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"...und dir auch einmal in den Hintern treten musst"

Der Tag danach im „Power Tower“.

ÖFB-Präsident Leo Windtner lud nach der kraftlosen Vorstellung des ÖFB-Teams beim 0:3 gegen die Elfenbeinküste zur traditionellen Nachbetrachtung des Teamchefs in seine Konzernzentrale.

Bei seinen einleitenden Worten musste der Generaldirektor der Energie AG festhalten: „Es war sicherlich nicht das Fußball-Fest zur Abrundung einer durchaus guten Länderspiel-Saison.“

Nach der ÖFB-Rückkehr nach 15 Jahren sah sich der ÖFB-Boss als gebürtiger Linzer auch mit Kritik konfrontiert (Schlangen vor Eingängen, Anm.): „Wir werden das genau analysieren.“

Windtner bleibt optimistisch

Der 62-Jährige bleibt hinsichtlich des sportlichen Aspekts Optimist: „Es hat mich spontan an 1997 erinnert, wo wir auch an einem kühlen Abend sang- und klanglos gegen Slowenien 0:2 verloren haben. Es gab ebenso eine Betretenheit nach dem Match, dennoch sind wir zur WM gefahren. Es wird ein steiler Weg, aber wir sind in einer guten Anfahrtsspur.“

Dann machte der ÖFB-Boss den "Floor" frei für seinen Teamchef Marcel Koller, der nach dem achten Länderspiel (Bilanz: 4-2-2) ein letztes Mal auf eine Partie im Jahr 2012 zurückblickte.

LAOLA1 mit dem Wortlaut des ÖFB-Teamchefs:

MARCEL KOLLER ÜBER...

...DIE NIEDERLAGE AM TAG DANACH

Wir haben natürlich alle den Frust über die Niederlage. Es ist so, dass wir sicher in der ersten Hälfte die eine oder andere Möglichkeit herausgespielt haben. Das hat sich über Nacht nicht geändert. Die Elfenbeinküste hatte eine extrem gute Chancenauswertung. Das hat uns gefehlt. Wir haben die Möglichkeiten vorgefunden, schießen nicht das wichtige Tor zur Führung, bekommen aber kurz vor der Pause und nach der Halbzeit jeweils eines. Die Moral war dann nicht mehr so da, um zurückzukommen. Weil auch der Gegner sehr gut gespielt hat, schnell, beweglich und in der Defensive gut gestanden war. Sie haben nichts mehr anbrennen lassen. Man hat gesehen, dass da sehr viel Erfahrung drin ist. Es hat sich wieder bestätigt, was ich in den fünf Spielen von ihnen gesehen habe. Wir konnten auch nicht alles umsetzen, was wir uns vorgenommen haben. Von unserer Spielweise her, dass wir etwa defensiv kompakt stehen. Nach vorne hin hatten wir auch zu viele Flüchtigkeitsfehler, die letzten Pässe waren teilweise schlampig und unkonzentriert ausgeführt. An dem müssen wir arbeiten, das ist eine Grundbasis.

...DEN WOMÖGLICH HEILSAMEN SCHOCK EINER SOLCHEN NIEDERLAGE

Absolut. Nämlich, dass man nicht überheblich wird, man auch immer wieder einen auf den Deckel bekommt. Ich habe gesagt, dass es Rückschläge geben wird, dass der Weg nicht immer geradeaus geht. Wir wünschen uns natürlich außen herum Euphorie, aber wir im Team müssen das abschätzen. Darauf müssen wir schon achten. Es ist bei einem Dreitages-Lehrgang auch schwierig, den Fokus darauf zu legen, was wir sehen möchten. Du sprichst natürlich mit den Spielern, aber das Wichtigste passiert am Platz. Da hast du im Prinzip nur eine Trainingseinheit im Stadion drin. Das ist schlussendlich zu wenig, wenn man sich entwickeln will. Da brauchst du die regelmäßige Trainingseinheit am Platz. Die Schwierigkeit ist, wenn man mal einen gewissen Stand erreicht hat, ins Stand-by zu gehen. Denn die Spieler sind nicht hier, alles ist theoretisch und das ist nicht das Gleiche wie auf dem Platz.

...DIE ANZAHL AN ANZÜGEN, DIE DAS TEAM TATSÄCHLICH HAT

Ich muss mir das Spiel jetzt auch noch einmal anschauen. Ich habe schon erwähnt, dass die 23 Spieler, die hier waren – plus den einen oder anderen, am besten für Österreich sind, für unser System, das wir entwickeln. Im Februar ist dann wieder ein neuer Beginn, ein neues Jahr. Da kommen die Spieler wieder, dann gibt es wieder den Kampf um die Plätze und da wird das wieder weitergeführt. Ich habe aber auch den Spielern gestern gesagt, dass es gut ist, sich ein Spiel selbst anzusehen. Damit auch jeder vor seiner eigenen Tür kehrt und nicht mit dem Finger auf jemanden anderen zeigt. Man muss schon auch selbstkritisch sein. Wir, als Trainer-Team, werden das sein und dementsprechend mit den Spielern sprechen.

...AUSWIRKUNGEN AUF DIE AUSGANGSPOSITION IN DER WM-QUALI

Es hat sich ja jetzt für uns nichts geändert, wir sind in die WM-Qualifkation als Vierter gestartet und sind das weiterhin. Wir wissen, wenn wir Zweiter werden wollen, dann müssen wir gegen die Färöer Punkte holen. Die Spiele gegen Irland und Schweden werden entscheidend sein.

...DIE VIER TORE VON IBRAHIMOVIC BEIM 4:2 GEGEN ENGLAND

Ich habe jetzt nur das eine Tor von ihm gesehen, das war nicht so schlecht (grinst). Er ist natürlich ein Mann, der dort sehr viel ausmacht.

...GEWISSE DINGE, DIE GEGEN IVORER NICHT UMGESETZT WURDEN

Das ist eben der Kurzlehrgang. Gewisse Punkte zu trainieren, zu verlangen, das war da jetzt nicht möglich. Das eine ist die Theorie, das andere auf dem Platz. Wir haben in der Spielbesprechung gesagt, dass wir defensiv kompakt stehen müssen. Die Laufwege, die Laufbereitschaft, das ist alles wichtig. Das ist eben das Schwierige, dass du das als Spieler mitnimmst und dir auch einmal in den Hintern treten und sagen musst: Ich muss jetzt diese Wege machen. Das wird eben dann nicht so umgesetzt, wie man das als Trainer gerne hättet. Ich werde aber nie jemanden einzelnen an den Pranger stellen. Wir gewinnen als Team, wir verlieren als Team. Das sehe ich auch als Aufgabe, wenn einer mal einen schlechteren Tag hat, dass der andere ihn mitnehmen muss. So funktioniert Teamgeist, so kann man sich als Team weiterentwickeln. Da sind wir auch noch nicht so weit, gestern hat jeder auch mehr mit sich zu kämpfen gehabt und nicht das übergeordnete Ziel weiter verfolgt.

...LEHRGÄNGE IM NÄCHSTEN JAHR

Wir kennen ja die Termine schon, wissen, wie viel Zeit wir haben. Februar, März, Juni, August etc. - das ist alles schon festgelegt. Im Juni haben wir etwa das Team längere Zeit beisammen, vor dem Schweden-Match. Die Zeit kriegt man beim Nationalteam aber nur über die Jahre. Das muss sich über Jahre entwickeln, wenn das Team länger zusammen ist und du immer wieder das Gleiche hörst, die gleiche Philosophie hast. So kannst du was bewirken, alles andere ist Wunschdenken. Es ist ein steter Prozess. Wenn man international schaut, dann sieht man, wo Trainer längere Zeit arbeiten, mehr weitergeht, als wenn welche erst weniger lang dabei sind. Es hängt natürlich auch ein wenig von der individuellen Qualität ab. Je höher die ist, desto schneller kann es gehen.

...DIE MANGELNDE CHANCENVERWERTUNG

Das ist für uns leider nichts Neues, war auch schon vor meiner Zeit so. Ich bin jetzt ein Jahr hier, es scheint sich ein bisschen gebessert zu haben. Aber es ist noch nicht so, wie wir uns das vorstellen. Es ist aber kein Wunschkonzert ist, sonst hätten wir gegen Deutschland einen Punkt gemacht oder eine unserer vier Chancen in Kasachstan verwertet. Dann hätten wir drei Punkte mehr.

...HARAKIRI, BEI KURZLEHRGANG SO VIELE VERÄNDERUNGEN VORZUNEHMEN

Wir haben gesagt, kein Harakiri mit dem System. Es ist ja die Frage, ob man etwas anderes ausprobiert, ein anderes System geht. Da haben wir Nein gesagt, da möchte ich kein Harakiri machen. Das sagt mir auch die Erfahrung, dass du länger Zeit brauchst, wenn du was Neues machen willst. Die, die gespielt haben, waren jetzt auch keine Neuen. Die kennen auch die Idee, die waren bei den Lehrgängen auch dabei. Die wissen die Grundregeln defensiv, wie wir da und offensiv arbeiten wollen. Das habe ich auch in der Besprechung gesagt. Alleine die Umsetzung ist entscheidend. Wir wissen jetzt auch nicht, ob die eingespielte Mannschaft anders gespielt hat.

...DIE WOMÖGLICH UNGENÜTZTE CHANCE VON HEINZ LINDNER

Nein, Heinz ist ein junger Spieler, der auch Fehler machen darf. Er nimmt natürlich daraus auch Erfahrung mit und wird weiter seinen Weg gehen.

…MÖGLICHE VERWUNDERUNG IM HINBLICK AUF STADION-STIMMUNG

Es ist halt so, wenn irgendwo offen ist, dann geht die Luft und folglich die Stimmung raus. Das ist so. Der ÖFB hat eben auch die Regelung mit 15.500 Mindestkapazität, das ist hier leider nicht der Fall. Das ist schade, weil ich schon denke, dass die Menschen hier in Linz fußballbegeistert sind.

...KRITIK DER SPIELER AM RASEN

Was willst du machen? Ich habe nicht darauf gespielt, ich stand auf der Tartanbahn und die war nicht so schlecht (grinst).

 

Bernhard Kastler