news

Der "Austro-Ciociaro"

Der

„Es war das erste Mal, dass dieses Derby in der Serie B gespielt wurde. Schon ein Monat davor wurde von nichts anderem als diesem Spiel geredet. Und wir gewinnen auswärts 4:1. Dieses Spiel ist in die Geschichte eingegangen, darüber werden sie hier in 30 Jahren noch sprechen.“

„Die Fans sind zum Training gekommen und haben uns dann zur Autobahn gebracht. Beim Spiel selbst konnten leider nur wenige von ihnen dabei sein, weil Latina ein Stadionproblem hat, dort ist die Auswärtstribüne gesperrt.“

„Als wir zurückgekommen sind, haben 3.000 Fans in unserem Stadion auf unsere Ankunft gewartet und uns gefeiert, als ob wir die Meisterschaft gewonnen hätten. Man kann gar nicht beschreiben, wie wichtig den Menschen dieses Spiel war.“

Tabellenführer als Aufsteiger

Wenn Robert Gucher von seinen Erlebnissen am 2. November 2014 erzählt, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Der Auswärtstriumph im „Derby del Basso“ gegen US Latina war aber nur einer der Höhepunkte in dieser Saison für Frosinone Calcio.

Am vergangenen Wochenende hat der Klub aus der Stadt, die 86 Kilometer südlich von Rom liegt, das nächste Ausrufezeichen gesetzt. Wieder ein 4:1. Diesmal daheim gegen Trapani. Damit hat sich Frosinone in der Serie B abermals an die Spitze der Tabelle gesetzt. Als Aufsteiger wohlgemerkt.

Gucher als Kapitän

Der Steirer schwimmt auf dieser Erfolgswelle nicht nur mit, er ist einer der Hauptverantwortlichen dafür. In verletzungsbedingter Abwesenheit von Kapitän Alessandro Frara führt Gucher die Mannschaft mit der Schleife aufs Feld.

Die rot-weiß-rote Kapitänsbinde trägt der Mittelfeldspieler nicht ohne Stolz. „Es ist eine Riesenehre, als 23-jähriger Österreicher so ein Standing zu genießen. Ich bin für die Fans und den Verein eine Identifikationsfigur geworden. Im letzten Spiel kamen Sprechchöre mit meinem Namen. Das ist nicht alltäglich“, berichtet er.

„Ich werde als Einheimischer angesehen“

Gucher, der im Sommer 2008 als Teenager vom GAK nach Frosinone kam und nach zwischenzeitlichen Gastspielen in der Genoa-Primavera und beim Kapfenberger SV seit Sommer 2012 endgültig zurück in seiner Wahlheimat ist, ist zwar einer von nur zwei Legionären im Kader, ist in der Wahrnehmung kein Ausländer mehr.

„Sie nennen mich den „Austro-Ciociaro“. Ich werde als Einheimischer angesehen und fühle mich auch schon so“, sagt er. „Ciociari“ sind die Menschen aus der Region, in der er spielt, in der er längst heimisch geworden ist.

Der Empfang nach dem Sieg im "Derby del Basso" gegen Latina

Über die Schleife im Österreich-Stil freut sich der „Centrocampista“ deshalb aber nicht weniger. Zumal das Teil ziemlich überraschend aufgetaucht ist: „Das war Zufall. In einem Spiel, in dem ich auf der Bank gesessen bin, hatte der Spieler, der Kapitän war, auf einmal diese Schleife. Für gewöhnlich hatten wir immer nur eine grüne und eine weiße Schleife. Der Zeugwart hat sie mir dann geschenkt. Für mich ist das natürlich perfekt, im Frosinone-Trikot eine rot-weiß-rote Schleife tragen zu können.“

Mit offensivem Pressing zum Erfolg

Auch den Spielstil, mit dem die „Ciociari“ gerade die zweite Liga aufmischen, ist hierzulande seit geraumer Zeit ein heißes Thema: „Wir spielen offensives Pressing, halten den Gegner sehr weit weg von unserem Tor und sichern hinten richtig gut ab. Wir lassen sehr, sehr wenige Torchancen des Gegners zu, erobern viele zweite Bälle und erarbeiten uns dadurch selbst viele Möglichkeiten.“

In 13 Spielen 22 Tore geschossen und nur neun kassiert – beides Bestwerte in der Serie B. Und natürlich nicht zuletzt Verdienst von Trainer Roberto Stellone. Früher hat Gucher mit dem „Mister“, der 37 Jahre alt und seit Sommer 2012 im Amt ist, noch in einem Team gespielt.

„Er war damals schon ein richtiges Idol, man hat ihm als junger Spieler gerne zugehört. Als Trainer ist er eher der freundschaftliche Typ. Außerhalb des Platzes kann man mit ihm reden, als wäre er ein Mitspieler, auf dem Platz gilt aber das, was er sagt“, berichtet der U20-WM-Teilnehmer von 2011.

Der erste Treffer

In der vergangenen Runde durfte Stellone dann endlich auch einen Treffer seines ÖFB-Legionärs bejubeln. Ein Weitschuss aus rund 25 Metern führte kurz vor der Pause zum 1:0 gegen Trapani. „Ein richtig cooles Gefühl! Ich war in den Spielen davor schon sehr nah dran. Ich habe gewusst, dass es früher oder später passieren wird. Bis jetzt habe ich, glaube ich, noch nie im Strafraum getroffen“, lacht Gucher.

Dass der Mann, der im zentralen Mittelfeld eigentlich nicht so sehr fürs Toreschießen, sondern eher für die Balleroberungen und –verteilung zuständig ist, bisher auch persönlich eine ganz starke Saison hinlegt, ist nicht verborgen geblieben.

Auf dem Radar der Serie A

Zwei, drei Mal sei er schon im Team der Runde gestanden und für gewöhnlich zähle er zu den notenbesten Spielern seiner Mannschaft, berichtet er. „Ich habe mir in Italien einen Namen gemacht“, freut sich der Steirer.

Auch in der "Gazzetta dello Sport" war Gucher ein Thema

Als die Serie-A-Sportdirektoren unlängst die „Gazzetta dello Sport“ zu ihrem Espresso durchblätterten, stießen sie auch auf einen halbseitigen Bericht über den zweiten Kapitän von Frosinone. Zumindest ein Großteil von ihnen kannte ihn aber sowieso davor schon.

Im vergangenen Sommer, als die „Ciociari“ den Aufstieg in die Serie B fixiert hatten, wurde unter anderem vom Interesse Udineses berichtet. Guchers Vorstellungen in der zweiten Liga haben wohl noch zusätzliche Begehrlichkeiten geweckt.

„Zwischen dem Präsidenten (Anm.: Maurizio Stirpe) und mir ist ein großes Vertrauen da. Wir sprechen offen über alles. Er hat mir über die Angebote aus der Serie A, die im Sommer da waren, erzählt und spricht mit mir über das aktuelle Interesse der Klubs aus der Serie A“, sagt der Mittelfeldspieler.

„Ich will nicht den Egoisten spielen“

Sein aktueller Vertrag läuft mit Saisonende aus. Eine Verlängerung ist sehr wahrscheinlich. „Es ist noch nichts unterschrieben, wir sind uns aber praktisch einig. Wir haben keinen Stress. Wir wollen beide eine Win-Win-Situation. Das heißt, dass der Präsident etwas zurückbekommen soll für das, was er für mich getan hat. Ich könnte den Egoisten spielen und ab Februar einen neuen Verein suchen. Das will ich aber persönlich nicht. Ich habe ihm viel zu verdanken“, so Gucher.

Übersetzt heißt das: Transfer im Sommer gut möglich.

„Klar, dass die Fans träumen“

Aktuell zählt aber sowieso nur Frosinone. „Dass es so extrem gut läuft, haben wir uns nicht erwartet“, spricht der Mittelfeldmann die Tabellenführung noch einmal an.

Die ersten beiden der 22 Teams steigen fix auf, die Plätze drei bis acht berechtigen zur Teilnahme am Aufstiegsplayoff. Aktuell liegen lediglich fünf Punkte zwischen Leader Frosinone und dem Neunten Perugia. „Es ist alles so eng zusammen. Wenn du in einer englischen Woche nicht punktest, kannst du ganz schnell wieder hinten drinnen sein“, weiß Gucher.

Deshalb habe sich am Saisonziel trotz aller Euphorie auch nichts geändert: „Das Ziel bleibt, so früh wie möglich den Klassenerhalt zu schaffen. Klar, dass es nach außen hin ein wenig komisch rüberkommt, das zu sagen, wenn man auf Platz eins steht. Auch klar, dass die Fans träumen. Aber die 50 Punkte, die den Nichtabstieg wohl bedeuten würden, bleiben das erste Ziel. Solange wir das nicht erreicht haben, denken wir an nichts anderes.“

Auch wenn das derzeit fast ein bisschen schwer fällt. „Es ist ein Traum“, strahlt Gucher.


Harald Prantl