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"Bin keiner, der in der Öffentlichkeit Tamtam macht"

„Ich glaube, meine Gedanken in diesem Moment wollen Sie nicht wissen. Ganz ehrlich – erster Ball und bumm…!“

Druckreifes ging Ramazan Özcan vermutlich nicht durch den Kopf, als der Kopfball von Kolbeinn Sigthorsson zum 1:1-Ausgleich der Isländer ins seinem Kasten einschlug.

51 Sekunden nach dem Wiederanpfiff. 51 Sekunden nach der Einwechslung Özcans. 51 Sekunden nachdem der Torhüter nach knapp sechs Jahren Wartezeit endlich zu seinem lange ersehnten zweiten Länderspiel kam.

„Der Beginn war natürlich undankbar für mich“, neigte der bei diesem Gegentor machtlose Ingolstadt-Legionär zur Untertreibung, „aber es gibt Situationen im Leben, die man nicht verändern kann. Man muss trotzdem das Beste daraus machen.“

„Da kann man noch viel verhauen“

Das Beste bedeutet im konkreten Fall, zumindest in der restlichen Spielzeit sein Tor sauber zu halten. Ein Vorhaben, das gelang, auch wenn Özcan von den Insel-Kickern nicht mehr ernsthaft geprüft wurde.

„Ich habe nach dem Gegentor versucht, alles wegzuschalten und der Mannschaft einen sicheren Rückhalt zu geben. Es waren trotzdem noch 45 Minuten zu spielen, da kann man noch viel verhauen, deswegen habe ich probiert, mich immer auf den nächsten Ball zu konzentrieren“, erklärte der 29-Jährige.

Bei all dem Ärger den Fokus zu wahren, ist tendenziell keine leichte Übung. „Was will man machen? Man kann nicht wegen eines Balls das ganze Spiel auf den Kopf stellen. Ich habe eine richtige Verantwortung hinten drinnen“, betonte Özcan.

Das Fazit des Vorarlbergers: „Trotzdem bin ich stolz, dass es das zweite Länderspiel in meiner Karriere für mich gab."

Unglückliches Debüt im Jahr 2008

Denkt man an das erste zurück, hätte man nach dem frühen Treffer der Isländer auf den Gedanken kommen können, dass „Rambos“ Nationalteam-Karriere unter keinem guten Stern steht.

Im August 2008 schickte der damalige Teamchef Karel Brückner Özcan bei seinem Einstand in Nizza gegen den regierenden Weltmeister Italien zur zweiten Halbzeit anstelle von Alexander Manninger aufs Feld – bei einer sensationellen 2:0-Führung Österreichs.

Dass die Partie noch 2:2 endete, lag auch an einem bitteren Lapsus des Goalies, dem in Minute 67 ein Eigentor unterlief. Chance auf Wiedergutmachung bekam der Keeper keine.

Jahrelang hieß es – vor allem aufgrund unglücklicher Situationen bei seinen Arbeitgebern Hoffenheim und Besiktas Istanbul – auf eine Einberufung ins ÖFB-Team zu warten. Erst Marcel Koller nahm ihn wieder in den Kreis des Nationalteams auf, nachdem sich der Wechsel zum deutschen Zweitligisten Ingolstadt als gute Wahl herausgestellt hatte.

„Müssen uns im Dienst der Nation reinhauen“

Schon seit längerer Zeit dient Özcan als Nummer drei hinter Robert Almer und Heinz Lindner. Als solche heißt es noch geduldiger auf Gelegenheiten, um sich präsentieren zu können, zu warten.

„Der Teamchef hat ein offenes Ohr, wir sind ehrlich zueinander. Er weiß, dass ich alles gebe, wenn er mich reinhaut“, meinte Özcan und stellte klar, dass er nicht der Typ für öffentliche Kampfansagen sei:

„Ich bin sicher keiner, der in der Öffentlichkeit Tamtam macht. Ich stelle mich in den Dienst der Mannschaft. Wir haben alle ein Ziel, nicht nur ich persönlich, deshalb müssen wir unsere Egos zurückstecken und uns im Dienst der Nation alle reinhauen. Die ersten Elf werden von den restlichen Jungs natürlich gepusht.“

Die beiden Generalproben für die EM-Qualifikation gegen Island und Tschechien nutzt Koller, um allen seinen Torhütern Spielpraxis zu geben. Während in Olmütz Almer Einsatzzeit bekommen wird, machte in Innsbruck Lindner den Anfang.

„Dann bin ich 36, dann wird es eng“

Für den Austria-Goalie ein bittersüßes Match. Zwar spielte er zu null, ob der Harmlosigkeit der Isländer in der ersten Hälfte bekam er jedoch nicht wirklich die Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen.

„Falls mich die Mannschaft braucht, versuche ich da zu sein. Gegen Island sind wir vor der Pause sehr konzentriert gestanden, haben abgeklärt gespielt und wenig zugelassen. Daher hatte ich nicht oft die Möglichkeit einzugreifen. Es werden auch wieder andere Spiele kommen, aber mir ist lieber, ich habe einen ruhigen und angenehmen Arbeitstag, als wenn ich sehr viel zu tun habe, denn dann stimmt das Spiel von meinen Vorderleuten“, meinte der 23-Jährige.

Der Oberösterreicher bekommt regelmäßiger als Özcan Einsatzzeit im ÖFB-Dress. Noch einmal sechs Jahre auf den nächsten Nationalteam-Einsatz möchte Letzterer jedoch nicht warten.

„Dann bin ich schon 36, dann wird es eng“, schmunzelte „Rambo“. Dem Deutschland-Legionär ist zu wünschen, dass sein drittes Länderspiel vom Anfang bis zum Ende unter einem guten Stern steht.

Peter Altmann