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"Natürlich war viel Risiko dabei!"

Wenn Thomas Pichlmann derzeit auf die Tabelle schaut, muss ihn oft jemand zwicken, damit er sich nicht wie in einem schönen Traum vorkommt.

Mit acht Siegen in Folge ist sein Klub Hellas Verona auf Platz zwei der Serie B gestürmt - und das als Aufsteiger.

"Wenn wir jetzt noch den Neunten einfahren, wären wir vor Juventus Turin der alleinige Rekordhalter. Das wäre schon schön", schmunzelt der Wiener.

Noch schöner wäre für den 30-Jährigen allerdings, wenn er mit dem Traditionsklub aus Venetien tatsächlich den Durchmarsch in die Serie A schaffen würde.

Dann hätte sich Pichlmann, der mit vier Toren aus sieben Spielen einen entscheidenden Anteil am Höhenflug hat, seinen Lebenstraum erfüllt.

Im LAOLA1-Interview erklärt der Stürmer auch, warum er als Joker einen besonderen Kick verspürt, eine Rückkehr nach Österreich immer näher rückt und er unter anderen Umständen schon mehr Länderspiele hätte.

LAOLA1: Thomas, acht Siege in Folge, Platz zwei in der Tabelle: Wie groß ist die Euphorie in Verona?

Thomas Pichlmann: Die ist mittlerweile schon unglaublich groß. Die Fans reden nur mehr von der Serie A. Unser Trainer muss jetzt aufpassen, dass der Druck nicht zu groß wird.

LAOLA1: Mit diesem Erfolgslauf war nicht unbedingt zu rechnen, oder? Ihr seid ja erst in die Serie B aufgestiegen.

Pichlmann: Nein, damit konnte man natürlich überhaupt nicht rechnen. Aufgrund der Drei-Punkte-Regel marschierst du mit acht Siegen gleich nach oben. So wird es natürlich nicht weitergehen. Aber wir haben jetzt gegen jede Mannschaft einmal gespielt und waren immer auf Augenhöhe. Darum wollen wir bis zum Ende um den Aufstieg mitspielen.

LAOLA1: Du hast am Erfolgslauf einen nicht unwesentlichen Anteil. Vier Tore in sieben Spielen ist eine starke Bilanz. Vor allem, da du im Schnitt alle 66 Minuten triffst. Brauchst du nicht viel Anlaufzeit?

Pichlmann: Das kann man schwer beschreiben. Ich verspüre immer einen besonderen Kick, wenn ich reinkomme und die Partie auf Messers Schneide ist. Das war schon in Pasching eine Spezialität von mir. Da war ich hinter Mayrleb und Glieder auch oft Ersatz, habe aber meist getroffen, wenn ich ins Spiel gekommen bin. Ich muss jedoch zu meiner Verteidigung sagen, dass ich auch bei meinen zwei Startelf-Einsätzen getroffen habe (lacht).

LAOLA1: Du hast also mit der Joker-Rolle kein Problem?

Pichlmann: Es gibt für einen Stürmer ja nichts schöneres, wenn du als Joker das Spiel drehst. Vom Gefühl her ist das fast noch besser. Vielleicht macht mich genau diese Einstellung als Einwechselspieler so stark. Heuer hängt meine Joker-Rolle auch damit zusammen, dass ich die Vorbereitung verletzungsbedingt verpasst habe.

LAOLA1: Du hast deinen Vertrag im Herbst vorzeitig bis 2014 verlängert. Warum dieser Schritt?

Pichlmann: Das hat verschiedene Gründe gehabt. Zum einen ist der Präsident sehr zufrieden mit mir. Zum anderen habe ich gesagt, dass ich noch bis 33 in Italien bleiben möchte. Am liebsten in Verona. Dann würde ich gerne noch einmal in Österreich spielen. So hat sich das ergeben, dass ich vorzeitig verlängert habe. Im Fußball kann man aber ohnehin nichts planen – es geht einfach sehr schnell. Ich will mir einfach den Traum von der Serie A noch erfüllen.

LAOLA1: Der Traum könnte schneller als gedacht in Erfüllung gehen.

Pichlmann: Das stimmt. Als ich als Kind mit dem Fußball spielen begonnen habe, war mein Traum immer, in eine der großen Ligen zu spielen und dort ein Tor zu erzielen. Mit Grosseto waren wir mal im Playoff-Halbfinale, aber der Klub wollte eigentlich nie wirklich in die Serie A. Bei Verona ist das ganz anders. Bei Verona wäre es auch so, dass sich die Serie A nach unserer Rückkehr sehnt. Der Verein gehört vom Umfeld und von den Fans einfach nach oben.

LAOLA1: Was macht euch derzeit so stark?

Pichlmann: Wir tun uns in der zweiten Liga leichter als in der dritten. Dort waren wir immer Favorit und sind deshalb mehr unter Druck gestanden. Wenn es da nach 80 Minuten 0:0 gestanden ist, haben die Fans gepfiffen. Ein Unentschieden war wie eine Niederlage. Von der Qualität der Mannschaft können wir absolut oben mitspielen. Wir haben die nötige Routine und Ruhe im Team.

LAOLA1: Mit im Schnitt 27 Jahren ist eure Startelf in der Tat sehr routiniert. Ist das in der Serie B der wichtigste Faktor?

Pichlmann: Es ist ein wichtiger Faktor. Aber es ist auch wichtig, dass du gute Junge hast. Wenn du die richtigen Talente rauspickst, dann macht das den Unterschied. Durch die Krise in Italien sind die Vereine dazu gezwungen, mehr auf die jungen Spieler zu setzen. Unser Verein hat beispielsweise mit Jorginho und Tachtsidis ein glückliches Händchen bewiesen.

LAOLA1: Bei höher eingeschätzten Klubs wie Sampdoria und Livorno läuft es dagegen überhaupt nicht.

Pichlmann: Ja, vor allem Sampdoria enttäuscht bislang auf ganzer Linie. Sie sind als Riesen-Favorit in die Saison gegangen, haben groß investiert. Man muss halt abwarten, was im Winter passiert. Der Präsident hat schon angekündigt, dass er noch einmal reinpulvern will. Sampdoria ist auch der einzige Klub, der finanziell etwas machen kann. Alle anderen Mannschaften sind mit uns auf Augenhöhe.

LAOLA1: Eure Fans sind voller Erwartungen. Was ist heuer letztlich drin?

Pichlmann: Der Verein hat wieder über 11.000 Dauerkarten verkauft, die Fans begleiten uns auch auswärts überall hin. Die Erwartungen werden jetzt natürlich größer, aber die Stimmung ist immer positiv. Wie schon eingangs erwähnt, wollen wir heuer die Gunst der Stunde nützen und bis zuletzt oben dran bleiben. Außerdem sind wir im Cup als einzige Serie-B-Mannschaft noch im Rennen.

LAOLA1: Verspürst du Genugtuung gegenüber deinen Kritikern, die gemeint haben, dass der Wechsel in die Serie C ein großer Fehler ist?

Pichlmann: Natürlich war viel Risiko dabei. Dass es jetzt so gut läuft, hätte ich vor einem Jahr auch nicht geglaubt. Von der Serie C bis auf den zweiten Platz der Serie B – das ist schon unglaublich. Für mich war es der beste Schritt, den ich machen konnte. Wobei ich keine Angst hatte, dass ich nicht mehr in die Serie B komme. Selbst wenn wir mit Verona nicht aufgestiegen wären, hätte ich wohl einen höherklassigen Verein gefunden. Meine Torquote in Italien ist ja keinem verborgen geblieben.

LAOLA1: In Österreich führst du medial eher ein Schattendasein. Stört dich das?

Pichlmann: Dafür ist das Medieninteresse in Italien und speziell in Verona umso größer. Ich bekomme von Österreich nicht so viel mit. Aber natürlich stehst du als Legionär in Deutschland oder auch in England mehr im Fokus. Wenn ich in den letzten Jahren woanders gespielt und diese Torquote gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich auch ein paar Länderspiele mehr.

LAOLA1: Jetzt gibt es ja einen neuen Teamchef. Hast du das Nationalteam im Hinterkopf?

Pichlmann: Ich war unter Constantini ja schon mal auf Abruf, also der ÖFB weiß schon noch, dass es mich gibt. Akagündüz hat damals auch als Serie-B-Spieler im Nationalteam gespielt. Man würde mich sicher mehr fordern, wenn ich in Deutschland diesen Torschnitt hätte. Ich für mich habe meine Ziele klar abgesteckt und dazu gehört, dass ich in der Serie A spielen will. Die Entscheidungen rund ums Nationalteam kann ich ohnehin nicht beeinflussen.

Das Interview führte Kurt Vierthaler