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Van Bommel: "Die Bayern sind jetzt schon fast Meister"

Van Bommel:

Ruhig, abgeklärt und höchst bescheiden.

Wer Mark van Bommel als Spieler kennt, mag kaum glauben, dass er damit gemeint ist.

Der Niederländer ist abseits des Rasens ganz anders, als er es während seiner aktiven Laufbahn auf selbigem war.

Das Image, das er sich über Jahre aufbaute, die Bezeichnung "Aggressiv-Leader", die ihm Ottmar Hitzfeld verpasste, sie passen nicht (mehr) zum Fußballer außer Dienst.

Der 37-Jährige hat sich seit seinem Rücktritt 2013 zurückgezogen und treibt seine Ausbildung zum Fußballlehrer voran.

LAOLA1 hatte die Möglichkeit, "MvB" vors Mikrofon zu bekommen. Im großen Interview spricht der aktuelle Co-Trainer der U17-Nationalmannschaft der Niederlande über seine größten Siege und schlimmsten Niederlagen.

Desweiteren wähnt er den FC Bayern als "Fast-Meister" und traut ÖFB-Legionär Marcel Ritzmaier den Durchbruch zu.

LAOLA1: Mark, Sie haben einmal gesagt, am Ende einer Karriere gehe es darum, auf seiner Autogrammkarte möglichst viele Titel stehen zu haben. Sind Sie zufrieden, wenn Sie ihre heute signieren?

Mark van Bommel: (grinst) Es ist das Wichtigste, dass man Preise gewinnt. Dann weiß man auch, wofür man das getan hat. Das Geld gehört natürlich dazu, ich glaube aber, dass man kein gutes Gefühl hat, wenn man zwar gutes Geld verdient, aber nichts gewonnen hat. Ich bin stolz, derart viele Titel (20, Anm.) in vier Ländern gewonnen zu haben.

LAOLA1: Ihr größter Triumph war der Gewinn der Champions League mit dem FC Barcelona 2006. Was macht diesen Pokal, diesen Bewerb so einzigartig?

Van Bommel: Ich denke, dass die Champions League im Vereinsfußball das Größte ist. In Europa steht sie vielleicht sogar über der WM, weil hier die besten Spieler der Welt spielen. Alle Topstars stehen bei den Topvereinen Europas unter Vertrag. Wenn man nun diesen Bewerb gewinnt, ist das so, als würde man in den USA die NBA Finals oder die World Series in der MLB gewinnen. Die Gewinner sagen von sich, sie seien die Besten der Welt.

LAOLA1: Schmerzhafte Niederlagen gehören ebenso zum Sport - beispielsweise jene im CL-Finale 2010 mit dem FC Bayern gegen Inter Mailand. Wie lange hat es gedauert, sie zu verarbeiten?

Van Bommel: Das ging alles schnell, weil wir direkt mit Holland zur WM fuhren. Wenn man das Finale Revue passieren lässt, sieht man, dass wir so gut wie keine Chance hatten. Müller hätte vielleicht das 1:1 schießen können, aber Inter war viel besser. Vom Gefühl kann man dann schneller abschalten. Wenn man unverdient verliert, ist es hingegen schwierig, das zu verkraften.

LAOLA1: Wie haben Sie das verlorene WM-Finale 2010 mit den Niederlanden gegen Spanien verkraftet?

Van Bommel: Das war schwieriger. Wir hatten die erste richtig gute Chance des Spiels durch Robben. Da hat ein Zentimeter gefehlt und wir hätten das Spiel gewonnen. Das ist deutlich schwieriger, zumal das WM-Finale nur alle vier Jahre stattfindet. Diese Chance kriegt man oft nur einmal im Leben.

Mark van Bommel gewann in seiner Karriere 20 Titel, darunter die Champions League

LAOLA1: Er kam zuletzt auf unterschiedlichen Positionen, u.a. auch als Linksverteidiger, zum Einsatz. Wo ist er aus Ihrer Sicht am besten aufgehoben?

Van Bommel: Ich glaube, dass er auch Linksverteidiger spielen kann, seine Stärken liegen aber im Mittelfeld. Das muss der Trainer entscheiden, aber das bin ich nicht. Er ist sehr laufstark, hat eine gute Technik, einen guten Pass und einen guten Schuss – quasi alles, um sich weiterentwickeln zu können.

LAOLA1: Ihr Ex-Klub FC Bayern ist in der deutschen Bundesliga entgegen der Erwartung vieler Experten frühzeitig der Konkurrenz enteilt. Sind die Münchner auf dem Weg zur 25. Meisterschaft aufzuhalten?

Van Bommel: National sind sie nicht zu stoppen, sie sind jetzt schon fast Meister. Während andere Vereine Punkte liegen lassen, spielen die Bayern vielleicht mal unentschieden, verlieren aber fast nie. Sie können sich auf die Champions League konzentrieren. Der Vorteil der Bayern ist, dass sie einen super Kader haben. Man muss sich nur anschauen, wer auf der Bank sitzt, obwohl man auch noch jede Menge verletzte Spieler hat. Wenn Martinez sich verletzt und man kann Xabi Alonso kaufen, sagt das genug über den Verein, der sehr gut organisiert ist. Bayern ist der Maßstab in Deutschland und auch in Europa können sie gewinnen. Sie kommen fast immer unter die letzten Vier.

LAOLA1: Die Verantwortlichen wurden nach der Verpflichtung von Xabi Alonso kritisiert. Zunächst wurde er als "Notkauf" abgetan, inzwischen wird er gefeiert. Ihr Eindruck vom Spanier?

Van Bommel: Das ist das Spiel, wie es Guardiola mag. Der Aufbau durch die Mitte, Alonso macht das Spiel. Er ist immer frei und kriegt viele Bälle. Er ist wichtig in diesem Prozess, für mich ist es normal, dass er so viele Ballkontakte hat.

LAOLA1: In deutschen Medien wird immer wieder ein Bayern-Spieler als Weltfußballer gehandelt. International gilt Cristiano Ronaldo als klarer Favorit. Wer macht in diesem Jahr das Rennen?

Van Bommel: Arjen Robben hat die Fähigkeiten. Auch Ribery hat sie, dazu kommen Müller und Schweinsteiger. Es sind viele Spieler bei Bayern, die Weltfußballer werden können. Deutschland hat die WM gewonnen, dazu hat man Cristiano Ronaldo, Messi, Zlatan Ibrahimovic. Es gibt 30, 40 Spieler, die es werden können. Man muss aber auch immer schauen, was sie gewonnen haben. Man muss das auch von Preisen abhängig machen.

LAOLA1: Das spräche gegen Messi.

Van Bommel: So war es früher immer. Wenn man gewonnen hat, hatte man größere Chancen, zu gewinnen. Aber wer bin ich, um das zu entscheiden.

LAOLA1: Die Bezeichnung "Aggressiv-Leader" hat Sie über Jahre begleitet, heutzutage sucht man beinahe vergeblich nach Typen wie Ihnen. Gehen sie verloren oder sind sie schlicht nicht mehr von Nöten?

Van Bommel: Es war ein großes Kompliment von Ottmar Hitzfeld. Er hat das positiv gemeint, auch wenn viele das anders sahen. Es stimmt aber, dass es immer weniger Typen gibt, die das Spiel lesen können. Die Jungs heute werden ganz anders ausgebildet. Das ist aber normal, vor meiner Generation war auch alles anders. Früher hatte niemand ein Mobiltelefon, heute spielen alle PlayStation. Die Entwicklung geht weiter – auch im Fußball. Ich bin aber immer noch der Meinung, dass man in einer Mannschaft gute Typen braucht, die die Künstler besser spielen lassen.

LAOLA1: Kann man solche Spielertypen ausbilden?

Van Bommel: Man hat es oder nicht. Man kann es zwar entwickeln, aber nicht komplett drehen. Ein Schwiegersohn-Typ wird kein "Aggressiv-Leader", das muss man schon auch im Körper haben.

LAOLA1: Deutschland wurde mit der sogenannten "flachen Hierarchie" Weltmeister. Braucht man möglicherweise einen "Aggressiv-Leader" wie Sie nicht mehr, um Erfolg zu haben?

Van Bommel: Die deutsche Mannschaft ist eine außergewöhnliche Truppe, die sehr, sehr viele gute Spieler hat. Natürlich braucht man da auch Leader. Die hat man, zum Beispiel mit Bastian Schweinsteiger, nur auf eine andere Art, wie ich das vielleicht war. Es gibt sicher viele gleiche Typen, aber die können alle gut spielen. In Mailand hatten wir sechs, sieben Leute, die so waren wie ich – auch das kann funktionieren.

LAOLA1: Sie haben bei der PSV Eindhoven mit ÖFB-Legionär Marcel Ritzmaier gespielt. Welchen Eindruck haben Sie von ihm gewonnen?

Van Bommel: Ich hatte viel mit ihm zu tun und kann sagen, dass er ein guter Spieler, aber auch ein guter Kerl ist. Man hat Lust, ihn zu entwickeln, was ich versucht habe. Als wir zusammen in Eindhoven waren, hat er nicht so viel gespielt, deshalb ließ er sich dann zu Cambuur ausleihen. Dort habe ich ihn verfolgt und er hat sehr, sehr gut gespielt. Er ist jetzt zurück und ich bin ganz nah dran an PSV Eindhoven. Er macht das sehr gut, aber er muss öfter spielen und sich in die Mannschaft arbeiten. Die Fähigkeiten dafür hat er.

LAOLA1: Man hat in der jüngeren Vergangenheit wenig von Ihnen gehört. Haben Sie sich bewusst rar gemacht?

Van Bommel: Da haben Sie völlig recht. Ich habe mit dem Fußballspielen aufgehört und wollte mich dann ein bisschen zurückziehen. Die Trainerausbildung ist sehr zeitaufwändig. Ich wollte mich voll darauf konzentrieren, Interviews kann ich auch später noch geben. Es ist auch schwierig, wenn man so viele Anfragen kriegt. Dann nimmt man zwei wahr und die anderen 50 fragen, warum ich es nicht mit ihnen gemacht habe. Deshalb habe ich gesagt, ich mache gar nichts.

LAOLA1: Sie dienten unter vielen namhaften Trainern. Wer hat sie besonders geprägt, von wem konnten sie am meisten lernen?

Van Bommel: Ich hatte sehr viele gute Trainer, man sollte aber keinen imitieren. Ich will nicht das Gleiche machen, sondern meine eigenen Erfahrungen machen. Man kreiert sein eigenes Trainerbild und sollte keine Karikatur eines anderen sein. So sollte man auch trainieren. Wenn man jemanden kopiert, sehen die Spieler auch, dass das nicht natürlich ist.

LAOLA1: Ist der Trainer Mark van Bommel ebenso ein Heißsporn wie der Spieler?

Mark van Bommel: Ich bin inzwischen ruhiger. Ich war schon als Spieler ruhig (lacht), aber manchmal wollte ich den Ball unbedingt haben und schoss dabei übers Ziel hinaus. Im Nachhinein ist es aber schön, denn wenn die Leute noch darüber reden, bedeutet es, dass man auch etwas erreicht hat. Meine Spielweise war so, dass ich alles dafür getan habe, um zu gewinnen. Wenn ich eine Mannschaft trainiere, will ich auch, dass sie alles dafür macht. Das will ich als Trainer mitnehmen.

LAOLA1: Als Spieler haben Sie fast alles gewonnen. Welche Ambitionen verfolgen Sie als Trainer?

Van Bommel: Als Spieler lautete das Ziel, die Champions League zu gewinnen. Als Trainer hat man das auch, allerdings weiß ich jetzt noch nicht genau, ob ich auch ein guter Trainer bin. Ich mache jetzt mal die Ausbildung und dann werden wir sehen, wie weit es für mich geht. Wenn man einmal Trainer ist, kann man sich Ziele setzen, jetzt kann man aber noch nichts planen – nicht im Fußball.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.


Das Interview führten Christoph Nister und Christian Eberle