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"Mit 25 Jahren spiele ich in einer Top-Liga"

Die Erwartungen waren hoch.

Ein österreichischer Youngster bei Benfica Lissabon. Jenem Verein, der in den letzten Jahren klingende Namen wie Lazar Markovic, Ezequiel Garay, Nemanja Matic, Axel Witsel, Fabio Coentrao, Angel di Maria oder David Luiz „produzierte“ und verkaufte.

So schossen die Erwartungen im Sommer in die Höhe, als Kevin Friesenbichler den Sprung von den Bayern Amateuren zum portugiesischen Top-Klub wagte. Vom nächsten Nationalteam-Stürmer war die Rede.

Die Realität sieht jedoch anders aus: Polen statt Portugal. Lechia Gdansk statt Benfica Lissabon.

„Ich bin nach Lissabon gekommen und auf einmal waren 40 Spieler beim Training. Da waren ziemlich viele gute Spieler dabei. Mir war schon am ersten Tag klar, dass ich nicht die ganze Saison spielen werde. Da habe ich dann schon beschlossen, dass es zu einer Leihe hinführen wird“, klärt der 20-Jährige bei LAOLA1 auf, wieso er nach seinem Transfer gleich wieder verliehen wurde.

Polen sei jedoch nur eine bewusste Zwischenstation auf seiner Reise zu einem europäischen Spitzen-Verein. „Mein Ziel ist es, spätestens mit 25 Jahren in einer der fünf besten Ligen der Welt zu spielen. Mein großes Ziel ist Deutschland, dort will ich spätestens mit 25 spielen. Das werde ich auch erreichen, da bin ich guter Dinge.“

Warum er lieber nach Polen, als nach Österreich ging, Kritiker ihm nur ein Schmunzeln kosten und er seinen Freund Marcel Sabitzer nicht beneidet, erklärt Kevin Friesenbichler im großen LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Wie hast du dich in dem halben Jahr in Polen bereits eingelebt?

Kevin Friesenbichler: Meine Vorstellung von Polen war etwas anders. Ich war ein wenig skeptisch, ich habe es mir nicht so schön vorgestellt. Es ist aber, als würdest du in Österreich oder Deutschland leben. Alles ist schön und sauber. In der Mannschaft sprechen die meisten Spieler Englisch, der andere Teil Deutsch. Es hilft viel, wenn du neu in eine Mannschaft kommst und dich gleich mit allen verständigen kannst.

LAOLA1: In der Hinrunde konntest du in sieben Einsätzen für Lechia Gdansk in der Ektraklasa zwei Tore erzielen. Am Wochenende hast du gegen Ruch Chorzow dein drittes Saison-Tor erzielt. Wie zufrieden bist du mit der bisherigen Saison?

Friesenbichler: Nicht wirklich. Ich bin hergekommen und habe im ersten Spiel nach nur zwei Trainings schon eine Halbzeit gespielt, eine gute Leistung gezeigt und getroffen. Danach ist es gut weitergelaufen, aber nur drei bis vier Spiele. Dann habe ich mich leicht verletzt, bin zurückgekommen und habe wieder getroffen. Dann war ich beim Nationalteam und habe mich erneut verletzt. Da bin ich vier Wochen mit einer Innenbandzerrung ausgefallen. So gesehen kann ich nicht zufrieden sein. Jetzt habe ich aber eine gute Vorbereitung hinter mir und habe einen fixen Platz in der Mannschaft. Ich bin erster Stürmer. Mit der Vorbereitung und den ersten Spielen bin ich zufrieden. Vor dem zweiten Spiel hat im Abschlusstraining der Muskel zugemacht und ich konnte nicht spielen. Jetzt geht es aber wieder.

Kevin Friesenbichler wollte gezielt in eine Liga, in der hart gespielt wird

Friesenbichler: Das wird sich zeigen, ich bin offen für alles. Wenn Benfica zufrieden ist und sagt, ich soll zurückkommen, weil sie auf mich bauen, dann schlage ich das Angebot sicher nicht aus. Wenn sich andere Sachen ergeben, bin ich keiner, der sagt, ich habe noch drei Jahre in Lissabon Vertrag und muss mich dort krampfhaft versuchen durchzubeißen. Da muss man realistisch bleiben und schauen, was sich ergibt.

LAOLA1: Gab es im Sommer auch andere Optionen neben einem Wechsel zu Benfica Lissabon?

Friesenbichler: Die gab es schon, in der deutschen Bundesliga oder zweiten Liga. Für mich war relativ schnell klar, dass es Benfica wird. Sie haben sich wirklich um mich bemüht und ich habe schon Anfang Mai dort unterschrieben. Für mich war es sogar noch viel früher klar. Erstens, weil Benfica Lissabon ein großer Name ist. Zweitens, weil von dort schon viele Spieler nach England, Spanien oder Deutschland gewechselt sind. Den Weg muss man durchziehen, auch wenn man verliehen wird und wo anders spielt. Mein Stammverein ist immer noch Benfica Lissabon, die schauen schon, wen sie wohin verleihen und wie sich derjenige tut. Wenn man Gas gibt, ist die Chance, wieder bei Lissabon zu spielen, immer noch vorhanden.

LAOLA1: War eine Rückkehr nach Österreich zu irgendeinem Zeitpunkt ein Thema?

Friesenbichler: Es gab schon Angebote aus Österreich. Wie gesagt, wollte ich lieber den Weg über Polen gehen, weil dort körperbetonter gespielt wird und das genau etwas ist, was mir noch fehlt.

LAOLA1: Abgesehen von der körperlichen Komponente: Wie ist die polnische Ektraklasa im Vergleich zur österreichischen Bundesliga?

Friesenbichler: Ich habe noch nie in der österreichischen Bundesliga gespielt, daher kann ich das nicht vergleichen. Ich würde aber schätzen, dass es vom Niveau her ungefähr gleich ist. Hier gibt es mehr Mannschaften in der Liga, nicht nur zehn. Alles ist eng, du kannst gegen jeden gewinnen oder verlieren. Jede Mannschaft hat gestandene Spieler, die schon lange in der Liga aktiv sind. Ob Österreich besser ist, kann ich nicht einschätzen. Ich denke aber, dass die ersten vier bis fünf Vereine in Polen, zu denen wir normalerweise dazugehören, in der deutschen Bundesliga mitspielen könnten.

LAOLA1: Was würdest du sagen, wenn ein „Top-Verein“ aus Österreich bei dir anklopft?

LAOLA1: Du hast jetzt schon länger immer wieder mit kleineren Verletzungen zu kämpfen. Woran liegt das?

Friesenbichler: Es gehört immer etwas Pech dazu, wenn du Verletzungen hast. Wenn du zum Beispiel in einen Pressball gehst und der Gegner dich mit den Stollen am Knie trifft. Es liegt aber auch an meiner Instabilität. Die meisten meiner Verletzungen sind über der Gürtellinie, im Rumpf- oder Schulterbereich. Ich habe mich da im letzten halben Jahr schon verbessert, im Training wurde zudem darauf geachtet, dass ich stabiler werde. Das ist jetzt schon relativ gut, darauf kann man aufbauen. Wenn man stabiler ist, ist man weniger verletzt.

LAOLA1: Anderes Thema: Wie lief deine Leihe zu Gdansk im Sommer eigentlich wirklich ab?

Friesenbichler: Ich bin nach Lissabon gekommen und auf einmal waren 40 Spieler beim Training. Da waren ziemlich viele gute Spieler dabei. Mir war schon am ersten Tag klar, dass ich nicht die ganze Saison spielen werde. Bei der Dichte an guten Leuten, hast du als junger Spieler wenige Chancen. Mir wurde gesagt, dass ich vorwiegend in der zweiten Mannschaft spielen werde. Das wurde mir aber erst mitgeteilt, als ich dort war. Das war wieder eine neue Situation, weil ich nicht damit gerechnet habe, da ich einen Vertrag für die erste Mannschaft unterschrieben habe. Am ersten Tag habe ich dann schon beschlossen, dass es zu einer Leihe hinführen wird.

LAOLA1: Wie kamst du dann nach Polen?

Friesenbichler: Das war ein guter und richtiger Schritt. Hier wird viel körperbetonter gespielt. Wie gesagt, es fehlt mir die Stabilität im Rumpfbereich und im ganzen Körper. Wenn ich gegen kräftige und ältere Spieler spiele, ist es perfekt, um in diesem Bereich aufzuholen und mich zu verbessern. Das war schon ein Hintergedanke und hat für Polen und gegen Österreich oder die zweite deutsche Liga gesprochen.

LAOLA1: Das war also rein deine Entscheidung und nicht die von Benfica. Hatten die Portugiesen nichts dagegen?

Friesenbichler: Sie wollten schon, dass ich da bleibe und in der zweiten Mannschaft spiele. Mir war es aber ein Anliegen, das nicht zu tun. In Wahrheit stand aber im Vertrag, dass ich nicht so lange für die zweite Mannschaft spielen soll oder muss. Somit hat es sich ziemlich schnell erledigt.

LAOLA: Die Erwartungen der Öffentlichkeit und der Medien waren bei deinem Wechsel zu Benfica hoch, es war die Rede, dass du mit guten Leistungen bei Benfica unser nächster Teamstürmer werden könntest. Hattest du ebenfalls so hohe Ziele?

Friesenbichler: Dass es nicht in einem Jahr gehen wird, war mir schon klar. Meine Erwartung war, dass ich runter gehe und Teil der ersten Mannschaft bin. Das wäre ich zwar gewesen, ich wollte aber Teil von 25 und nicht 40 Spielern sein. Dann hätte ich ein halbes Jahr hart arbeiten müssen und hätte etwas Glück gebraucht. Im Fußball braucht man immer auch etwas Glück. Das hatte ich leider nicht. Das ist aber Vergangenheit, darüber mache ich mir keine Gedanken. Wie es jetzt aussieht, bin ich auf einem guten Weg, entweder nach Lissabon zurückzukehren oder woanders hin zu wechseln.

LAOLA1: Wieder als Leihe?

Friesenbichler: Es ist nicht so, dass ich zwanghaft im Ausland bleiben will. Ich habe aber noch Vertrag in Lissabon, das vorrangige Ziel ist, dass ich mich dort durchsetze. Sollte das nicht gelingen und es klopft dann einer dieser Vereine an und alles passt, denke ich natürlich darüber nach. Mein Ziel ist aber wie gesagt, mich bei Benfica durchzusetzen, am besten schon ab Sommer.

LAOLA1: Marcel Sabitzer, ein guter Freund von dir, ging den Weg über Österreich und spielt inzwischen bei Red Bull Salzburg und kam somit auch in der Europaleague zum Zug. Daneben hat er auch schon A-Team-Einsätze – beneidest du ihn etwas?

Friesenbichler: Nein, gar nicht. Er hat den Weg gewählt und für sich alles richtig gemacht. Er ist bei Salzburg gesetzt, spielt Europaleague und Nationalteam – was willst du mit 20 Jahren mehr? Er hat einfach einen anderen Weg genommen, ich wollte den über das Ausland gehen. Ich würde nicht sagen, dass ich verloren habe oder gescheitert bin. Auch wenn es viele Leute behaupten. Ich bin 20 Jahre alt und habe noch 14 Jahre, um Fußball zu spielen. Wenn ich mit 35 Jahren hier stehe und immer nur ein Jahr bei jedem Verein war, weil mich keiner wollte, dann kann ich sagen, ich habe es nicht geschafft. Ich habe jetzt noch fünf Jahre Zeit, um mich zu entwickeln und zu einem richtig großen Verein zu kommen. Da bin ich jetzt auf einem guten Weg.

LAOLA1: Bekommst du mit, dass dich einige Kritiker bereits jetzt als ewiges Talent abstempeln?

Friesenbichler: Eigentlich nicht wirklich. Es interessiert mich aber auch einfach nicht, was diese Leute reden, ich konzentriere mich auf mich. Dass es im Fußball Leute gibt, die viel reden und immer ihren Senf dazugeben, weiß man schon lange. Ich spiele in Österreich im U21-Team, dort bin ich im Kern dabei. Die Spieler sind auch alle um die 20 Jahre alt, von denen ist ebenfalls noch keiner gescheitert. Ein paar spielen in der zweiten deutschen Liga oder in der österreichischen Bundesliga. Wenn man dann zu einem, der in der polnischen Liga spielt und sich gerade als Stammspieler etabliert, sagt, er ist gescheitert, höre ich mir das mit einem Schmunzeln an.

LAOLA1: Du wirst im Mai 21 Jahre alt, wo siehst du dich in zwei Jahren?

Friesenbichler: Auf jeden Fall ist es mein Ziel, dann weiter zu sein. Jeder Fußballer will in zwei Jahren weiter sein, als er jetzt ist. Ich mache mir aber keinen Stress. Mein Ziel ist es, spätestens mit 25 Jahren in einer der fünf besten Ligen der Welt zu spielen. Mein großes Ziel ist Deutschland, dort will ich spätestens mit 25 spielen. Das werde ich auch erreichen, da bin ich guter Dinge.

 

Das Gespräch führte Matthias Nemetz