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"Schicksalsspiel ist im Fußball das falsche Wort"

„Ich halte nicht viel von Aberglaube.“

Marcel Koller tut das, was er immer tut. Er arbeitet akribisch im Vorfeld eines Spiels und bereitet seine Mannschaft gezielt darauf vor, ohne viele Worte zu verlieren.

So gar nicht seine Art ist es, mit Informationen zu seiner Aufstellung, der taktischen Ausrichtung oder anderen Plänen herauszurücken.

Die Schweden sind da anders. Spion Reine Almqvist plauderte im Vorfeld offen über die von Seiten der „Tre Konor“ erwarteten ÖFB-Aufstellung und ließ tief blicken. Zudem war das Training öffentlich zugänglich.

Doch so abgebrüht ist Österreichs WM-Quali-Gegner vom Freitag dann doch wieder nicht. Denn bei ihm scheint Aberglauben doch eine kleine, nicht unentscheidende Rolle zu spielen.

Abergläubische Schweden

Statt wie gewohnt das Abschlusstraining am Austragungsort zu bestreiten, zieht es Teamchef Erik Hamren vor, die letzte Einheit in der Heimat zu bestreiten und nur eine Platzbegehung in Wien vorzunehmen.

Die Statistik in Österreichs Hauptstadt spricht klar gegen die Schweden. Bei elf Aufeinandertreffen in Wien ging das ÖFB-Team acht Mal als Sieger und drei Mal mit einem Remis vom Platz. Ob es sich aufgrund der verspäteten Anreise um Aberglauben handelt?

„Ich kenne die Ideen dahinter nicht. Ich weiß nicht, ob es Aberglauben ist oder nur eine Vorbereitung, um sicher zu gehen und keine Hektik reinzubringen. Die Schweden haben sich halt so entschieden“, lassen Koller die Methoden des Gegners kalt.

Zwar höre sich die Statistik aus seiner Sicht gut an, doch diese könne in jedem Spiel geändert werden. So auch am Freitag, wenn wieder einmal alles bei Null beginnt.

ÖFB-Team „voll im Saft“

Trotz einer langen Saison gilt es für jeden Einzelnen, sich noch einmal für das richtungsweisende WM-Quali-Duell zu überwinden.

Das macht es dem Teamchef noch schwerer, eine Entscheidung bezüglich seiner Startelf zu treffen. Während es auf einigen Positionen keine Überraschungen geben wird, sind andere noch offen.

Nicht zum ersten Mal in der Ära Koller stellt sich die Frage nach der Nummer eins, denn eine deutliche Tendenz ist kaum zu erkennen. Robert Almer, Heinz Lindner oder doch Ramazan Özcan?

Routine oder Spielpraxis in Torhüter-Frage?

Letzterer kann sich trotz einer starken Saison mit Ingolstadt als Backup fühlen. Gegen Almer spricht die fehlende Spielpraxis, gegen Lindner hingegen die fehlende Erfahrung.

„Das ist bei uns so eine Geschichte. Wir haben mit Robert gute Erfahrungen gemacht und er hat unser Vertrauen nicht enttäuscht. Als er verletzt war, hat Heinz zwei gute Spiele gemacht und überhaupt mit der Austria eine gute Saison gespielt.“

Allerdings will sich der Schweizer nicht zwischen Routine und Spielpraxis entscheiden. „Für uns ist das nicht entscheidend. Wir lassen das noch sacken. Natürlich wäre beides gut, es reicht aber auch eines davon.“

Selbst die Torhüter wissen noch nicht Bescheid, wem die große Stunde schlägt. Schließlich will man vor dem Abschlusstraining nichts verschreien.

Beinahe alles beim Alten in der Defensive

Fakt ist, dass der scheidende Düsseldorf-Legionär bei Koller einen Stein im Brett hat und seinem Konkurrenten in puncto internationaler Erfahrung einiges voraus hat, obwohl sich der Austria-Keeper gegen die Färöer und Irland nichts zu Schulden kommen ließ.



Almer hingegen kam beim deutschen Bundesliga-Absteiger in dieser Saison nicht über zehn Spielminuten hinaus, während Lindner in der Meistersaison jedes einzelne Spiel bestritt.

„Es kann immer was passieren, es bringt nichts, die Entscheidung vorher zu vermitteln. Es ist nichts in Stein gemeißelt“, bleibt Koller seiner Linie treu.

Während das defensive Mittelfeld aufgrund der Gelbsperre von Veli Kavlak auf David Alaba und Julian Baumgartlinger hinauslaufen wird und in der Abwehr György Garics, Aleksandar Dragovic und Christian Fuchs gesetzt sind, ist der zweite Innenverteidiger-Platz umkämpft.

Mit Emanuel Pogatetz und Sebastian Prödl rittern zwei Akteure, deren Saisonen durchwachsen waren, um den vakanten Posten. Ersterem werden aber Vorteile eingeräumt.

Harnik-Variante hat sich schon mehrmals bewährt

Bleibt noch die Frage nach der Offensive. Von der Stürmerwahl hängt vor allem die Dreierkette dahinter ab.

Das Bremen-Duo Zlatko Junuzovic und Marko Arnautovic darf mit der Startelf planen. Auch Martin Harnik spielt in den Plänen eine wichtige Rolle. Die Frage ist nur: Wo?

Es wäre nicht wirklich überraschend, wenn Koller den im DFB-Pokal-Finale unterlegenen Stuttgart-Legionär an vorderster Front aufbieten würde, schließlich trug dieses Konzept schon daheim gegen Deutschland und die Türkei Früchte. Auch in Kasachstan wurde auf diese Variante gesetzt.

Zudem müsste er dadurch auf keinen aus dem Trio Junuzovic, Arnautovic, Ivanschitz verzichten, wobei Letzterer im umgekehrten Fall als Wackelkandidat gilt.

Janko gegenüber Hosiner im Vorteil

Wird Harnik rechts aufgeboten, fällt die Entscheidung im Sturm zwischen Marc Janko, Philipp Hosiner und Andreas Weimann.

Die Erfahrung und körperliche Robustheit gegen die schwedischen Abwehrrecken spricht für den bei Trabzonspor in Ungnade gefallenen Routinier.

Die aktuelle Form spricht für Hosiner oder Weimann, wobei Ersterer jedoch auf internationaler Bühne nur gegen die Färöer, aber nicht gegen Irland überzeugen konnte.

Mit welcher Aufstellung auch immer gehe es laut Koller darum, die „sehr kompakten, eingespielten und taktisch auf sehr hohem Level eingestellten“ Schweden zu knacken.

Mit Lust, Laune und Leidenschaft

Die Erfolge und Leistungen der vergangenen Monate haben Lust auf mehr gemacht. So wird das Happel-Stadion einmal mehr mit 48.500 Zusehern bis auf den letzten Platz gefüllt sein.

„Es ist eine richtige Euphorie zu spüren, die Erwartungshaltung ist sehr hoch. Das haben wir uns selbst zuzuschreiben“, verweist Fuchs auf die zufriedenstellenden Leistungen.

Allerdings gehe diese Euphorie schon fast zu weit. „Aus meiner Sicht ist es übertrieben, dass wir von einigen sogar als Favorit gehandelt werden. Schweden war bis auf die WM 2010 bei allen großen Turnieren dabei. Es ist unsinnig, uns in die Favoritenrolle zu stellen.“

Schon gar nicht in einem Match wie diesem, wo viel auf dem Spiel steht. Allerdings gehe es laut Koller bei weitem noch nicht um alles oder nichts.

„Natürlich wollen wir gewinnen, aber Schicksalsspiel ist im Fußball das falsche Wort. Deshalb gibt der ÖFB-Chefbetreuer seinen Schützlingen ein besonderes Motto mit auf den Weg: "Wichtig wird sein, dass wir mit viel Lust und Laune spielen. Wir wollen Leidenschaft zeigen, das wollen die Fans sehen."


Alexander Karper/Peter Altmann