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"Ich muss vorangehen und mache das auch gerne"

Julian Baumgartlinger stellt sich nicht gerne in den Mittelpunkt. Gegen Russland wird seinem Spiel jedoch zwangsläufig mehr Augenmerk beigemessen werden.

Das Fehlen von David Alaba und die daraus resultierende Frage, wer das Ausnahmetalent im zentralen Mittelfeld ersetzen könnte, war eines der bestimmenden Themen vor dem wichtigen EM-Qualifikations-Duell.

Dass mit Baumgartlinger eine der Schlüsselfiguren der jüngsten beiden Siege gegen Moldawien und Montenegro als Konstante erhalten bleibt, ging in diesem Zusammenhang vielleicht ein wenig unter.

Gegen Montenegro lieferte der Mainz-Legionär vielleicht sogar das beste seiner bislang 34 Länderspiele ab. Kompromisslos im Zweikampf, zahlreiche Balleroberungen, gute Akzente im Spielaufbau – gemeinsam mit Alaba kontrollierte er das Schaltzentrum.

„Es waren sehr viele gute Aktionen dabei, aber es gibt immer Kleinigkeiten, die man verbessern kann“, bleibt der Salzburger trotz der gelungenen Darbietung selbstkritisch.

Der Aggressive Leader

Möglicherweise war es auch die Kritik von Teamchef Marcel Koller, die mithalf, Baumgartlingers Spiel auf das nächste Level zu heben. Der Schweizer forderte von der Laufmaschine eine etwas ökonomischere Spielweise, gegen Montenegro hätte die Umsetzung gestimmt, wie der Schweizer damals analysierte:

„Er ist ja eine Maschine, ist immer unterwegs und will bei jedem Ball und jedem Zweikampf dabei sein, ist auf dem ganzen Platz unterwegs. Das ist nicht immer gut. Wir haben immer wieder darüber gesprochen, ein bisschen ruhiger zu werden, ein bisschen Energie zu sparen und mit mehr Auge zu spielen. Wenn du im positiven und nicht im negativen Sinne eine Spur weniger läufst, musst du nicht überall dabei sein, kannst aber, wenn du dabei sein musst, volle Pulle geben. Das setzt er jetzt hervorragend um. Wir freuen uns, dass er so eine Entwicklung gemacht hat.“

Auch in den Vorbereitungs-Tagen im Hinblick auf das Russland-Match wurde wieder an der Herangehensweise Baumgartlingers gefeilt.

„Es wird wichtig sein, ein bisschen der Aggressive Leader zu sein, versuchen viele Zweikämpfe zu führen, viele Balleroberungen zu haben, vielleicht auch schon in der gegnerischen Hälfte – wer weiß, vielleicht agieren die Russen ein wenig defensiver, dann sind gerade diese Balleroberungen Gold wert, weil man dann schon näher am gegnerischen Tor ist“, verdeutlicht der 26-Jährige.

Die Führungsrolle

Das Wort Leader impliziert quasi Verantwortung. Dass er ohne Alaba an seiner Seite mehr davon zu tragen habe, verneint Baumgartlinger. Diese würde auf die komplette Mannschaft aufgeteilt, lehnt er die Rolle im Blickpunkt konsequent ab.

Wobei ihm freilich bewusst ist, dass er alleine positionsbedingt eine Führungsrolle einnehmen müsse: „Natürlich weiß ich, dass ich inzwischen auch schon das eine oder andere Länderspiel gemacht habe und auf einer zentralen Position spiele, deswegen muss ich vorangehen und mache das auch gerne.“

Bezüglich des neuen Partners an seiner Seite hat der Deutschland-Legionär keine Präferenzen: „Ich kenne alle drei gut und habe auch schon oft mit ihnen zusammengespielt. In den letzten Spielen waren wir im Mittelfeld anders aufgestellt, trotzdem glaube ich, dass wir das kompensieren können. Dass es schwierig ist, einen Spieler wie David zu ersetzen, wissen wir alle. Da muss sehr viel über die Gemeinschaft und den Teamspirit kommen, dass wir wirklich gemeinsam verteidigen, jeder die Bälle fordert. So wollen wir David würdig vertreten.“

Der Teamplayer

Zuletzt interpretierte er seine Rolle in der Aufteilung mit Alaba deutlich offensiver als gewohnt. Diese Akzente nach vorne hin hätten seinem Spiel noch einmal gut getan, wobei er als Teamplayer auch in diesem Punkt die gesamte Mannschaft in den Fokus rückt:

„Je mehr Spieler von uns offensive Aktionen einleiten können, desto positiver ist das für unser Spiel und desto unberechenbarer werden wir. Wenn das nur ein Spieler machen könnte, wäre das nicht gut. Das ist auch eine Entwicklung, die wir in letzter Zeit gemacht haben. Auch Florian Klein schaltet sich zum Beispiel immer wieder offensiv ein, hat hohe Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte. Das unterstützt unser Spiel positiv. Wenn das noch mehr machen können, wird es noch förderlicher.“

Umso förderlicher, wenn wie mit Russland ein defensiv gut organisierter Kontrahent wartet. Baumgartlinger wird nicht müde, die Vorzüge der „Sbornaja“ hervorzustreichen. Diesmal warte ein Gegner, der noch einmal über eine andere individuelle Qualität verfügen würde.

„Wir haben die Russen analysiert, viele Bilder gesehen und wissen, in welcher Formation sie in den letzten Spielen aufgelaufen sind und was auf uns zukommen kann. Es wird ein unangenehmer Gegner. Im Auswärtsspiel in Schweden zum Beispiel waren sie sehr unangenehm und giftig, hatten speziell im Konter wirklich hervorragende Aktionen und hätten das eine oder andere Tor mehr schießen müssen und das Spiel auch gewinnen können. Wir sind auf jeden Fall gewarnt und wissen, dass wir höllisch aufpassen müssen.“

Die große Chance

Speziell die Offensiv-Reihe sei sehr stark, vor allem Aleksandr Kokorin: „Der ist aus der Position des Zehners beziehungswiese der hängenden Spitze sehr gefährlich, weil er nicht wirklich zum Greifen ist. Ab und zu lässt er sich zurückfallen, oft geht er ganz in die Spitze.“

Dass man hierzulande viele der russischen Spieler kaum kennt und sie über keinen Topstar vom Schlage eines Zlatan Ibrahimovic verfügen, betrachtet Baumgartlinger wie viele seiner Kollegen als Nachteil: „Da sie wenige Legionäre haben, gegen die man selber spielt, kennt man sie natürlich weniger. Aber sie sind trotzdem in der Champions League und in internationalen Bewerben vertreten, bei der WM haben wir sie gesehen. Also die Qualität ist schon da, und wir kennen auf jeden Fall auch die Namen.“

Im Idealfall lernen die Russen am Samstag im Gegenzug einen Julian Baumgartlinger in der Form der letzten Länderspiele kennen. Dies würde die Wahrscheinlichkeit auf ein positives Ergebnis erhöhen. Im Hinblick auf die Qualifikation wäre ein Sieg natürlich enorm viel wert.

Eine große Chance, die sich das ÖFB-Team nicht entgehen lassen will: „Wir wollen den Heimspiel-Herbst ausnutzen, mit Russland ist die nächste Möglichkeit da. Wenn wir gewinnen, haben wir sehr viel aus den ersten Spielen herausgeholt.“

Peter Altmann