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"Deswegen hat der Weg so sein müssen"

Geduld ist ein bisweilen überstrapazierter Begriff.

Für so manches ÖFB-Kadermitglied war es jedoch eine lange Reise bis zu diesem speziellen Lehrgang.

Jenem Lehrgang, an dem womöglich erstmals seit 1997 aus eigener Kraft eine Qualifikation für einen Großevent geschafft wird.

Läuft dank schwedischer Schützenhilfe alles perfekt, bereits am Samstag bei einem Heimsieg gegen Moldawien. Oder vielleicht schließt sich der Kreis am kommenden Dienstag in Stockholm, wo vor zwei Jahren die Chance auf eine Teilnahme an der WM 2014 auf bittere Art und Weise vergeben wurde.

Gewinnt Österreich beide Spiele, wäre dem Nationalteam selbst der Gruppensieg nicht mehr zu nehmen.

„Es war ein aufbauender Weg“

LAOLA1 hat in diesem Artikel die jeweiligen Team-Debüts der ÖFB-Kicker nach Jahren aufgegliedert. Erfasst wurden die aktuellen Kadermitglieder exklusive des potenziellen Debütanten Michael Madl, aber inklusive der verletzten Martin Hinteregger, Christoph Leitgeb und Veli Kavlak, sowie des diesmal zwecks Spielpraxis bei der U21 geparkten Valentino Lazaro.

Gleich 16 Teamspieler haben ihr ÖFB-Debüt im vergangenen Jahrzehnt gefeiert. Freilich war nicht jeder durchgehend dabei. Die eine oder andere gescheiterte Qualifikation hat jedoch so gut wie jeder in den Beinen. Stichwort Geduld.

Rückschläge gab es in den vergangenen Jahren nämlich zahlreiche. War der Weg zur Ausgangsposition, endlich kurz vor einer Turnier-Qualifikation zu stehen, so gesehen ein langer, ein steiniger?

„Es war ein aufbauender Weg“, meint Julian Baumgartlinger, „es hat begonnen, als Didi Constantini uns junge Spieler hinzugenommen und eingesetzt hat. Da haben wir in den Qualifikationen aber keine große Rolle gespielt. Von den Ergebnissen her haben wir gesehen, dass wir noch nicht so weit sind. In der letzten Quali haben wir uns dann schon mehr zugetraut und auch mehr Ergebnisse gebracht. Das ist dann schon etwas anderes, denn wenn die Ergebnisse kommen, steigt auch das Selbstvertrauen und man merkt, dass man dort ist, wo man sein will.“

Nachsatz des Mainz-Legionärs: „Natürlich wollten wir auch vor sechs Jahren die Spiele gewinnen, aber da hat uns noch das eine oder andere gefehlt. Vor allem die Erfahrung. Deswegen hat der Weg so sein müssen.“

Viele Debüts unter Hickersberger und Constantini

Baumgartlinger stieß 2009 unter Constantini zum Nationalteam, ein erheblicher Anteil der aktuellen Nationalteam-Generation jedoch schon in den Jahren 2006 und 2007 unter Josef Hickersberger. Dem Trio Ramazan Özcan, Marko Arnautovic und Rubin Okotie verhalf während seiner kurzen Amtszeit Karel Brückner zum Debüt.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Zlatko Junuzovic Kanada (h) 0:2 1.3.2006 40/5
Marc Janko Kroatien (h) 1:4 23.5.2006 46/21
Christoph Leitgeb Kroatien (h) 1:4 23.5.2006 41/0
Christian Fuchs Kroatien (h) 1:4 23.5.2006 67/1
György Garics Liechtenstein (a) 2:1 6.10.2006 40/2

Hickersberger und Constantini machten aus der Not eine Jugend, wofür man ihnen durchaus Tribut zollen muss. Beide scheuten sich nicht, Talente ins kalte Wasser zu werfen und sie somit Länderspiele beziehungsweise Erfahrung sammeln zu lassen. Waren viele dieser Youngsters damals zu grün hinter den Ohren, profitiert die ÖFB-Elf heute von ihrer Routine auf internationaler Ebene.

Ihre Nachfolgegeneration hat es ungleich schwerer, ins A-Team aufzurücken, schließlich ist das Leistungsniveau inzwischen ein beachtliches.

Martin Hinteregger (Jahrgang 1992) hat den Sprung zur Stammkraft geschafft, Kevin Wimmer (1992) und Marcel Sabitzer (1994) immerhin jenen zum Kadermitglied. Valentino Lazaro (1996) ist derzeit der einzige Teenager im Nationalteam-Dunstkreis.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Veli Kavlak Ghana (h) 1:1 24.3.2007 31/1
Sebastian Prödl Schottland (h) 0:1 30.5.2007 50/4
Martin Harnik Tschechien (h) 1:1 22.8.2007 51/11

Es ist natürlich nur eine Mutmaßung, aber die Wahrscheinlichkeit, dass etwa Louis Schaub (1994) in den Hickersberger- oder Constantini-Jahren schon das eine oder andere Länderspiel gesammelt hätte, ist keine geringe. Diese Annahme gilt auch für andere Beispiele.

„Der Großteil kennt sich seit acht, neun, zehn Jahren“

Das jetzige A-Team ist auch ein Resultat der Nachwuchs-Initiative, die in den Jahren vor der Heim-EM 2008 gestartet wurde.

Die Anzahl qualitativ hochwertiger Akteure im besten Alter war damals eine geringere. Die etablierten Spieler von heute, die überwiegend noch nicht kurz vor der Fußballer-Pension stehen, aus dem Kader zu spielen, ist eine vergleichsweise schwierige Aufgabe.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Ramazan Özcan Italien (a) 2:2 20.8.2012 4/0
Marko Arnautovic Färöer (a) 1:1 11.10.2008 43/8
Rubin Okotie Türkei (h) 2:4 19.11.2008 10/2

„Es hat sich immer gesteigert“, betont mit Zlatko Junuzovic jenes Kadermitglied, das gemessen am Zeitpunkt des Debüts am längsten mit von der rot-weiß-roten Partie ist. Im Alter von 18 Jahren lief der damalige GAK-Kicker Anfang März 2006 bei der Premiere von Hickersberger gegen Kanada erstmals im ÖFB-Trikot auf.

„Angefangen hat es damit, dass wir mehr und mehr zu Legionären geworden sind, wodurch jeder mehr Erfahrung gesammelt hat. Der Teamchef hält den Kader auch ziemlich gleich. Dadurch lernst du dich automatisch besser kennen, weißt die Laufwege besser. Dass sich der Großteil der Mannschaft schon acht, neun, zehn Jahre kennt, ist im Spiel natürlich ein Vorteil, weil du dich mehr oder weniger blind verstehst. Das ist auch der Schlüssel zum Erfolg, wenn du Automatismen drinnen hast.“

„Der ganz große Kern ist immer gleich geblieben“

Damit spricht der Bremen-Legionär die vielleicht wichtigste Stellschraube an, an der Teamchef Marcel Koller nach seinem Amtsantritt im Herbst 2011 geschraubt hat.

Natürlich profitierte der Schweizer von der zunehmenden Reife vieler seiner Auserwählten, der klaren qualitativen Steigerung des Spielermaterials.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Yasin Pehlivan Rumänien (h) 2:1 1.4.2009 17/0
Aleksandar Dragovic Serbien (a) 0:1 6.6.2009 38/1
Jakob Jantscher Serbien (a) 0:1 6.6.2009 16/1
Julian Baumgartlinger Rumänien (a) 1:1 9.9.2009 37/1
David Alaba Frankreich (a) 1:3 14.10.2009 37/9

Unter der Führung des 54-Jährigen wurde das ständige Wechselspielchen von Kaderbekanntgabe zu Kaderbekanntgabe gestoppt. Wer beim Verein gerade keine Spielpraxis sammelte oder sich nicht in Form befand, bekam trotzdem das Vertrauen ausgesprochen, sofern er seine Nationalteam-Aufgaben zufriedenstellend erledigte.

„Natürlich liegt es am Teamchef, wie er das variiert, ob er Neue dazuholt oder nicht. Das ist ganz alleine seine Entscheidung, aber ich glaube schon, dass es für unsere Entwicklung positiv war, dass der ganz große Kern immer gleich geblieben ist“, verdeutlicht Junuzovic.

„Die letzte Quali war ein Wink mit dem Zaunpfahl“

Konstanz in der Kaderpolitik bringt zudem den Bonus mit sich, dass ein ganz anderer Zusammenhalt entsteht, als wenn von Lehrgang zu Lehrgang mehrere neue Charaktere integriert werden müssen.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Florian Klein Kroatien (h) 0:1 19.5.2010 28/0

Dieser Kreis des Vertrauens steht nun kurz davor, die lange ersehnte Ernte einzufahren. Im ersten Anlauf unter Koller scheiterte man in der WM-Qualifikation noch knapp.

„Damals hat die Entwicklung jedoch schon begonnen. Die letzte Quali war ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass wir mittlerweile bereit sind, anzugreifen“, glaubt Martin Harnik.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Robert Almer Ukraine (a) 1:2 15.11.2011 22/0

Freilich hat es auf diesem Weg auch Schlüsselmomente gegeben. Ein solch einschneidendes Spiel war für Baumgartlinger das erste Qualifikations-Match unter Koller, das 1:2 im Heimspiel gegen Deutschland im September 2012:

„Das war sicherlich ein erster kleiner Schub. Auch für mich persönlich. Wir haben das Spiel zwar verloren, aber da hat man schon gemerkt, dass sich etwas verändert hat – auch von der Philosophie und der Art, wie wir gespielt haben. Danach haben wir die Heimspiele gegen Schweden und Irland gewonnen. Da hat man gemerkt: Okay, man kann daheim konstant gewinnen. Es gab immer wieder so einzelne Schlüsselerlebnisse, die aufeinander aufgebaut haben.“

Der Kampf gegen die Auswärtsschwäche

Das letzte Mosaiksteinchen war tendenziell der Kampf gegen die Auswärtsschwäche. Die Behauptung, dass diese endgültig abgelegt sei, ist ob der zuletzt wenigen Bewährungsproben gegen Kontrahenten auf Augenhöhe womöglich verfrüht.

Dennoch: Seit besagtem Trauma von Stockholm wurden alle fünf Auswärtsspiele gewonnen, zuletzt in Russland auch gegen einen starken Gegner. Das nächste Indiz für eine nachhaltige Steigerung.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Markus Suttner Finnland (h) 3:1 29.2.2012 14/0
Heinz Lindner Ukraine (h) 3:2 1.6.2012 7/0
Marcel Sabitzer Rumänien (h) 0:0 5.6.2012 12/2

So defensiv sich die Teamspieler in dieser Woche in punkto Qualifikation öffentlich äußern, so sehr fiebern sie dem Moment, an dem die Reise nach Frankreich endgültig feststeht, natürlich entgegen. Vor allem die langjährigen Kadermitglieder können auch einschätzen, welche Anstrengungen und Rückschläge Teil dieses Weges waren.

„Man hat auch andere Sachen und Zeiten miterlebt. Es ist normal, dass eine Weiterentwicklung stattgefunden hat und man ist stolz darauf, ein Teil dieser Entwicklung zu sein. Es waren auch schwierige Zeiten dabei. Vor allem die letzten zwei, drei Jahren waren jedoch sehr positiv“, meint Junuzovic.

„Wir wissen, welch ein harter Weg das ist“

Baumgartlinger findet: „Ich glaube schon, dass wir es jetzt mehr genießen können, weil wir wissen, wie schwierig es ist, dorthin zu kommen und welch lange Zeit es braucht, um so eine Mannschaft zu entwickeln.“

Oder ist es letztlich eine Frage des Blickwinkels? In Österreich darf man von einer rauschenden Fan-Party ausgehen, sobald die Qualifikation feststeht. „Alleine der Gedanke an die EURO stellt einem die Haare auf“, kann es auch Harnik kaum mehr erwarten.

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Martin Hinteregger USA (h) 1:0 19.11.2013 9/0
Lukas Hinterseer USA (h) 1:0 19.11.2013 6/0
Kevin Wimmer USA (h) 1:0 19.11.2013 2/0

Wobei der Stuttgart-Legionär richtigerweise relativiert: „Der Anspruch ist bei uns natürlich um einiges geringer. In Deutschland stellt es den Spielern natürlich nicht die Haare auf, wenn die Qualifikation geschafft ist. Aber für uns ist die Qualifikation das große Ziel. Alles, was jetzt kommt, ist der Bonus. Dementsprechend wissen wir das zu schätzen, weil wir wissen, welch ein harter Weg das ist und wie viel Arbeit dahinter steckt.“

Die ÖFB-Entwicklung verlief in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt. Gut, dass es nicht verboten ist, sich nach dem Erreichen eines Ziels, neue zu setzen.

Noch ist eine Turnier-Qualifikation alles andere als Normalität. Bevor jedoch neue Kapitel geschrieben werden, gilt es erst einmal dieses erfolgreich abzuschließen.


Peter Altmann

Spieler Gegner Ergebnis Datum Länderspiele/Tore
Stefan Ilsanker Island (h) 1:1 30.5.2014 8/0
Valentino Lazaro Island (h) 1:1 30.5.2014 4/0