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"Ich sehe die Dinge ein bisschen anders"

Alexander Gorgon war schon früh klar, was er will.

„Ich hatte immer die Sehnsucht danach, in der Kampfmannschaft zu spielen“, sagt der 22-Jährige.

Aus dieser Sehnsucht wurde Realität. Der Wiener hat es geschafft. „Mein Traum ist in Erfüllung gegangen, das macht mich sehr stolz und glücklich“, strahlt er.

Der Austrianer lebt seinen Traum. Doch dieser wäre fast geplatzt, ehe er so richtig begonnen hatte.

Erinnerungen an damals

Im Alter von sechs Jahren begann Gorgon bei den Violetten zu kicken. Die Zeit auf dem Trainingsgelände des Ernst-Happel-Stadions ist ihm noch in guter Erinnerung.

„Wenn wir am Platz stehen, sehe ich oft die kleinen Kinder, die uns beim Training zusehen. Dann denke ich an meine Kindheit zurück. Bei mir war das damals genauso. Wir sind immer bei den Profis vorbeigegangen und haben uns gedacht: ‚Das wäre super, wenn wir es dort nach ganz oben schaffen würden.‘“

Papa Wojciech kickte für Polen

Angesichts seines familiären Hintergrunds überrascht es nicht, dass er sich für den Fußball entschied. Papa Wojciech kickte bei Wisla Krakau und Zaglebie Sosnowiec, wurde 1983 bei der U20-WM Dritter. 1988 wanderte er mit seiner Frau nach Wien aus.

Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs keine einfache Angelegenheit, doch die Kontakte zu Wisla – damals der Klub des Ministeriums für „Innere Sicherheit“ – erleichterten das Unterfangen ein wenig.

Alex kam in Wien zur Welt und bereits früh mit dem runden Leder in Berührung. Sein Vater kickte für diverse unterklassige Vereine und wurde auch Schiedsrichter.

Papa Wojciech war in Österreich Schiedrichter

Fußball, Fußball, Fußball

Der Fußball war im Hause Gorgon also omnipräsent. „Fußball wird bei uns daheim sehr groß geschrieben. Der einzige Nachteil ist, dass die Mama vielleicht verrückt wird, wenn nur über Fußball gesprochen wird. Aber sie hat rhythmische Sportgymnastik betrieben, daher hat sie Verständnis dafür“, lacht der Youngster.

Bald packte den Mittelfeldspieler die Sehnsucht, Profi zu werden. „Es muss einem sehr früh klar werden, was man will. Die Verlockungen in Wien sind sehr groß. Es gibt so viele Möglichkeiten, das Nachtleben ist beeindruckend“, meint er.

Und fügt hinzu: „Ich habe schon sehr früh gewusst, was ich will. In jungen Jahren habe ich auf sehr viel verzichtet. Als meine Freunde mit 15, 16 Jahren mit dem Fortgehen begonnen haben, bin ich eigentlich meistens daheim gesessen. Ich habe mich ausschließlich auf den Fußball konzentriert.“

Erste Schritte nach oben

Da war es nur logisch, dass er als Jugendlicher nach Hollabrunn in die Frank-Stronach-Akademie übersiedelte. Fußballerisch eine der besten Ausbildungen, die man zu dieser Zeit in Österreich genießen konnte.

Der Weg zurück dauerte zwei Jahre

Das Ende der schier endlos erscheinenden Leidenszeit. Zwei Jahre, die den Kicker verändert haben. „Ich habe in diesen zwei Jahren viel gelernt. Ich bin geduldiger geworden und schätze meine Gesundheit mehr.“

„Wenn ich früher ein schlechtes Spiel hinter mir hatte, hat mich das zwei, drei Tage später noch geärgert. Mittlerweile denke ich mir: ‚Hey, du bist gesund! Vor zwei Jahren hättest du nicht einmal so ein Spiel spielen können.‘ Ich sehe die Dinge ein bisschen anders“, meint der FAK-Profi.

"Sie haben mich nicht fallen gelassen"

Ob er das Gefühl habe, dem Verein etwas zurückgeben zu müssen, nachdem dieser so lange hinter ihm stand? „Ja, auf jeden Fall. Ich war nach einem Jahr noch immer nicht fit und man hat mir trotzdem einen neuen Vertrag angeboten.“

„Sie haben mich nicht fallen gelassen. Wahrscheinlich, weil ich ein Austria-Kind bin, aber auch, weil man über mein Können und meine Qualität Bescheid wusste. Ich bin dem Verein dafür sehr dankbar und zahle ihm das mit Leistungen zurück.“

Der Trainingsweltmeister

Am 2. Oktober 2010 gab das Talent im Heimspiel gegen den SK Sturm sein Bundesliga-Debüt. Rund ein Jahr später ist er fixer Bestandteil der Kampfmannschaft. Vier Mal durfte Gorgon in dieser Saison bereits in der Startelf ran.

Es war jedoch kein einfacher Weg dorthin: „Wenn man von den Amateuren in die Erste kommt, ist es anfangs nicht so einfach. Man wird als ‚der Amateur‘ angesehen, muss sich erst beweisen und durch Leistungen Respekt verdienen.“

Aber nur aus sportlicher Sicht. „Es ist kein Geheimnis, dass die schulische Ausbildung nichts Großartiges war. Der Fußball ist immer im Vordergrund gestanden. Hätte man große schulische Ansprüche gestellt, wäre das dem Fußball gegenüber kontraproduktiv gewesen. Jeder, der halbwegs etwas im Kopf hatte, hat den Abschluss problemlos geschafft.“

Der Fokus lag also auf dem Sport. Und diesbezüglich lief alles prächtig. Im Sommer 2007 wurde der Rechtsfuß in den Kader der Amateure aufgenommen, schaffte es auch ins U20-Nationalteam.

Schock auf Raten

Doch plötzlich geriet die erst anlaufende Karriere ins Stocken. Es war der 30. November 2007, der vorerst alles verändern sollte. „Auf einmal habe ich einen komischen Schmerz gespürt. Ich dachte zuerst an eine Überlastung, nichts Großartiges also. Ich habe am nächsten Tag normal trainiert, sogar eine Woche lang durchgebissen“, erzählt Gorgon von Problemen in der Leistengegend während des Spiels gegen Austria Lustenau.

Ein Schock auf Raten. „Sie haben mir gesagt, dass ich bis zu drei Monate brauchen werde. Ich habe mir gedacht: ‚Das ist ja unglaublich.‘ Nach drei Monaten war es aber fast gar nicht besser. Das war ein erster Rückschlag.“

Zwei Jahre Pause

„Dann hat der Leidensweg begonnen. Ich bin von einem Arzt zum anderen gefahren. Alle haben eine ähnliche Diagnose gestellt, ich wollte mich damit aber nicht abfinden. Bei den MRs und den Röntgen ist nie wirklich etwas herausgekommen“, blickt Gorgon zurück.

Adduktorensyndrom, eine Disbalance zwischen Bauch- und Rückenmuskel, meinten die Mediziner. Die Zwangspause wurde immer länger. Ganze zwei Jahre dauerte sie letztlich.

Eine schwere Zeit: „Der Glaube daran, zurückzukommen, war sehr lange gegeben. Nach 14, 15, 16 Monaten denkt man sich dann aber schon: ‚Jetzt ist sehr viel Zeit verstrichen, in der ich weg von der Bühne war. Was mache ich, wenn das nicht wieder wird.‘“ Es wäre wohl auf ein Sportstudium hinausgelaufen.

Eine andere Sichtweise

Doch der finale Anlauf im Winter 2009/10 klappte: „Ich habe mit einer Physiotherapie begonnen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gemacht hatte. Das war komplett in den Schmerzbereich hinein. Ich bin im Jänner in die Vorbereitung eingestiegen, hatte aber noch Schmerzen. Doch es ist von Training zu Training immer besser geworden, bis ich irgendwann schmerzfrei war.“

Wenn man mit seinen Teamkollegen spricht, gewinnt man den Eindruck, dass ihm das gelungen ist. Immer wieder werden die starken Trainingsleistungen des Mittelfeldspielers herausgestrichen.

„Es gibt für mich keinen Zeitpunkt, an dem ich mich ausruhe. Ich habe den Ehrgeiz, bei jedem Training immer alles zu zeigen. Nur so kann man wirklich Karriere machen“, weiß der 22-Jährige.

Das Vertrauen ist da

Bei den Spielen werden seine Leistungen von Woche zu Woche ansehnlicher. „Als ich die Chance bekommen habe, von Anfang an zu spielen, wollte ich nicht zu viel riskieren. Wenn es schief gegangen wäre, hätte ich vielleicht keine Chance mehr bekommen.“

„Nach den ersten Spielen haben mir ein paar Leute gesagt, dass ich mich mehr trauen soll. Das habe ich mir zu Herzen genommen, es hat ein Umdenken stattgefunden. Jetzt wird es von Spiel zu Spiel besser. Für mich ist wichtig, dass ich das Vertrauen spüre. Ich weiß, dass der Trainer hinter mir steht“, sagt Gorgon.

Er habe sich aufgedrängt und sei in der Mannschaftshierarchie nach oben geklettert, meint Coach Karl Daxbacher.

So sieht Alex Gorgons Realität, die er als Kind so sehr herbeigesehnt hat, aus. Und aufgrund der zwischenzeitlichen Leiden weiß er sie umso mehr zu schätzen.

„Für mich ist es das Wichtigste, einfach Fußballspielen zu können.“

Harald Prantl