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Der eigentümliche Eigentümer

Der eigentümliche Eigentümer

„Er mag ein wenig eigentümlich wirken, aber er weiß, was er will.“

Mit diesen Worten bereitete Vorgänger Edoardo Garrone Sampdoria-Trainer Sinisa Mihajlovic auf den neuen Klub-Eigentümer vor.

Es war eine glatte Untertreibung. Über die vergangenen Monate hinweg gesehen hat Massimo Ferrero den anderen Vereins-Bossen der Serie A nämlich die Show gestohlen. In einer Liga, in der die Dichte an merkwürdigen Herrschaften an den Klub-Spitzen größer ist, als in fast allen anderen, ist das ein Kunststück.

Doch von „Trainer-Fresser“ Maurizio Zamparini (Palermo) über Lautsprecher Aurelio di Laurentiis (Napoli) bis zu „Cavaliere“ Silvio Berlusconi (Milan), sie alle rückten einen Schritt in den Hintergrund, als der Mann mit den weißen Wuschelhaaren und dem nicht minder wild wuchernden Vollbart im Juni 2014 die Bühne betrat.

Die beste Hinrunde der Geschichte

Nach der ersten Halbsaison im Amt bleibt unbestritten festzuhalten, dass Ferrero sein Versprechen zum Amtsantritt („großartige Siege und Erfolge“) gehalten hat. Mit 34 Punkten liegt die Samp punktegleich mit dem Vierten Lazio auf dem fünften Platz – zudem wurde mit 33 Zählern in der Hinrunde der vereinsinterne Punkterekord aufgestellt.

Kein Wunder, dass zumindest die nicht dem Genoa CFC zugeneigte Hälfte der Stadt träumt. Und weil Ferrero gerne große Brötchen bäckt, hielt er es schon Mitte der Herbstsaison nicht gerade angebracht, auf die Euphoriebremse zu treten.

Filmproduzent und Kinobesitzer

Die „Blucerchiati“ entwickelten sich nach dem Wiederaufstieg 2003 zu dem, was sie davor in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens gewesen waren – ein durchschnittlicher Serie-A-Klub. Der beliebte Klub-Boss Riccardo Garrone schaffte es aber immerhin, den Verein finanziell zu konsolidieren, ehe er im Jänner 2013 das Zeitliche segnete und sein Sohn das Ruder in die Hand nehmen musste.

Der Filou aus dem Filmgeschäft

Und dann kam Ferrero. Ein Film-Produzent, der in der Hauptstadt Rom Kinos und Videotheken betreibt, dem aber nicht zuletzt nach der Pleite seiner Fluglinie „Livingston Energy Flight“ nachgesagt wurde, mehr vom immensen Vermögen seiner Frau, denn von den eigenen Geschäftsideen zu leben.

Des Römers Ruf als Filou spiegelt sich auch in seinem Spitznamen „Er Viperetta“ („die kleine Giftschlange“) wider. Eine Schauspielerin verlieh ihm den Spitznamen, nachdem er einen aufdringlichen Bewunderer der Dame geohrfeigt hatte. Allzu fleißige Flirt-Versuche mit Interview-Partnerinnen zeigten in den vergangenen Monaten aber auch, dass er diesbezüglich ganz gerne mal die andere Seite einnimmt.

Nicht minder eigenwillig präsentiert sich Ferrero während und nach den Spielen seines Vereins. Zurückhaltung ist die Sache des Präsidenten nicht. Er flucht, schreit, springt und lebt mit jeder Faser seines Körpers mit. Nach Siegen freudentaumelt er regelmäßig über den Rasen. Wahlweise mit einem T-Shirt in der Hand, auf dem er selbst zu sehen ist.

Erinnerungen an Vujadin Boskov

„Ob wir Meister werden können? Das ist durchaus möglich! Die Spitze der Tabelle ist elegant, also passt sie zu Sampdoria. Ich glaube daran, dass wir den Scudetto gewinnen können – mit Sinisa Mihaijlovic als mein Vujadin Boskov“, tönte der 63-Jährige.

Wer den Namen Vujadin Boskov ausspricht, hat die Garantie, dass die Augen der Sampdoria-Tifosi zu leuchten beginnen. Der legendäre jugoslawische Trainer führte den Klub 1991 zum einzigen Meistertitel, nachdem er in der Saison davor den Europapokal der Pokalsieger holen konnte. Zudem gewann er zwei Mal die Coppa Italia. Kurzum, Boskov zeichnet für mehr als die Hälfte der großen Trophäen des Klubs verantwortlich.

Jahre der Tristesse

Den goldenen Zeiten folgte Tristesse. Kein Roberto Mancini oder Gianluca Vialli drehten mehr in regelmäßigen Abständen zum Torjubel ab, keine namhaften Männer wie Sven-Göran Eriksson und Cesar Luis Menotti standen mehr an der Seitenlinie. Eigentümer Paolo Mantovani verstarb plötzlich und sein Sohn Enrico konnte den Absturz in die Serie B 1999 nicht verhindern.

Feiern mit dem eigenen Shirt

"Das größte Stadion Europas"

Ferrero scheint grundsätzlich in größeren Dimensionen zu denken als die meisten Menschen. So auch, wenn es um den Bau eines neuen Stadions geht. Der Samp-Boss präsentierte seine Pläne: „Wir werden ein Stadion am Meer bauen. Es muss sieben Tage in der Woche aktiv und das größte in Europa sein.“

Mit der Verpflichtung von Altstar Samuel Eto’o will der 63-Jährige, der sich gerne als Arbeiterklassen-Präsident bezeichnet, seine großen Ambitionen abermals untermauern.

Über und unter der Gürtellinie

Und weil dieses ganze Fußball-Engagement für ihn offenbar eine große Show sein muss, legt er sich auch regelmäßig mit der Konkurrenz an. Mal über, mal unter der Gürtellinie. Letzteres, als er Erick Thohir, den indonesischen Inter-Investor, öffentlich als „den Filipino“ bezeichnete. Es folgte eine Geldstrafe und eine Sperre, gegen die Ferrero erfolgreich berufen hat.

Humoriger klangen die Aussagen über Palermo-Boss Zamparini: „Er marschiert zu seiner eigenen Trommel. Er trommelt und wenn er nicht mag, was er hört, ist er sauer auf den, der es aufnimmt.“

In Genua hören sie Ferrero seit Monaten trommeln. Und der vorgegebene Takt hat die Samp durch die erfolgreichste Hinrunde ihrer Geschichte geführt. Ganz nach dem Geschmack des eigentümlichen Eigentümers.

Ja, er hat es im Juni 2014 bereits angekündigt: „Ich werde mich hier auf zwei Dinge konzentrieren – spektakulären Fußball und das Geschäft.“

Harald Prantl

Die erste Begegnung

Doch es ist eben jener kindliche Enthusiasmus, der Sampdoria neues Leben eingehaucht zu haben scheint. Eigenwillig, aber mitreißend. Coach Mihajlovic erinnert sich nur zu gerne an das erste Aufeinandertreffen: „Er hat folgendes zu mir gesagt: ‚Für mich bist du ein Mythos. Wir sind gleich, sind in den Straßen aufgewachsen, haben es alleine nach oben geschafft. Wenn du mal einen Film sehen willst, sorge ich dafür, dass du nichts bezahlen musst.‘“

Prompt gab es die erste Vorstellung: „Ferrero hat eine Kinosaal mit 450 Sitzen für uns beide alleine reserviert. Wir haben uns das WM-Spiel Italien-England angesehen.“