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Marcel Büchel: Die Rückkehr des Verstoßenen

Marcel Büchel: Die Rückkehr des Verstoßenen

Im Jahr 2010 wurde ein damals außergewöhnliches Talent vom ÖFB fallen gelassen.

Statt Rot-Weiß-Rot trägt Marcel Büchel mittlerweile das Trikot Liechtensteins, spielt mit dem FC Empoli in der italienischen Serie A und gehört noch bis 2017 Juventus Turin.

Im abschließenden EM-Quali-Spiel kreuzen sich die Wege der beiden Heimaten des Doppel-Staatsbürgers, und der 24-Jährige steht einmal mehr zwischen den Fronten.

„Ich wohne noch in Österreich, bin hier aufgewachsen - die Beziehung ist wie früher. Aber für österreichische Vereine habe ich kaum gespielt, bin mittlerweile nach vielen Jahren irgendwie schon halber Italiener, fühle mich aber auch bei Liechtenstein, als wäre ich schon länger dabei. Irgendwie bin ich eine Mischung aus allem, ich fühle mich sehr international“, gibt sich Büchel im LAOLA1-Interview hin- und hergerissen.

Das unwürdige Ende seines ÖFB-Traums ist für ihn ebenso Thema wie seine neue Aufgabe im Fürstentum und seine vorbildliche Entwicklung in Italien.

LAOLA1: Wie war es, beim 0:2 gegen Schweden erstmals nach deiner Entscheidung das Teamtrikot Liechtensteins zu tragen?

Marcel Büchel: Es war ein super Gefühl, ein super Debüt. Schade war natürlich, dass es eine Niederlage geworden ist. Wir wollten ein gutes Ergebnis holen, aber das ist nicht immer so einfach. Die Leistung war schon sehr gut, ein 0:2 gegen Schweden kann sich sehen lassen. Es wäre vielleicht mehr drin gewesen, aber die haben Top-Spieler, von denen jeder jede Sekunde gefährlich sein kann. Jetzt schauen wir mal, was gegen Österreich passiert.

LAOLA1: Du hast sofort eine zentrale Rolle im Mittelfeld neben dem Rieder Michele Polverino eingenommen. Hast du damit gerechnet?

Büchel: Ich war eigentlich offensiv aufgestellt, aber gegen solche Mannschaften ist ganz klar, dass man defensiver steht und 80 Prozent verteidigen muss. Das wird gegen Österreich nicht anders sein. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen und wissen, dass wir noch mehr leisten können. Jetzt kommt ein neues Spiel, eine neue Geschichte.

LAOLA1: Allgemein gefragt: Warum ist deine Entscheidung schlussendlich auf Liechtenstein und gegen Österreich gefallen?

Büchel: Vor allem, weil ich die Doppel-Staatsbürgerschaft habe und es für mich immer schon interessant war. Ich bin nahe der Grenze aufgewachsen, wohne fünf Kilometer entfernt und kenne viele, die früher schon für Liechtenstein gespielt haben. Zwar habe ich vor einigen Jahren noch für die ÖFB-U19 gespielt, aber das Thema war immer schon interessant. Durch die Wurzeln meines Vaters konnte ich mir das ermöglichen. Darauf bin ich sehr stolz. Ich habe mich immer schon ein bisschen zu Liechtenstein hingezogen gefühlt.

Büchel und das ÖFB-Team - eine Beziehung mit Hindernissen

LAOLA1: Am letzten EM-Quali-Spieltag geht es nun gegen deine zweite Heimat Österreich. Was erwartest du dir vom Spiel im Happel-Stadion?

Büchel: Es wird sicher ein schöner Abend. Österreich ist bereits fix qualifiziert, es wartet ein Riesen-Fest auf sie. Wir können dabei eine super Erfahrung machen, für mich persönlich ist es natürlich ein spezielles Spiel. Außerdem freue ich mich schon sehr, meinen ehemaligen Bologna-Kollegen György Garics wiederzusehen. Noch dazu ist es ein super Gefühl, gegen Top-Spieler wie David Alaba zu spielen – da kann man viel lernen. Außerdem will ich schon zeigen, was ich kann.

LAOLA1: Wie realistisch ist es, dass Liechtenstein in Wien zum Party-Crasher wird?

Büchel: Österreichs Party steht natürlich im Vordergrund, das wird ein wichtiger Tag für die Spieler. Was sie in den letzten Jahren geleistet haben, ist ein Wahnsinn. Wir gehen aber motiviert ins Spiel. Wenn ein Punkt dabei herausschaut, ist es auch für uns eine Party – sonst auch. Für uns ist immer Party, das wird sicher ein super Tag.

LAOLA1: Wie gehst du mit der ständigen Außenseiterrolle Liechtensteins um?

Büchel: Aus sportlicher Sicht bist du als Österreicher sicher kein Außenseiter mehr, wir aber schon. Das Wichtigste ist, dass der Spaß im Vordergrund steht und du mit dem Herzen dabei bist. Es steht nicht immer das Sportliche im Vordergrund. Klar wird man mit Liechtenstein nicht die Weltmeisterschaft gewinnen, aber es steckt viel drin, wenn in den nächsten Jahren gute Arbeit geleistet wird. Was Mario Frick gemacht hat, will ich weiterführen, die Professionalität und meine Erfahrung einbringen. Dann werde ich sicher noch viele schöne Jahre haben.

LAOLA1: Aufgrund der Distanz zu deinem Wohnort wird die Partie in Wien kein richtiges Heimspiel für dich. Wie ist deine Beziehung zu Österreich?

Büchel: Für mich ist es ein richtiges Auswärtsspiel, es ist alles neu. Ich wohne noch in Österreich, bin hier aufgewachsen - die Beziehung ist wie früher. Aber für österreichische Vereine habe ich kaum gespielt, bin mittlerweile nach vielen Jahren irgendwie schon halber Italiener, fühle mich aber auch bei Liechtenstein, als wäre ich schon länger dabei. Irgendwie bin ich eine Mischung aus allem, ich fühle mich sehr international.

LAOLA1: Hast du es somit auch mit Freude aufgenommen, dass sich Österreich für die EURO 2016 qualifiziert hat?

Büchel: Ganz klar, ich weiß, was das für die Spieler bedeuten muss. Das ist ein Wahnsinn, sie haben sich das verdient. Wir sind ja Nachbarn. Ich werde Österreich auch bei der EM verfolgen, die Daumen drücken und glaube, dass sie ziemlich weit kommen können.

Bei Juventus Turin steht Büchel unter Vertrag - bekommt er auch eine Chance?

LAOLA1: Angeblich waren Werder Bremen und Eintracht Frankfurt im Sommer interessiert. War da etwas dran?

Büchel: Anscheinend schon, aber es ist in Italien leider so, dass das direkt zwischen Verein und Manager funktioniert und mit dem Spieler gar nicht geredet wird. Oft gibt es Verträge oder Ausstiegsklauseln von denen der Spieler gar nichts weiß und dann kommt es nicht zustande. Aber vielleicht bin ich in den nächsten Jahren bereit für die deutsche oder eine andere Top-Liga. Ich bin jetzt sehr froh, dass ich in Empoli bin. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, spielen super Fußball, setzen jeden Gegner unter Druck. Jeder Top-Klub hat es schwer gegen uns. Ich bin mir sicher, dass wir im Mittelfeld mitspielen können.

LAOLA1: Letztes Wochenende ist für dich mit dem Debüt in der Serie A gegen Sassuolo ein Traum in Erfüllung gegangen. Wie sehr hast du diesen Moment herbeigesehnt?

Büchel: Ich habe lange darauf gewartet. Leider habe ich nach 40 Minuten wegen Übelkeit ausgewechselt werden müssen, nachdem ich einen Schlag auf die Brust bekommen hatte. Ich habe nicht mehr richtig Luft bekommen. Aber wir haben noch 31 Spiele und können sicher viel erreichen. Am Sonntag spielen wir bei AS Roma. Gegen die Top-Stars wie Totti will ich wieder dabei sein.

LAOLA1: Plötzlich warten die größten Fußballtempel und die besten Mannschaften Italiens. Wie groß ist der Unterschied zur Serie B?

Büchel: Die Serie B ist schon auf einem sehr hohen Niveau sowie körperlich, technisch und taktisch eine sehr wichtige Liga. Das sieht man auch bei Cup-Spielen. Da ist oft wenig Unterschied. Aber über die ganze Saison hinweg ist die Serie A ganz was anderes. Man braucht Geduld und eine kleine Fehlerquote, der Rhythmus ist viel höher. Es ist mein erstes Jahr. Als Ziel habe ich mir 20 Einsätze gesetzt. Ich weiß, was ich kann und setze mich sicher durch. Wenn du ein, zwei Spiele nicht spielst, spielst du vielleicht das nächste. Zwei, drei gute Spiele in der Serie A sind bereits ein Riesen-Sprungbrett, um sich wieder anderen Vereinen zu zeigen, um irgendwann einmal bei einem Top-Klub zu spielen. Aber ich gehe alles langsam an und werde nichts überstürzen. Der Rest kommt von alleine.

LAOLA1: Prinzipiell stehst du ja bei einem Top-Klub unter Vertrag, gehörst noch bis 2017 Juventus Turin. Siehst du Chancen, dich doch noch bei der „Alten Dame“ durchzusetzen?

Büchel: Ich bin schon lange dort, sie kennen und verfolgen mich. Aber vielleicht planen sie nicht mit mir. Man kann auch nicht mit jedem jungen Spieler planen. Aber wenn ich meine Leistungen weiter bringe, auch gegen Juventus, wird man sehen, ob ich noch ein Thema für den Profikader werde. Wenn es nicht Juve ist, kann es auch irgendein anderer Verein sein. Es gibt so viele auf der Welt. Für mich gibt es nicht nur Juve.


Das Gespräch führte Alexander Karper

LAOLA1: In der U19 hast du drei Mal für Österreich gespielt, ein ominöses SMS (Anm.: Büchel, auf Abruf, soll Teamchef Andreas Heraf informiert haben, dass er nur zum Turnier kommt, wenn er spielt) vor der U19-EM 2010 hat deine ÖFB-Karriere beendet. Was ist damals wirklich vorgefallen?

Büchel: Die Geschichte, die da erfunden wurde, war nicht so, wie sie geschrieben wurde. Angeblich soll ich ein SMS geschickt haben. Aber es ist mir egal, was gewisse Leute erfinden oder sich denken. Das ist Vergangenheit, ich muss an die Zukunft denken. Ich kann nur sagen, dass ich es nicht nötig habe, irgendwen schlecht zu machen. Auch mit Heraf hatte ich nie wirklich Probleme. Zwischen Spieler und Trainer gibt es immer Kleinigkeiten, das muss aber nicht immer gleich in die Zeitung kommen. Einige Gerüchte wurden gestreut. Nach über fünf Jahren denke ich jetzt gar nich mehr daran. Aber so wie es kolportiert wurde, ist es nicht vorgefallen.

LAOLA1: Du hattest damals aber schon die Ambitionen, dich für das österreichische A-Team interessant zu machen?

Büchel: Auf jeden Fall. Für mich war die U20-WM in Kolumbien eigentlich fix. Ich bin davon ausgegangen, dabei zu sein. Es ist aber leider anders gekommen, da entscheiden andere. Vielleicht war ich in dem Moment nicht gut genug. Schade, es ist immer gut, eine WM zu spielen. Vielleicht schaffe ich es ja irgendwann noch einmal (lächelt). Wichtig ist aber, dass ich meinen Weg gehe und eine Zukunft aufbauen kann. Ob ich in der U19 oder U20 mit dem Trainer nicht zurecht gekommen bin, interessiert eh keinen mehr.

LAOLA1: Hat es seit diesem Vorfall 2010 jemals noch Kontakt zum ÖFB oder einem der Teamchef-Nachfolger gegeben?

Büchel: Nein, das war damit gegessen. Es hat überhaupt keinen Kontakt mehr gegeben, außer zu den Spielern wie Robert Gucher, die ich schon länger kenne. Ich habe aber trotzdem immer gesagt, dass ich mich durchbeiße. Es gehen immer neue Türen auf, man muss immer Geduld haben. Das ist mein Motto.

LAOLA1: In Italien haben sich dir seit 2010 auch einige Türen aufgetan. Du hast deine Ausbildung bei Juventus Turin genossen. Wie wichtig war das für deine Entwicklung?

Büchel: Sehr wichtig. Ich habe alles alleine geschafft. Darauf kann ich stolz sein. Ich kann mich nur bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, dass ich so weit gekommen bin. Natürlich muss ich noch viel leisten, ich habe erst ein paar super Jahre hinter mir, bin jetzt in der Serie A, muss mich durchbeißen und mir Respekt verdienen. Ich denke, dass ich sicher noch zehn erfolgreiche Saisonen vor mir habe. Ich bin einer, der nie aufgibt, werde mein Ding machen. Den Rest wird man sehen. Ob ich in England, Italien oder Spanien spiele, ist egal.

LAOLA1: Es war bisher eine weite Reise, mit vielen Stationen in Italien. Wo hast du am meisten mitnehmen können?

Büchel: Das ist hier einfach so, hier gibt es viele Leihen, weil ich damals noch kein Thema für einen Fixposten bei Juventus war. Du hast keine andere Wahl, musst Spielpraxis sammeln. Aber ich bin jetzt in der Serie A, da kann ich nicht so viel falsch gemacht haben. Es ist nicht wichtig, wann man in die Serie A kommt, sondern wielange man dort bleibt. Ich habe in der Serie B viel gelernt, das ist eine harte Meisterschaft, vor allem als Ausländer. Auch letztes Jahr bei Bologna war es ein sehr erfolgreiches Jahr, da wir mit dem Aufstieg Geschichte geschrieben haben. Das war ein gutes Erlebnis für mich persönlich.