer wieder an die Spitze zurückzufinden, ist die große Kunst.

…DARÜBER, WIE MAN ES VERHINDERT, NACH DER KARRIERE IN EIN SCHWARZES LOCH ZU FALLEN:

Ihr wird das sicher nicht so schwer fallen. Sie ist eine Frau und in einer guten Beziehung mit Benni Raich, daher glaube ich, haben sie genügend Ziele, an denen sie basteln können, damit sie in kein schwarzes Loch fällt. Ich nehme an, es wird eher der Himmel aufgehen…(schmunzelt)

…DARÜBER, WIE PRÄSENT DER TAG SEINES RÜCKTRITTS BEI IHM NOCH IST:

Eigentlich gar nicht so, inzwischen sind schon fünf Jahre vergangen. Mich hat das schwarze Loch Gott sei Dank nicht erwischt. Es war nicht der Zeitpunkt, an dem es vorbei war, sondern an dem ein anderer Teil begonnen hat. Das Schönste war, einmal Abstand zu gewinnen und nicht durch rote und blaue Tore fahren zu müssen, sondern abseits des ganzen Ski-Rummels die Natur zu genießen, was bei uns in Österreich wunderbar ist. Wenn man in der glücklichen Situation ist, dass man recht gut Skifahren kann und das mit der Natur verbinden kann: Gibt es eine bessere Sportart? Das habe ich nach meiner aktiven Zeit sehr geschätzt.


Aufgezeichnet von Peter Altmann

…ÜBER DIE KÖRPERLICHE KOMPONENTE IM FUSSBALL:

Das Entscheidende ist das positive Denken. Das zeichnet normalerweise einen Sportler aus. Inzwischen ist im Fußball aber auch die körperliche Komponente sehr intensiv geworden. Das ist sicher eine sehr große Herausforderung. Die wirklichen Spitzenspieler werden in ihren Ligen, im Nationalteam oder im Europacup sehr gefordert. Die große Kunst ist dabei, fit zu bleiben, sich zu regenerieren und dann seine Leistung zu bringen. Es gibt auch viele Spieler, die das bei Großevents nicht so umsetzen können.

…ÜBER DAS ERLANGEN DER FITNESS:

Ein Rubin Okotie trainiert zum Beispiel bei Heini Bergmüller, und das hat sehr gute Auswirkungen. Diese Dinge passieren aber nicht von heute auf morgen. Sicher kann man das auch einmal schnell hinbiegen, aber im Endeffekt muss einmal eine große Grundsubstanz da sein, die man dann stärkt und kontinuierlich aufbaut.

…ÜBER DAVID ALABA:

Natürlich verfolge ich ihn. Ich war auch schon bei Bayern München im Stadion, aus Salzburg ist es ja nicht weit. Es ist einfach das Höchste, wenn man ganz oben in einer absoluten Top-Mannschaft der Welt mitspielt. Was gibt es Schöneres für einen Sportler, als daran teilzuhaben und als Stammspieler ans Werk zu gehen? Er steht zudem noch mehr oder weniger am Beginn, ist noch jung, also ist noch sehr viel möglich. Er hat schon sehr viel erreicht und es kommt noch sehr viel.