news

"Wir werden da weiter den Finger draufhalten"

Der meistgehörte Satz in der Mixed Zone nach dem 0:3 gegen die Elfenbeinküste? „Die Bilanz ist trotzdem positiv.“

Unisono zogen die ÖFB-Kicker trotz des misslungenen Jahresabschlusses ein zufriedenes Fazit der vergangenen zwölf Monate. Der Ausrutscher gegen die Ivorer kann die bisherigen Fortschritte der Teamchef-Ära von Marcel Koller auch nicht kaputtmachen.

Dennoch führte es deutlich vor Augen, wie viel Arbeit auf das Nationalteam noch wartet – ein „Spiel zum Lernen“, wie es die LAOLA1-Taktik-Analyse herausarbeitet, möglicherweise auch ein „heilsamer Schock“, wie Koller selbst in seiner Nachbetrachtung vermutete.

„Wir sind eine junge Mannschaft, wir haben immer Verbesserungspotenzial. Wir halten uns nicht für so gut, dass wir glauben, wir sind schon bei 100 Prozent“, spricht Marc Janko die Lernwilligkeit der Mannschaft an.

Bezüglich WM-Qualifikation geht es im kommenden Jahr um die Wurst. Will man ein ernsthaftes Wörtchen um den zweiten Gruppenplatz mitsprechen, ist wohl in ähnliches Entwicklungstempo wie heuer von Nöten.

LAOLA1 nennt einige Punkte der ÖFB-Agenda für 2013, die das Leistungsniveau noch konstanter machen sollen.

CHANCENVERWERTUNG: Auch wenn es redundant ist, aber dieses Manko bleibt das Hauptthema, schließlich zog es sich wie ein roter Faden durch diesen Länderspiel-Herbst. Auch gegen die Elfenbeinküste hätte man bei größerer Effizienz die magere Performance durch einen positiven Spielverlauf beschönigen können.

„Das fehlt uns einfach noch im Vergleich zu Spitzenmannschaften wie Deutschland oder Elfenbeinküste, die gezeigt haben, dass sie nicht viele Chancen brauchen. Die brauchen wir noch, speziell auswärts in Kasachstan oder gegen Deutschland haben wir wirklich viele Möglichkeiten liegen gelassen. Deswegen werden wir vermehrt daran arbeiten müssen“, erklärt Julian Baumgartlinger. Auch für Koller ist der bisweilen fehlende Killerinstinkt das Kardinalproblem. „Das ist leider nichts Neues, das war auch vor meiner Zeit schon so. Ich bin jetzt ein Jahr hier, es scheint sich ein bisschen gebessert zu haben, aber es ist noch lange nicht so, wie wir uns das vorstellen.“

FEHLERANFÄLLIGKEIT UND KONZENTRATION: Keine Frage, die Qualität des Spielermaterials ist gestiegen. Das macht sich auch darin bemerkbar, dass die ÖFB-Elf immer öfter in der Lage ist, ihr Spiel aufzuziehen. Gegen die Ivorer präsentierte die durchgemischte Mannschaft wenig von diesen Fähigkeiten. Koller monierte die zu große Zahl an „Flüchtigkeitsfehlern“, die letzten Pässe seien zum Teil schlampig und unkonzentriert gespielt worden: „Daran müssen wir arbeiten, das ist eine Grundbasis, um gut Fußball spielen zu können. Wenn du gute Kombinationen und Genauigkeit in der Passfolge drinnen hast, dann kannst du auch Möglichkeiten herausspielen, die schlussendlich zu Toren führen.“

Sein Team sei noch nicht so weit, das in jedem Spiel umsetzen zu können: „Wir werden da weiter den Finger draufhalten. Wenn wir nach vorne kommen wollen, muss die Kombination aus Konzentration, Genauigkeit und auch Konsequenz folgen.“

Ebenfalls unter den Punkt Konzentration und mentale Stärke fällt der Umgang mit Rückschlägen, wo Sebastian Prödl weiterhin Aufholbedarf sieht: „Daran müssen wir auf jeden Fall arbeiten. Gegen die Elfenbeinküste haben wir noch einmal ein ganz gutes Beispiel geliefert, wie wir es nicht machen sollen.“

PLAN B: „Wir haben sicherlich einen Schritt nach vorne gemacht, und einige Sachen sehr gut erarbeitet, eine Strategie zurechtgelegt – gegen die Elfenbeinküste hat sie leider nicht so gefruchtet“, erklärt Prödl. Plan A von Koller sitzt inzwischen relativ gefestigt, speziell wenn die eingespielte Stammelf am Werk ist. Die defensiven wie offensiven Grundprinzipien sind einstudiert. Auf das Einstudieren eines zweiten Systems zum gewohnten 4-2-3-1 verzichtete Koller bislang aus Zeitgründen - keine unverständliche Entscheidung. Um den nächsten Schritt zu machen, flexibler und unberechenbarer zu werden, wird 2013 ein Plan B dazukommen müssen.

KADERDICHTE: „Ich würde das definitiv nicht als Ausrede gelten lassen“, verwehrt sich Baumgartlinger dagegen, dass die vielen Umstellungen das schlechte Abschneiden gegen die Elfenbeinküste mitherbeiführten. Auch wenn diese Partie für manch einen Akteur keine Eigenwerbung war, bezüglich Personalpolitik lässt sich unter das ÖFB-Jahr 2012 ein dickes Plus setzen. Einen derart konstanten, qualitativ guten Kader hatte das Nationalteam schon viele Jahre nicht mehr. Die Zeit der hektischen Spielerfluktuation ist vorbei, es wird immer schwieriger, ins Aufgebot aufgenommen zu werden. Es lässt sich also ein zufriedenes Zwischenfazit ziehen. Luft nach oben besteht logischerweise dennoch. Diverse Protagonisten können sich bei ihren Vereinen weiterentwickeln, potenzielle Nachrücker wie Raphael Holzhauser oder Marcel Sabitzer das Niveau weiter heben.

AUSWÄRTSSCHWÄCHE: Ebenso ein leidiges Thema, ebenso eine altbekannte und hinlänglich diskutierte Schwäche, die beim Gastspiel in Kasachstan wieder einmal offenbart wurde. Neben dem Freundschaftsspiel in Wales warten kommendes Jahr Pflichtspiele in Irland, Deutschland, Schweden und auf den Färöer. Ohne massive Steigerung auf fremdem Boden wird 2013 wohl nicht als ebenso großer Fortschritt analysiert werden wie 2012.

Peter Altmann/Bernhard Kastler