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Ein Aufstieg mit Sorgenfalten und Herzinfarkt

Ein Aufstieg mit Sorgenfalten und Herzinfarkt

Der FC Barcelona wirft Titelverteidiger Real Madrid aus dem Pokal.

Mit einem Gesamtscore von 4:3 setzten sich die Katalanen gegen den Erzrivalen durch und entschieden den „Copa Clasico“ für sich.

Dass das 2:2-Unentschieden im Camp Nou ausreichte, ist dem 2:1-Vorsprung aus dem Hinspiel zu verdanken.

Die bessere Mannschaft am Mittwochabend war einstimmig Real.

Schlagzeilen wie „Barca schlägt das beste Madrid“ (El Pais) oder „Barca eliminiert einen Champion“ (Marca) streichen die Tatsache hervor, dass sich die Madrilenen im Vergleich zu den letzten „Clasicos“ spielerisch stark verbessert präsentierten.

„Barca zittert“ befinden nicht nur der britische „Guardian“ oder die französische „L’Equipe“, sondern auch „La Vanguardia“, die auflagenstärkste katalanische Zeitung, die von einer Spannung „kurz vor dem Infarkt“ schreibt.

„As“ hebt die „Überlegenheit von Madrid“ hervor und reduziert den Aufstieg des FC Barcelona auf Glück. Ein Argument, das bei näherer Betrachtung durchaus Zustimmung finden kann.

Barca hatte…

…Glück, dass Real Geschenke nicht annimmt:

Bereits nach wenigen Sekunden nutzte Gonzalo Higuain ein Missverständnis in der Barca-Defensive und hatte das 1:0 am Fuß. Eine knappe halbe Stunde später servierte ihm Torhüter Jose Manuel Pinto den Ball im Strafraum wie auf dem Silbertablett, der Argentinier ließ sich aber auch diese Gelegenheit entgehen. Nicht grundlos forderte so mancher Barca-Fan eine Aufhebung des jüngst eingeführten Rauchverbots im Camp Nou, sobald der Valdes-Ersatzmann das Tor hütet. Nur mit entsprechender Nikotin-Zufuhr sei angesprochener Infarkt zu verhindern.

…Glück, dass der Schiedsrichter auf Seiten der Gastgeber war:

Die Entscheidungen von Fernando Teixeira Vitienes wurden detailliert zerklaubt, analysiert und je nach Klub-Zugehörigkeit als richtig oder falsch bewertet. Summa summarum lässt sich aber sagen, dass Barca zumindest nicht benachteiligt wurde. Wäre Messi vom Platz gestellt worden, hätte das Tor von Ramos gezählt, wäre in einer der vielen strittigen Situationen auf Elfmeter entschieden worden,…die Partie hätte anders geendet. Eine Tatsache, der sich auch Jose Mourinho bewusst war. Wie „Mundo Deportivo“ enthüllt, lauerte der Real-Trainer nach dem Spiel dem Unparteiischen auf, um ihm noch ein paar Worte mit auf den Weg zu geben: „Du Selbstdarsteller! Wie es dir gefällt, es den Profis zu vermasseln.“

…Glück, dass sich das „beste Madrid“ zu spät findet:

Mourinho hat unzählige taktische Varianten versucht, um die derzeit „beste Mannschaft der Welt“ zu schlagen. Gelungen ist ihm das lediglich ein einziges Mal. Nach der Mittwochs-Partie musste aber auch Cesc Fabregas eingestehen, „dass es jedes Mal schwieriger wird“, gegen den Rivalen zu bestehen. „Wir waren sehr nahe dran. Dieses Team hat Qualitäten und Potenzial. Wir haben ein großes Spiel gemacht“, resümiert Xabi Alonso. Real sah sich zwar erneut einer negativen Ballbesitz-Statistik gegenübergestellt, konnte dafür aber ein deutliches Chancen-Plus vorweisen. Nur selten gelang es den Katalanen, den Ball so in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen wie vereinzelt in den letzten Minuten der ersten Hälfte. Die Gäste agierten mit hohem Pressing, spielten schnelle Konter und suchten ihr Heil von Beginn an in der Offensive. Dass mit dieser Aufstellungs-Variante im Hinspiel mehr drin gewesen wäre, steht für die „Madridistas“ ebenso fest, wie der Sieger des nächsten „Clasicos“. Die Formel, Barca zu schlagen, scheint gefunden.

Angesprochenes Glück könnte jedoch schnell relativiert werden, führt man sich die aktuelle Situation einen Tag nach dem Cup-Duell vor Augen.

Alexis und Iniesta verletzt

Mit Andres Iniesta (drei Wochen Pause wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel) und Alexis Sanchez (zwei Wochen out aufgrund einer Schulter-Verletzung) fallen zwei weitere Stammspieler aus.

Abzüglich der Langzeit-Verletzten David Villa, Ibrahim Afellay und Andreu Fontas, dem beim Afrika-Cup verweilenden Seydou Keita und dem zu Paris St. Germain transferierten Maxwell reduziert sich der Kader der ersten Mannschaft des FC Barcelona nun auf 14 Spieler.

Für das kommende Programm verheißt das nichts Gutes. In „La Liga“ geht es gegen Villarreal, Real Sociedad und Osasuna, im Cup höchstwahrscheinlich zwei Mal gegen den starken FC Valencia, für den die Copa del Rey wohl die einzige Chance auf einen Titel 2012 darstellt, ehe es Mitte Februar auch schon wieder in der Champions League losgeht.

Real gewinnt Erholungszeit

Real Madrid kann sich hingegen auf Meisterschaft und Champions League konzentrieren und gilt nicht zuletzt nach der eben gezeigten Leistung in beiden Bewerben als heißer Titelkandidat.

„Wer ausscheidet, bleibt angeschlagen“, waren die Worte von Pep Guardiola vor dem ersten Copa-Viertelfinal-Hinspiel.

Mit dem zur Schau gestellten Selbstvertrauen nach dem Beinahe-Sieg Reals und einem personell geschwächten Barca, scheint es nun möglicherweise genau umgekehrt zu sein.

Auf die Katalanen warten jedenfalls entscheidende Wochen.

Erst dann kann bewertet werden, ob der Triumph im „Copa Clasico“ nicht eher ein Pyrrhussieg war. Glück hin oder her.


Christian Eberle