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"Alles andere ist fahrlässig"

Am 29. März 2011 stand Jürgen Macho noch gegen die Türkei im Tor des ÖFB-Nationalteams, den Sommer darauf ging er bewusst auf Tauchstation, "um dem Trubel zu entfliehen".

Zwei Knie-Operationen machten seinen Plänen bei Panionios Athen einen Strich durch die Rechnung. Mit den Rückschlägen musste der ambitionierte 34-Jährige erst umgehen lernen. Dazu gesellten sich vertragliche und finanzielle Probleme mit seinem Klub.

Das Karriereende stand bereits im Raum, doch der Torhüter entschied sich dank der behandelnden Ärzte dafür, für sein Ziel zu kämpfen.

Nach einem knappen Jahr voller Tiefen und Schmerzen absolvierte der Wiener wieder sein erstes Torwart-Training und meldet sich im Gespräch mit LAOLA1 fokussiert zurück: „Es ist Land in Sicht.“

LAOLA1: In letzter Zeit hat man wenig von dir gehört. Zu allererst: Wie geht’s dir gesundheitlich?

Jürgen Macho: Es war ein sehr schwieriges Jahr mit zwei Knieoperationen, auch für den Kopf. Es hat mit Problemen mit der Patellasehne einen Rückschlag in der Reha-Phase gegeben und so musste ich im Oktober nochmals in Deutschland bei Dr. Boenisch (Anm. d. Red.: u.a. Vereinsarzt beim FC Augsburg) operiert werden. Die OP ist sehr gut verlaufen und er war auch bei der Reha in Augsburg dabei. Ich wollte einfach meine Ruhe haben, es war eine sehr schwierige, komplexe Sache. Ich wusste nach der zweiten OP, dass es sehr langwierig wird und das Jahr gelaufen ist. Ich wollte dem ganzen Trubel entfliehen, auch in Wien. Ich hatte dort anfangs die Reha, aber ich hatte nicht die Ruhe, mich auf das zu konzentrieren. Es war wahrscheinlich das schwierigste Jahr überhaupt. Ich habe aber den Kampf in Rücksprache mit den Ärzten, auch mit Dr. Müller-Wohlfahrt (u.a. Vereinsarzt des FC Bayern), in Anspruch genommen. Der Stand ist jetzt so, dass es schon wieder bedeutend besser aussieht, ich schon wieder am Platz was machen kann. Ich nehme mir die ganze Zeit, die ich brauche. Ich werde wieder zurückkommen. Wann das sein wird, kann ich jetzt nicht genau sagen. Mit so einer Verletzung wollte ich nicht aufhören, das wäre nicht würdig gewesen.

LAOLA1: Du musstest etwa ein Jahr pausieren. Wie schön war es, vor wenigen Tagen wieder auf den Fußballplatz zurückzukehren?

Macho: Es war schön nach so langer Zeit. Ich war es nicht mehr gewohnt. Das sind die ersten Schritte, wieder in den normalen Alltag zurückzukommen. Man muss sich wirklich Schritt für Schritt herankämpfen, aber ich bin nach der schwierigen Zeit jetzt wieder sehr positiv gestimmt. Wenn du ein dreiviertel Jahr in der Reha unterwegs bist und nur für dich bist, ist es verdammt schwierig. Wenn ich eines habe, ist es die mentale Stärke und der Wille dazu. Das ist das Wichtigste für mich.

LAOLA1: Gibt es noch Nachwirkungen der Verletzung oder traust du dir schon wieder alles zu?

Macho: Vom Knie her gibt es überhaupt keine Probleme, vom Muskelaufbau muss ich noch ein bisschen zulegen. Ich habe das Problem, dass ich relativ viel Muskelmasse verloren habe, da ich insgesamt zwölf Wochen eine Schiene tragen musste. Da weiß man, wie schnell der Muskel zurückgeht. Im Großen und Ganzen ist das Knie aber stabil und eigentlich in Ordnung.

LAOLA1: Wo und mit wem hältst du dich momentan fit?

Macho: Im Moment halte ich mich mit dem Torwarttrainer von Pasching, Andreas Nussbaumer, fit. Er war damals mein Trainer beim LASK und ist ein guter Freund von mir. Er hat sich während der ganzen Zeit um mich gekümmert, nach mir gefragt und hat sofort seine Hilfe angeboten. Ich bin sehr glücklich darüber, da ich hervorragende Bedingungen vorfinde und in Ruhe und ohne Ablenkung gezielt arbeiten kann.

LAOLA1: Geht es dort rein ums Training oder könnte sich da mehr entwickeln?

Macho: Es geht jetzt rein darum, wieder in das Torwart-Business hineinzufinden. Wenn ich dann soweit bin, dass ich wieder in ein Mannschafts-Training einsteigen kann, werde ich mich auch in der Richtung orientieren. Da ich die Zeit nach meiner Verletzung alleine durchziehen musste, habe ich mir einen Plan erstellt und den verfolge ich. Schritt für Schritt wird der abgearbeitet. Ich habe die ganzen Operationen, den Reha-Verlauf, die Trainings selbst organisiert und gemanagt.

LAOLA1: Wie ist es dazu gekommen, dass dein Vertrag mit Panionios Athen aufgelöst wurde?

Macho: Es war schade, wie es geendet ist. Ich hatte eine ganz gute Saison bei Panionios und denke, dass ich sehr viel für den Verein geleistet habe, auch in schwierigen Zeiten, in denen es dem Verein nicht so gut gegangen ist. Im zweiten Jahr ist mir leider die Verletzung passiert. Ich war dadurch am Boden. Die Reaktion vom Verein war nur so, dass sie mir gesagt haben, dass sie meinen Vertrag nicht mehr unterstützen, auch wenn der noch immer laufen würde. Sie haben keine Lohnzahlungen gemacht, das ist mittlerweile ein Gerichtsverfahren. Es ist schwierig, wenn man eine Verletzung bekämpfen und nebenbei noch ein Gerichtsverfahren führen muss. Das macht das noch viel spezieller. Da ist der mentale Aspekt und es ist immer schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. Aber es war die Entscheidung vom Verein, den Rest müssen die Gerichte klären. Für mich ist das Wichtigste, dass ich wieder fit werde und eine neue Herausforderung suche.

LAOLA1: Du kämpfst also nicht um deinen Vertrag, sondern um die nicht erhaltenen Lohnzahlungen?

Macho: Ich hatte einen normalen Spielervertrag. Es funktioniert ganz einfach nicht, dass man keine Zahlungen mehr tätigt, wenn ein Spieler verletzt ist, weil man vielleicht der Meinung ist, dass es eigenes Verschulden war. Es gibt Sportverletzungen. Diese Sache ist nicht angenehm, aber es wird jetzt alles geregelt. In den ersten zwei Prozessen habe ich Recht bekommen, sowohl von der Super League als auch von der Football Federation in Griechenland.

LAOLA1: Rein aufs Sportliche bezogen, willst du die Zeit aber nicht missen?

Macho: Das Ende ist schade. Ich wollte nicht, dass es so endet. Wir haben ein schwieriges Jahr gehabt, die Leistungen waren eigentlich sehr gut. Aber ich kann es nicht ändern, man muss nach vorne schauen.

LAOLA1: Hast du selbst bei dieser mentalen Belastung irgendwann einen Gedanken ans Karriereende verschwendet?

Macho: Ich habe damals Dr. Müller Wohlfahrt und Dr.  Boenisch, zwei absolute Fachmänner auf dem Gebiet, gebeten: „Sagen Sie mir jetzt, ob es noch Sinn macht, dagegen anzukämpfen, da ich nur gegen etwas ankämpfen kann, wo ein Sinn dahintersteht.“ Sie haben mir gesagt, dass es eine verdammt schwierige, langwierige Zeit wird und ich beißen muss und Schmerzen haben werde. Aber es ist Land in Sicht. Darum habe ich das so angenommen. Wenn ich im Nachhinein zurückblicke, denke ich mir schon manchmal: „Hättest du’s lieber sein lassen.“ Es war eine verdammt schwierige Zeit, wenn du trainierst und es geht nichts weiter, es zieht sich alles und es sind Schmerzen dabei. Ich bin noch nicht am Ziel angelangt, aber ich bin auf einem sehr guten Weg.

LAOLA1: Du setzt dich aber nicht unter Druck, dass du bis zum Tag x unbedingt wieder spielen musst.

Macho: Überhaupt nicht. Wenn ich eines aus der Geschichte gelernt habe, dann, dass ich keinen Schritt schneller machen kann, als es möglich ist. Speziell bei einer Sehnengeschichte im Knie. Du musst extrem vorsichtig sein und Schritt für Schritt machen. Wenn ich hundertprozentig fit bin, weiß ich genau, dass ich die Klasse habe, um mich wieder zurückkämpfen zu können. Ich werde jetzt 35 Jahre, als Torwart kann man noch immer zwei, drei Jahre auf gutem Niveau spielen. Deshalb mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Die Grundvoraussetzung für mich ist, fit zu sein. Mit fit meine ich, hundert nicht 99 Prozent. Mein ganzes Leben war so, dass ich nur was machen kann, wenn ich hundertprozentig da bin. Alles andere ist mir und anderen gegenüber fahrlässig. Deshalb werde ich mich auch erst dann bei einem Verein vorstellen.

LAOLA1: Wirst du erst dann aktiv werden oder hört man sich prinzipiell einmal um, was möglich wäre?

Macho: Nur weil ich lang weg war, habe ich nicht komplett den Faden zum Fußball verloren. Ich bin sehr gut über die ganzen Geschehnisse informiert, ich habe nichts versäumt. Ich will aber erst dann aktiv auf Klubsuche gehen, wenn es Sinn macht, in ein Training einzusteigen und mit Vereinen zu sprechen.


Das Gespräch führte Alexander Karper